Fachbeitrag

Implantatprothetik

17.09.24

Frontzahntrauma: implantatprothetische Herausforderung für alle

Rekonstruktion eines Frontzahnes mit Kronenformgestaltung zur Weichgewebeausformung

Ztm. Constanze Reil, Dr. Andreas Habash und Prof. Dr. Michael Stimmelmayr

Mikro-Layering und die Kronenformgestaltung zur Weichgewebeausformung rücken in den Fokus zahntechnischer implantatgetragener Lösungen. Moderne Color- bzw. Strukturmassen und Verfahren wie das Internal und External Staining erlauben schlankere Restaurationen mit in Farbe und Struktur patientenindividuell charakterisierten Oberflächen – ohne Einbußen der Festigkeit. PEEK-Gingivaformer und formidentische Abformpfosten ermöglichen eine stabile und damit dauerhaft ästhetische Weichgewebeausformung. Dies ermöglicht dem Team von Chirurg, Prothetiker und Zahntechniker ein ebenso effektives wie effizientes Vorgehen.

Einzelzahnimplantationen in der ästhetischen Zone bzw. der Oberkieferfront und damit die Rekonstruktion eines fehlenden oder nicht erhaltungswürdigen Zahnes stellen neben dem Chirurgen und Prothetiker auch den Zahntechniker vor eine große Herausforderung. Ein stabiles Hart- und Weichgewebemanagement sind neben der Positionierung des Implantates die entscheidenden chirurgischen Faktoren für den klinisch langfristigen Erfolg. Aspekte wie Farbe, Form, Textur der Oberfläche sowie Transluzenz und Opaleszenz der Krone, jeweils individuell auf den Patienten abgestimmt, sind von zahntechnischer Sicht aus für die Akzeptanz des Patienten von Bedeutung.

Vorgeschichte und zahntechnische Ausgangssituation
Der 33-jährige Patient erlitt beim Fußballspielen ein Frontzahntrauma an Zahn 21 mit einer tief in den Sulkus reichenden Kronen-Wurzelfraktur. Als Notfallbehandlung wurde mittels Titanium Trauma Splint (TTS, Medartis AG) eine semirigide Schienung durchgeführt (Abb. 1). Nach Anfertigung eines DVTs und genauer Befundung in der regulären Sprechstunde konnte die Wurzelfraktur und somit die notwendige Extraktion des Zahnes 21 diagnostiziert werden (Abb. 2).
Nach einem ausführlichen Beratungsgespräch mit dem Hauszahnarzt über die verschiedenen Versorgungsoptionen ­entschied sich der Patient für eine implantatprothetische Therapie. Als definitive ­Versorgung war eine monolithische ­verschraubte Zirkonoxid-Abutment-Krone auf einem individuellen Titan-Abutment geplant. Der Defekt an Zahn 22 sollte ­konservativ mit Komposit rekonstruiert werden.
Extraktion und Implantation erfolgten in Abstimmung mit dem Prothetiker ­Dr. Andreas Habash durch Prof. Dr. Michael Stimmelmayr. Um sowohl eine optimale Implantatposition und -achse als auch den Hart- und Weichgewebeerhalt zu gewährleisten, wurde ein Intraoralscan (Trios, 3Shape) angefertigt und zur Planung die STL-Daten mit den DICOM-Daten des DVTs überlagert. Gemäß der Planung wurden eine pilotgeführte 3D-Implantatschablone (Smop, Swissmeda) und ein individueller Gingivaformer aus PEEK (Dedicam, Camlog) angefertigt [1]. Nach schonender Entfernung des Zahnes 21 wurde mittels OP-Schablone die Pilotbohrung durchgeführt, diese mit Formbohrern erweitert und das Implantat (Camlog Progressive Line 3,8/13 mm) ca. 3 mm unterhalb des bukkalen Gingivaverlaufes inseriert (Abb. 3 und 4). Der bukkale Spalt zwischen Alveolenwand und Implantat wurde mit autologen Bohrspänen aufgefüllt und zur Weichgewebekonditionierung bukkal nach Spaltlappenbildung ein autologes Bindegewebetransplantat, entnommen am linken Tuber, eingebracht [2–8]. Zur Unterstützung der Hart- und Weichgewebe wurde final der individuelle PEEK-Gingivaformer eingeschraubt und ein Schienenprovisorium ohne Kontakt zum Gingivaformer eingesetzt (Abb. 5 und 6a bis c).

