Mitarbeiterführung & mehr

19.06.24

„Moderiertes“ Jammern stärkt das Wirgefühl

Frühwarnsystem für Labormanager

Sabine Prohaska

Jammern ist im beruflichen Kontext meist verpönt. Dabei hat das Jammern auch eine soziale Funktion. Und nicht selten ist es sogar ein Frühwarnsystem für Defizite im Labor, die zu massiven Problemen führen können.

Jeder tut es – mehr oder weniger oft und mal mehr oder weniger laut: jammern. Über das Wetter, das körperliche Wohlbefinden, die Arbeitsbelastung, den schlechten Service, die zahllosen Veränderungen und vieles mehr.
Trotzdem hat das Jammern eine negative Konnotation, und wer es zu oft und laut tut, wird nicht selten mit dem Etikett „Jammerlappen“ versehen. Oder wird von der Führungskraft in die Kategorie „Ja, aber“-Mensch einsortiert,

  • der, egal was passiert, immer etwas zu mäkeln und beklagen hat, und
  • den man im Auge behalten sollte, unter anderem, damit er mit seinem ewigen Negativdenken nicht das gesamte Team infiziert.

Zweifellos gilt: In der heutigen Arbeitswelt – in der von den Mitarbeitenden ein hohes Maß an Eigenverantwortung und -initiative sowie eine große Veränderungsbereitschaft erwartet wird – wird Jammern nicht goutiert. Dabei hat es aus psychologischer Sicht auch wichtige, wenn nicht gar positive Funktionen im menschlichen Miteinander, weshalb man es keinesfalls immer als Zeichen mangelnder Motivation und Identifikation interpretieren sollte. Zuweilen ist sogar das Gegenteil der Fall.

Die positiven Ef­fekte
Ein Jammern im Sinne eines „Dampfablassens“ kann zu einer emotionalen Entlastung führen, sodass der Druck im Kessel sinkt, was, wenn Menschen unter einem enormen Arbeits- oder Veränderungsdruck stehen, manchmal schlicht nötig ist. Für manche Menschen ist das Klagen sogar eine wichtige Bewältigungsstrategie für schwierige Lebensumstände und Herausforderungen.
Jammern hat zudem eine soziale Funktion, denn hierbei teilen Menschen ihre Sorgen und Nöte mit anderen Personen. Das kann sogar den Teamgeist fördern, denn hierdurch wird dem jeweiligen Gegenüber die Möglichkeit gegeben, Mitgefühl und Verständnis zu zeigen sowie Hilfe anzubieten. In Teams erzeugt ein gemeinsames Lamentieren zudem nicht selten ein Gefühl der Zugehörigkeit und stärkt die gemeinsame Identität. Wenn die Mitglieder eines Teams gewisse Sorgen, Nöte und Frustrationen teilen, stärkt dies oft die persönlichen Bindungen zwischen ihnen und somit auch das Wirgefühl.
Das Jammern weist zudem oft auf Probleme und Missstände hin, die ansonsten unerkannt blieben. Nicht selten hat es sogar die Funktion eines Frühwarnsystems, indem es auf Schwachstellen in der Organisation verweist, die dringend behoben werden sollten – zum Beispiel, um ein Abwandern von Leistungsträgern, ein Scheitern des Projekts oder das Nichterreichen der Laborziele zu vermeiden.

Die Schattenseiten
Doch auch für das Jammern gilt das Bonmot „Jede Medaille hat zwei Seiten“. So zeigt z. B. die Studie „Yes, we complain … so what?“ von Caroline Aubé und Vincent Rousseau (2016), dass das Jammern oft die Teamleistung mindert. Zudem belegen weitere Studien: Wird das Jammern zu einem Bestandteil der Unternehmenskultur, beeinflusst dies die Arbeitsmoral, Kreativität und Produktivität negativ.
Führungskräfte sollten sich dieser Ambivalenz des Jammerns bewusst sein. Zuweilen erfordert es ihre Funktion jedoch sogar, dieses zu stimulieren. So z. B. wenn sie wissen, dass ihre Mitarbeitenden aktuell gerade wegen eines Change-Projekts unter einer hohen Belastung stehen – auch emotional. Dann kann es durchaus sinnvoll sein, ein Meeting beispielsweise mit folgenden Worten zu eröffnen: „So, nun sagen Sie mal alles, was Sie in Zusammenhang mit unserem Projekt xy stört.“ Denn dies eröffnet den Mitarbeitern die Chance, ihre Bedenken und Probleme so zu artikulieren, dass sie nicht nur die Gerüchteküche nähren, sondern anschließend im Team besprechbar und bearbeitbar sind. Dabei muss die Führungskraft jedoch darauf achten, dass das konst­ruktive Beklagen nicht in destruktives Jammern umschlägt. Deshalb sollte die Führungskraft, nachdem sie einige Zeit den Klagen der Mitarbeiter lauschte, z. B. sagen: „Wenn ich Ihre Vota richtig interpretiere, kämpfen Sie aktuell primär mit folgenden drei Problemen: A …, B … und C …. Lassen Sie uns einmal gemeinsam überlegen, wie wir welche Probleme lösen können und mit welchen wir schlicht leben müssen, weil sie sich unserem Einfluss entziehen.“ Denn so wird der Diskurs in Richtung Problemlösung gelenkt, und er bleibt nicht bei einem gemeinsamen Beklagen der Istsituation stehen.

