Fachbeitrag

Implantatprothetik

02.06.23

Das Personalized Tissue Support Concept

Erfolgsfaktor einer Implantatversorgung

Ztm. Otto Prandtner & Dr. Michael C. Berthold, M.Sc.

Aus Sicht der Patienten wird der Erfolg einer Implantatversorgung vom Aussehen der Zahnkrone und vor allen Dingen von einem harmonischen Verlauf der periimplantären Weichgewebe sowie dem natürlichen Farbübergang der weißen in die rote Zone bewertet[1]. Ein natürliches klinisches Aussehen einer Implantatversorgung im Frontzahnbereich kann mittels digitaler Vorplanung während des Eingriffs durch das Personalized Tissue Support Concept vorhersagbar realisiert werden.

Die Verwendung einer sofortigen temporären prothetischen Versorgung, die die submukösen Konturen des extrahierten Zahns zum Zeitpunkt der Implantatinsertion widerspiegelt, ist die Basis zur Förderung der periimplantären Weichgewebeheilung. Ein anatomisch ausgeformter ­individueller Gingivaformer oder die ­temporäre Implantatkrone übernehmen die Funktion des Wundverschlusses der Weichgewebe bei einer Sofortimplantation. Beide Formen stabilisieren das Blutkoagulum und tragen somit zum Gewebeerhalt bei der Sofortimplantation bei. Der Fokus beim Personalized Tissue Support Concept liegt auf der „Transition Zone„ – dem Übergangsbereich von der zirkulären Implantatschulter bis zum Austrittsprofil der Restauration aus dem Zahnfleisch. Für das Design des individuellen Gingivaformers sind die Informationen der Zahnwurzel und des Gingivaverlaufs, die aus dem DVT in einen STL-Datensatz ­überführt werden können, essenziell.
Auf Basis der 3D-Röntgendiagnostik und dem digitalen Erfassen der klinischen Mundsituation erfolgt die virtuelle Implantatpositionierung sowie die Beauftragung einer Bohrschablone für die geführte Implantatchirurgie. Unter Berücksichtigung biologischer Kriterien werden auf dieser Basis die individuellen PEEK-Gingivaformer designt und von Dedicam gefertigt. Aus demselben Datensatz werden Abformpfosten für die offene oder geschlossene Abformung gefertigt, um das anatomisch ausgeformte Weichgewebe exakt auf das Meistermodell übertragen zu können. Dass der Abformpfosten aus demselben Datensatz gefertigt wird, ist für den kontrollierten Erhalt der Gingivageometrie ausschlaggebend. Die Gingivageometrie sowie der wellenförmige Verlauf der ausgeheilten Gingiva werden somit bestmöglich zwischen Zahnarzt und Zahntechniker kommuniziert.


Essenzieller Bestandteil des Konzeptes ist, dass das Implantat-Abutment mit derselben submukösen Kontur gefertigt wird, um unkontrollierte Gingivaveränderung durch Über- oder Unterkonturierung zu vermeiden. Eine Überkonturierung der „Transition Zone“ führt im Allgemeinen zu einer unkontrollierten apikalen Positionierung des Gingivarands und somit zu einer optisch verlängerten Krone. Bei der Unterkonturierung entsteht ein Spalt, in den die Gingiva kollabiert, was ebenfalls in einer apikalen Positionierung des Gingivarands mündet. Bei der Gestaltung nach biologischen Kriterien wird eine Zone kreiert, in der sich das Bindgewebe an die Suprastruktur anlagern kann – die „Connected Tissue Zone“. Ausschlaggebend ist hierfür die konkave Form der Suprakonstruktion von der Implantatschulter in Richtung des Epithelattachements, die ausreichend Raum für die Ausbildung einer stabilen Mukosamanschette schafft. Im Bereich des epithelialen Attachments (circa 1 mm) der sogenannten „Critical Contour“[2] ist die exakte Kopie der Wurzelgeometrie wesentlich. Sie fördert den primären Wundverschluss sowie die Stabilisierung des Blutkoagels. Der Sulkus beeinflusst das Niveau des Gingivarands, der Gingivafarbe und -architektur des fazialen Emergenzprofils sowie der Papillenhöhe und wird durch die prothetische Struktur gesteuert. Während der Heilungsphase könnten Manipulationen im Bereich des Sulkus den wellenförmigen Gingivaverlauf negativ verändern. In der Natur kommt das Zahnfleisch an der Schmelzzementgrenze zu liegen. Die Gestaltung dieser Grenzzone sollte erst bei der finalen Restauration erfolgen, um die Sulkusform zu definieren. Hochästhetische Implantatlösungen werden schon seit Jahren mit laborseitig erstellten individuellen Gingivaformern gefertigt. Die ausgeformten Profile werden dann auf Abformpfosten übertragen, die wiederum für die exakte Übertragung auf das Meistermodell dienen. Mit dem Ziel, chirurgische Abläufe sowie vorhersagbare ästhetische und funktionale Implantatversorgungen zu optimieren, können heute aus der digitalen Planung heraus auf Basis des Backward-Plannings und unter Berücksichtigung der biologischen Kriterien des Weichgewebesupports patientenindividuelle Gingivaformer und Abformpfosten sowie temporäre Versorgungen mit demselben Emergenzprofil in Zusammenarbeit mit Dedicam gefertigt werden. Der folgende Patientenfall beschreibt eine Sofortimplantation mit volldigitalem Lösungsansatz von der fully-guided Implantation, dem Einsatz des individuellen Dedicam PEEK-Gingivaformers zur Erhaltung der Weichgewebekontur bis zur endgültigen Versorgung.

