IDS 2023
Branche & Insights
12.02.23
Die Digitalisierung hat erst begonnen: Das Beste kommt noch!
Zur 40. Internationalen Dental-Schau 2023
Christian Ehrensberger
Die 40. Internationale Dental-Schau (IDS) 2023 findet vom 14. bis zum 18. März in Köln statt. In welche Richtung sie die Zahnheilkunde bewegen wird, schätzt Ztm. Klaus Bartsch, Obermeister der Zahntechniker-Innung Köln, in unserem Interview ein.
Herr Bartsch, mit dem digitalen Workflow rücken Labor und Praxis auf vielfältige Weise näher zusammen. Wo stehen wir heute?
Klaus Bartsch: Moderne, immer leistungsfähigere Systeme für Dentallabore führen zu einem Paradigmenwechsel in der zahntechnischen Fertigung, und sie führen direkt zu neuen Angebotschancen in der Zusammenarbeit mit den zahnärztlichen Praxen. Die digitale Entwicklung ist in den letzten Jahren rasant verlaufen:
Zunächst haben wir hauptsächlich Kronen und Teilkronen fertigen können, während wir heute auch Metallbasen, Implantatversorgungen und Kombinationsprothetik – kurz: komplexe Versorgungsformen mit digitalgestützten Systemen herstellen können. Da auch der Anteil der Behandler, die neue Technologien zur Diagnostik und Planung von Zahnersatz einsetzen und ihren Patienten anbieten wollen, deutlich anwächst, suchen Zahnärzte zunehmend nach zahntechnischen Partnern mit entsprechender Kompetenz und Leistungsfähigkeit. Und diese Leistungsfähigkeit wird benötigt! Denn Patienten-sicherheit und Qualität in der digitalisierten Prothetik bedürfen – neben dem gewachsenen „analogen“ Wissen – der Fertigkeit, der Erfahrung und Kreativität im Umgang mit den neuen Technologien. Im Weiteren entwickeln sich dann im professionellen Zusammenspiel zwischen Zahnmedizin und Zahntechnik neue, spezialisierte Kompetenzen.
Digitale Technologien könnten auch dazu führen, dass Zahnärzte die Anfertigung bestimmter Arbeiten selbst übernehmen. Inwiefern stehen Sie heute als Labor zu ihren Kunden im Wettbewerb?
Klaus Bartsch: Nur in den seltensten Fällen entsprechen die für die Praxis angebotenen Technologien einer eierlegenden Wollmilchsau. Bei den kleineren Chairside-Anlagen kann man im Hinblick auf die Vielfalt prothetischer Indikationen und Versorgungsformen nicht wirklich von einem großen Wettbewerb zwischen Praxis und Dentallabor sprechen. Technisch und ästhetisch anspruchsvolle Versorgungen werden daher nach wie vor bei gewerblichen Zahntechnikern nachgefragt. Nach meiner Erfahrung vertrauen Zahnärzte gerade bei komplexen Patientenwünschen dem zahntechnischen Labor. Diese stehen mit hoher Expertise in puncto digitaler Fertigungstechnologie, Werkstoffkunde und der Einhaltung der „Medical Device Regulation“ – d.h. der Medizinproduktesicherheit – partnerschaftlich an der Seite der Praxis.
Ob sich die höheren Anschaffungskosten in ein leistungsfähiges Fertigungssystem für eine Praxis lohnen, hängt von einer Reihe von Faktoren ab, wie etwa von der Praxisgröße und -ausrichtung und der damit verbundenen Auslastung. Gewerbliche Labore können teilweise aufgrund ihrer Kundenstruktur höhere Investitionsvolumen in CNC-Anlagen mit breitem Indikationsspektrum besser darstellen.
Welchen dieser Fertigungsoptionen eröffnen dem Labor besonders attraktive neue Chancen?
Klaus Bartsch: Bis vor einigen Jahren war die digitale Fertigungstechnologie im Dentallabor vor allem durch subtraktive Verfahren geprägt. Die in den letzten Jahren entwickelten additiven Verfahren bieten in Verbindung mit neuen Materialien Chancen zur Verbesserung von Prozessen, Qualitäten und Angeboten.
Das Thema 3-D Druck kann zu einem Game Changer werden, der mit einer hohen Präzision und Schnelligkeit dem Behandler, aber auch dem Patienten durch Rapid Prototyping auch schon eine geplante Versorgung visuell transparent machen kann. Die Erstellung von Prototypen hat sich schließlich zum Beispiel in der industriellen Produktion bereits bestens bewährt.
Speziell zur Totalprothetik: Hier gab es bei den jüngsten Internationalen Dental-Schauen unterschiedliche Ansätze – komplett digitale Systeme zur Herstellung von Totalprothesen durch den Zahnarzt, digitale Workflows unter Beteiligung des Labors und kombiniert analog/digitale Workflows. Was hat sich auf dem Stand von heute durchgesetzt?
Klaus Bartsch: Die Totalprothetik stellt eine zwar oft vernachlässigte, jedoch besonders anspruchsvolle Disziplin mit ganz eigenen Herausforderungen dar. Einerseits Stiefkind der Zahntechnik, andererseits als komplexeste Versorgungsform die Königsdisziplin in der Zahnheilkunde. Die Totalprothetik stellt nach wie vor höchste Anforderungen an die Kompetenzen und Fähigkeiten in der Praxis und im Labor, wobei die Zusammenarbeit von entscheidender Bedeutung ist. Es gibt nichts Schwierigeres, als 28 Zähne im dreidimensionalen Raum funktionell, lagerichtig und ästhetisch einwandfrei zu positionieren! Man denke nur an den folgenden, nicht seltenen Fall: Ein älterer Patient stellt sich nach komplettem Zahnverlust vor und findet zunächst einmal keine Zentrik.