Bei einem chronischen ­Nörgeln intervenieren
Generell gilt es als Führungskraft zu unterscheiden,

  • jammert eine Person situationsbedingt oder
  • handelt es sich bei ihr sozusagen um einen Dauernörgler, der mit seinem permanenten Negativtalk die Leistung des Teams negativ beeinflusst.

Ist Letzteres der Fall, dann sollte die Laborleitung intervenieren. Hierfür ein Beispiel: Eine Führungskraft registriert, dass ein Mitarbeiter permanent über einen Prozess oder ein Projekt lästert, das darauf abzielt, dass das Labor auch künftig den erforderlichen Gewinn erzielt. Dann sollte sie zum betreffenden Mitarbeiter im Bedarfsfall auch mal sagen: „Herr Müller (oder Frau Mayer), sind Sie der Auffassung, dass ein Zahntechniklabor Gewinn erzielen muss, damit sie überlebt?“ Diese Frage wird der Mitarbeitende mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bejahen. Daraufhin kann die Führungskraft sagen: „Herr Müller (oder Frau Mayer), dann erwarte ich von Ihnen auch, dass Sie sich für den Erfolg unseres Projekts wie erforderlich engagieren … oder für sich die nötigen Konsequenzen ziehen.“
Generell gilt: Eine von Wertschätzung 
für die Mitarbeiter geprägte Arbeitsumgebung und eine Führungs- und Kommunikationskultur, die ein offenes Feedback fördern, reduziert die Zahl der destruktiven Klagen. Dasselbe gilt, wenn Mitarbeiter registrieren: Unsere Führungskraft greift bei einem chronischen Lamentieren „korrigierend“ ein und fördert uns, soweit möglich, in unserer persönlichen und beruflichen Entwicklung.
Entsprechend differenziert sollten Führungskräfte auf ein Jammern bzw. Klagen der Mitarbeiter reagieren. Einerseits müssen sie den Bedürfnissen und Emotionen ihrer Mitarbeitenden Beachtung schenken, andererseits aber auch stets die Auswirkungen der Klagen auf die Team-Dynamik und Produktivität im Auge behalten.
Von zentraler Bedeutung ist hierbei das Erkennen und Akzeptieren, dass Jammern nicht per se negativ ist. Es kann im Führungsalltag auch ein wertvolles Feedback-Instrument sein, das hilft, Probleme zu identifizieren und zu lösen.

Auch Chefs dürfen 
mal ­jammern
Übrigens, auch Führungskräfte dürfen ab und zu mal klagen und stöhnen, z. B. über die vielen Veränderungen, die sich im Umfeld des Labors vollziehen und die zahlreichen Herausforderungen, die hieraus für sie resultieren. Tut dies eine Führungskraft wohlüberlegt und -dosiert, kann dies sogar ihre Beziehung zu ihren Mitarbeitern fördern – unter anderem, weil diese dann registrieren: Unser Chef ist auch ein Mensch und keine Maschine.

So „moderieren“ Führungskräfte das Jammern

  • aktiv zuhören und empathisch sein
  • zwischen konstruktivem und destruktivem Jammern unterscheiden
  • eine positive Arbeitsumgebung schaffen
  • ein aktives Konfliktmanagement betreiben
  • regelmäßig Feedback geben
  • die nötigen Ressourcen bereitstellen
  • Transparenz und Fairness gewährleisten
  • bei Bedarf frühzeitig eingreifen

Sabine Prohaska
ist Wirtschaftspsychologin und Inhaberin des Beratungsunternehmens seminar consult prohaska in Wien, das unter anderem (Online-)Trainer und Coaches ausbildet und Unternehmen beim Entwickeln einer neuen Lernkultur und Kultur der Zusammenarbeit in ihrer Organisation unterstützt.

Kontakt
Mag. Sabine Prohaska
seminar consult prohaska e.U.
Märzstr. 55/13
1150 Wien/Österreich
prohaska@seminarconsult.at
www.seminarconsult.at

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