Herausfordernder Weg zur ­definitiven Versorgung
Während der dreimonatigen Einheilphase des Implantates wurde passend zum eingesetzten individuellen Gingivaformer ein formkongruenter, verschraubter PEEK-­Abformpfosten für eine offene Abformung (Dedicam, Camlog) im Fräszentrum angefertigt (Abb. 7). Die Abformung erfolgte mit individuellem Löffel und Polyether-Abformmasse ­(Impregum, 3M Espe). Zusätzlich wurde ein intraoraler Scandatensatz (Medit i700) erstellt und an das zahntechnische Labor weitergeleitet.

Provisorium
Nach erfolgter Modellherstellung (analog/digital) und Einstellung der Modelle nach arbiträrer Scharnierachsbestimmung in den Artikulator wurde die Situation erneut mit dem Laborscanner (Medit T510) digital erfasst. Der Hartsubstanzdefekt an Zahn 22 wurde adhäsiv mit Komposit ­(Estelite Universal Flow, Tokuyama Dental Corp.) rekonstruiert. Hierzu wurde auf Grundlage des Meistermodells ein analoges Wax-up hergestellt und dieses mit einem passgenauen, transparenten Silikonvorwall abgegriffen (Regiofix, Dreve) (Abb. 8). Nach durchgeführter Rekonstruktion des Zahnes 22 erfolgte die Ästhetikeinprobe der Implantatrekonstruktion mit einer digital erstellten Multicolor-PMMA-Krone (Multi Blank, anaxdent) (Abb. 9 bis 11). Als Referenz für die provisorische Implantatkrone wurde der benachbarte Inzisivus gescannt und mittels Software (DentalCAD, exocad) digital gespiegelt. Verklebt (MaxiTemp, Henry Schein) wurde die Krone auf dem für die definitive Versorgung individuell gefertigten Titan-Abutment (CAM Titanrohling 3,8, Camlog). Bei der Anprobe wurden die korrekte Passung und die biologisch adäquate Form des Emergenzprofils im Bereich der Kronenbasis kontrolliert. Die Öffnung des Schraubenkanals war so positioniert, dass eine direkte Verschraubung transpalatinal möglich war. Nach Überprüfung von Form, Funktion und Ästhetik der provisorischen Krone konnte diese als verbindliche Vorlage für die definitive Versorgung herangezogen werden.