Gleichzeitig stellt der so genannte 28er für die meisten Patientinnen und Patienten einen großen Einschnitt in die Lebensqualität dar. Aus diesem Grund werden hier an die Behandler höchste Anforderungen in puncto Abformung – ob analog oder digital – und an die Bestimmung der Kieferrelation gestellt. Meist sind aber auch wiederholte Anproben und Korrekturen notwendig. Ob gedruckt, gefräst oder hybrid – zurzeit gibt es bereits einige Lösungsansätze im Markt. Welches Verfahren sich insbesondere im Hinblick auf die Investitions- und Produktionskosten, aber auch auf die Produktionsdauer durchsetzen wird, wird die Zukunft zeigen. Auf jeden Fall wird sich auch hier der Berufsalltag im zahntechnischen Labor dadurch wandeln.
Was sollten sich Besucher der IDS 2023 daher besonders gut ansehen?
Klaus Bartsch: Der Markt bietet für die gesamte Bandbreite zahntechnischer Aufgaben bereits viele leistungsfähige digitale Systeme. Zur IDS dürften Detailverbesserungen bei bestehenden Konzepten oder ganz neue Ansätze hinzukommen.
Die zunehmende Digitalisierung hat aber nicht zuletzt auch deswegen ihr Gutes, weil sie dem zunehmenden Fachkräftemangel entgegenwirkt. Die Digitalisierung der Totalprothetik wird zur IDS mit Sicherheit ein spezielles, großes Thema sein. Grundsätzlich werden Systeme, die sich bereits im industriellen Einsatz befinden, für die Zahntechnik maßgeschneidert. Das war in der CNC-Fertigung so, das setzt sich jetzt in der additiven Fertigung fort.
Fortschritte erwarte ich hier gerade auch bei den Materialien, da die Zahnheilkunde mit Mundbeständigkeit und Körperverträglichkeit zwei Hauptanforderungen stellt, die über die üblichen industriellen Erfordernisse hinausgehen. Es geht aber auch um die physikalischen Eigenschaften, wie etwa um eine ausreichende Härte und Abriebfestigkeit für gedruckte Kronen, um die Formbeständigkeit gedruckter individueller Löffel, um Schienen mit einer gewissen Elastizität. Gespannt bin ich aber auch auf die ästhetischen Möglichkeiten: Werden die neuen Druckwerkstoffe eher einfarbig oder mehrfarbig sein? Wann werden wir exakte Zahnfarben mit Dentinkern und Schneide drucken können? Wie wird der 3-D-Druck für die Totalprothetik weiterentwickelt?
Darüber hinaus wird es interessant werden, wie die CAD/CAM- beziehungsweise 3-D-Druck-Systeme in Zukunft in ein Labor eingeführt werden können. Zu berücksichtigen sind aber auch standortbedingte Einflussfaktoren. Wir Zahntechniker kennen diese Situation bereits aus der klassischen Einbettmassensteuerung. Auch hier mussten wir uns oft an unsere eigenen, individuellen Mischungsverhältnisse herantasten. Der Weg zum perfekten Inlay oder Teleskop war immer eine Wegstrecke. Diesem Optimum aus der Gusstechnik haben sich viele Kollegen auch in der digitalen Technik schon wieder angenähert. Mit zunehmendem, digitalem Know-how senkt sich dabei zum Beispiel der Nachbearbeitungsaufwand von Teleskop zu Teleskop bis nahe null. Gerade für die Anwendererfahrung engagierter Kollegen und die Kommunikation mit der Industrie stellt die IDS auch in diesem Jahr wieder ein wichtiges Gesprächsforum dar.
Digitalisierung findet jedoch nicht nur in der Diagnostik, der Planung und Fertigung statt, sie wird auch in der Kommunikation zwischen Praxis und Labor neue Anforderungen, Chancen und Möglichkeiten bieten. Eine besonders augenfällige Änderung: Die Digitalisierung wird den Auftragszettel verändern!
Die Übertragung von Patienten- und Auftragsdaten, von Bilddateien bis hin zur Möglichkeit einer Live-Videokonferenz lassen die Datenmengen zunehmen, und so rücken Datensicherheit und datensichere Vernetzung in den Fokus. Die Anforderungen an die Telematik-Infrastruktur sind gesetzlich verankert, und der Verband Deutscher Zahntechniker-Innungen arbeitet bereits intensiv an der Umsetzung dieser gesetzlichen Normen.
Nach meiner Meinung stehen wir, was die Möglichkeiten des digitalen Workflows angeht, noch am Anfang. Das Beste kommt noch! Mit Sicherheit wird daher die IDS 2023 wieder spannend und ich freue mich schon, dort neben der Technologie auch wieder die sensationellen Arbeiten der Gysi-Preisträger zu sehen und bekannte und innovative Kollegen zu treffen.
Advertorial
Erweitertes Portfolio mit Hybrid-Workflow
CADdent hat seine Fertigungsverfahren um die hochpräzise HYBRID-Fertigung ergänzt. Diese innovative Fertigungsmethode vereint die Vorteile des LaserMelting-Verfahrens mit der CNC-Technik, und ist somit ideal für teleskopierende sowie okklusal direkt verschraubte Arbeiten geeignet. Besonderes Augenmerk liegt bei der inhouse Weiterentwicklung des Fertigungsverfahren auf der Präzision, so kann CADdent nun eine durchgängige Vestibulärfläche mit einer Dicke von nur 0,4 - 0,5 mm realisieren. Zudem ist CADdent das einzige Fertigungszentrum in Deutschland, das die Bearbeitung von Titan im Hybrid-Verfahren anbietet.
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