Definitive Krone
Der gespiegelte Inzisivus 11 wurde aus der Vollanatomie digital „geschrumpft“ und diente so als perfekte Vorlage für das Abutment-Design, welches zur Aufnahme einer vollkeramischen Krone unter Berücksichtigung aller wichtigen Parameter wie Stabilität, Ästhetik sowie Passgenauigkeit von höchster Bedeutung ist [10,11] (Abb. 12). Dieser generierte STL-Datensatz wurde anschließend aus einem Titan-Rohling (CAM Titanrohling 3,8, Camlog) inhouse gefräst (Medentika Halter und 350i, imes icore). Für die Herstellung der definitiven Versorgung wurde der bereits bestehende Datensatz labial um 0,7 mm reduziert. Die individuelle Morphologie der Labialfläche wurde mit Mamelons und Inzisalkante sowie das Mikro-Cut-back im digitalen Design angelegt (Abb. 13a bis c). Im Anschluss wurde der STL-Datensatz aus dem entsprechenden Zirkonoxid-Blank (Katana Zirkonia HTML, Kuraray) ­gefräst.
Um das Titan-Abutment zu maskieren und damit sein Durchschimmern und ein Vergrauen der Krone zu verhindern, wurde der Weißling vor dem Sinterprozess im Innenlumen mit Effektflüssigkeit (Esthetic Colorant Opaque, Kuraray) benetzt. Die Zahnfarbe wurde neben der klassischen analogen Zahnfarbenbestimmung zusätzlich mit dem digitalen Vita Easyshade gemessen und bestimmt.
Aussagekräftige Makroaufnahmen aus frontaler und lateraler Perspektive zeigten alle wesentlichen Details; besonderes Augenmerk lag hierbei auf der Verwendung eines Kreuzpolarisationsfilters [9], welcher unerwünschte Reflexionen beseitigt und eine objektive Analyse der Zahnfarbe (Chroma) und der Zahnsubstanz ermöglicht (PolarEyes Filter by Sascha Hein, ­Briegel Dental).
Nach Abschluss der vorbereitenden Maßnahmen wurde zur Herstellung eines idealen Haftverbunds zwischen Zirkonoxid und Schichtkeramik – nach dem Sandstrahlen mit Aluminiumoxid 50 µm – gemäß der Herstellervorgaben ein Adhäsivbrand durchgeführt (Zirkonia 750, Kulzer). Durch Auftragen von Colormassen auf der Labialfläche konnte eine ausreichende Tiefenwirkung erzielt werden. Dieses „Internal Staining“ findet in der Zahntechnik vor allem im Bereich des Mikro-Layerings Anwendung [12]. Die Labialfläche wurde individuell mit Effekt- und Schneidemassen verblendet, während der palatinale Anteil bis zur Inzisalkante und die subgingivalen Bereiche aus monolithischem Zirkonoxid blieben (Abb. 14 bis 23).
Nach Ausarbeitung der Oberflächen, Lichtleisten sowie der Makro- und Mikrostruktur erfolgte die erste Ästhetikanprobe der Restauration, die hierzu provisorisch auf dem Titan-Abutment verklebt wurde (MaxiTemp, Henry Schein). Basierend auf den Erkenntnissen dieser Anprobe wurde eine minimale Farbkorrektur (Fotodokumentation in situ) vorgenommen. Die patientenspezifische Finalisierung erfolgte mit entsprechenden Color- und Strukturmassen (MiYO, Jensen Dental) (Abb. 24 bis 28). Um die Gewebeintegration zu unterstützen [13], wurde der subgingival liegende Kronenanteil nicht glasiert, sondern nur durch Politur geglättet.
Nach ihrer Finalisierung wurde die Krone extraoral im Labor gemäß Protokoll verklebt. Hierzu wurden zunächst die Krone im Innenlumen sowie das Titan-Abutment mit 50 µm Aluminiumoxid sandgestrahlt und danach diese Flächen mit einem Metall-/Zirkonoxid-Primer (Metal Primer Z, GC) benetzt. Anschließend wurde selbsthärtendes Befestigungskomposit (Multilink Hybrid Abutment, Ivoclar) aufgetragen und die Klebefuge mit Oxyguard ­(Panavia F 2.0 Oxyguard II, Kuraray) bedeckt. Dies verhindert zum einen den Zutritt von Sauerstoff an der Klebefuge, zum anderen enthält das Produkt einen Polymerisationsbeschleuniger, um eine schnellere und sichere Aushärtung zu ermöglichen. Die Implantatkrone wurde gereinigt (Finevo Cleaning System, bredent) und für den Versand an die Praxis eingeschweißt.
Die Krone wurde vom Prothetiker eingesetzt und gemäß Protokoll transpalatinal verschraubt. Oberhalb der Schraube wurde sterilisiertes PTFE-Band (Cumdente) eingebracht, um eine Verklebung bzw. Verunreinigung der Schraubengeometrie durch Füllungsmaterial zu vermeiden. Anschließend folgte der adhäsive Verschluss durch eine Kompositfüllung (Estelite Universal Flow, Tokuyama Dental Corp.).
Daraufhin erfolgte ein erneuter Intra­oralscan der aktuellen Mundsituation ­(Medit i700). Auf Basis dieser Datensätze wurde für den Patienten ein individueller Sportmundschutz gefertigt (Dreve Mouthgard), um zukünftig sowohl die eigenen natürlichen Zähne als auch die Implantatkrone vor weiteren möglichen Sportunfällen bestmöglich zu schützen.

Schlussfolgerung
Die Basis zur Herstellung einer ästhetisch anspruchsvollen Implantatkrone war der Erhalt der Hart- und Weichgewebe und die gute Positionierung des Implantates. Durch den intraoperativ eingesetzten, individuellen PEEK-Gingivaformer sowie den entsprechend individuellen Abformpfosten war eine exakte Übertragung der Weichgewebesituation möglich, die somit – analog und digital kombiniert – auf die definitive Restauration übertragen werden konnte. Durch das Internal Staining in Kombination mit dem Mikro-Layering gelang es mit nur wenigen Keramikbränden, die Krone zu verblenden und zu finalisieren. Dies bietet für den Laboralltag einen sehr großen Vorteil, da es ein effektives und effizientes Arbeiten bei hoher Qualität ermöglicht.
Für die Rekonstruktion der weißen Ästhetik spielt die Verwendung eines geeigneten Zirkonoxid-Materials eine entscheidende Rolle. Das in dieser Arbeit verwendete Zirkonoxid verfügt über ideale Farb­eigenschaften und Transluzenz ohne Einbußen der Stabilität.

Kritische Betrachtung
Aus zahntechnischer Sicht lässt sich festhalten, dass zur vorhersagbaren Rekonstruktion einer anspruchsvollen, hochästhetischen Frontzahnversorgung die interaktive Zusammenarbeit zwischen Chirurg, Prothetiker und Zahntechniker unabdinglich ist und nur so zu einem idealen Ergebnis führt.

Kontakt
Ztm. Constanze Reil 
Zahntechnik Reil GmbH
Oberviechtacher Str. 13
92507 Nabburg
Absolvierte von 2017–2019 die Ausbildung zur Zahntechnikerin bei Zahntechnik Reil GmbH und schloss diese mit der Gesellenprüfung der HWK Regensburg mit „sehr gut“ im praktischen Teil ab. 2020 mehrwöchiger Aufenthalt am „Osaka Ceramic Training Center“ in Japan. 2021 erlangte sie den Meistertitel an der Meisterschule München. 2020 war sie Siegerin des Regensburger Förderpreises des Fördervereins Zahntechnik e. V. und absolvierte ein Curriculum für Sportzahnmedizin. 2021 folgte das Curriculum Implantatprothetik und 2022 das Master Curriculum Faszination Vollkeramik bei Ztm. Oliver Brix.

Dr. Andreas Habash
Zahnarztpraxis im Brunnenhof
Bürgermeister-Zimmermann-Str. 1
93413 Cham
Nach seinem Studium der Zahnheilkunde mit Staatsexamen an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen von 1986–1992 arbeitete Dr. Habash als Assistent und war ab 1994 in einer Praxisgemeinschaft/Gemeinschaftspraxis in Nürnberg tätig, 2008–2009 in Praxen mit Schwerpunkt Endodontie. 2009 gründete er eine Zahnarztpraxis in Cham, ab 2010 Gemeinschaftspraxis in Cham mit Dr. Andrea Jung (Fachzahnärztin für Oralchirurgie). 2016 Umzug in neue Praxisräume mit Fortbildungszentrum. Von 2015–2023 war er Leiter der Studiengruppe der DGET München. Dr. Habash ist Mitglied mehrerer Fachgesellschaften wie DGmikro, DGZ und DGZMK.

Prof. Dr. Michael Stimmelmayr
Praxis für Oralchirurgie
Josef-Heilingbrunner-Str. 2
93413 Cham
und
Poliklinik für zahnärztliche Prothetik der LMU München
Goethestr. 70
80336 München
promovierte 1992 und wurde 1997 zum Facharzt für Oralchirurgie benannt. Von 1997–1998 war er Oberarzt für zahnärztliche Prothetik der Ludwig-Maximilians Universität (LMU) München. 2000 gründete er eine Praxis in Cham, ab 2001 mit dem Schwerpunkt Implantologie BDIZ/DGI. Seit 2002 ist er Spezialist für Parodontologie EDA, seit 2004 Dozent der APW/DGI im Curriculum Implantologie und seit 2010 Gastzahnarzt für zahnärztliche Prothetik der LMU. Seit 2011 führt er eine Gemeinschaftspraxis mit Dr. Stangl in Cham. 2013 erfolgte die Habilitation und der Erhalt der Venia legendi an der LMU. Seit 2016 ist er externer Funktionsoberarzt für zahnärztliche Prothetik an der LMU und seit 2017 hält er eine außerplanmäßige Professur an der LMU.

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25 - ​​Frontale und laterale Nahaufnahmen der eingegliederten Krone Regio 21, Komposit-Rekonstruktion 22

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