Diskussion
Sofortversorgungskonzepte werden immer populärer und lassen sich unter Berücksichtigung bestimmter Kriterien erfolgreich realisieren. Sie sind ein minimalinvasiver Ansatz und werden von Patienten aufgrund weniger Behandlungssitzungen sowie reduzierter chirurgischer Eingriffe geschätzt. Digitale Technologien verbessern die Diagnostik, Analyse und Planung und sorgen für eine klare Kommunikation in einer zeitlich engen Zusammenarbeit zwischen Chirurgen und Zahntechniker. Ein weiterer Vorteil der Sofortversorgungskonzepte ist der Erhalt der periimplantären Hart- und Weichgewebekonturen auch mittels prächirurgisch hergestellter individueller, temporärer Komponenten mit kontrollierter Heilung. Die individuellen PEEK-Gingivaformer können mit der Gestaltung nach biologischen Kriterien einen neuen innovativen Ansatz bieten, der eine Wiedereröffnungsoperation und aufwendige Konditionierung der Schleimhautkontur überflüssig werden lässt[7]. Unabdingbar ist die konkave submuköse Gestaltung der Abutments, die dem Gewebe genügend Platz bieten, um eine neue biologische Breite auszuformen. Sofortversorgungskonzepte bedürfen einer vorausschauenden Planung. Das chirurgische Prozedere sollte den Rahmen für eine natürliche Rot-Weiß-Ästhetik schaffen. Dies bedeutet, Papillen zu erhalten und den benötigten Weichgewebesupport zu bieten. Das verwendete Implantatsystem sollte durch sein Macrodesign eine vorhersagbare Primärstabilität erzielen. Vor allem, wenn das Implantat nur durch das untere Drittel im residualen Knochen greift und lediglich ein palatinaler Knochenkontakt besteht.

Fazit
Wir definieren das Behandlungsziel bereits in der Planung und haben im Team strukturierte Abläufe entwickelt. Durch die klar definierten Abläufe, bei jedem Behandlungsschritt die gleiche Geometrie zu verwenden, lernt man, interdisziplinär zu arbeiten und Fehler zu vermeiden. Die digitalen Hilfsmittel fördern eine minimalinvasive, biologische und funktionelle Implantologie, sind effizient und wirtschaftlich und werden daher von uns als essenzielle Grundlage gesehen.
In der Implantologie ist diese strukturierte detaillierte Vorausplanung immer unschlagbar im Vergleich zu spontanen kreativen Handlungen am Patienten.Um ein langzeitstabiles ästhetisches Ergebnis zu erzielen, liegt der Fokus auf dem Weichgewebemanagement während der chirurgischen Phase und auf der Gestaltung der Prothetik im submukösen kritischen Bereich.

Ztm. Otto Prandtner

  • 1999–2008 Wanderjahre von Salzburg nach Stuttgart, Kalifornien und München
  • 2014 Gründung „Plattform für feinste Dentaltechnologie„ mit Hubert Schenk und Stefan Frei
  • 2017–2018 Teil einer wissenschaftlichen Gruppe, 12 im Peer-Review-Verfahren pubmed gelistete Artikel
  • Schwerpunkt: www.dentale-persönlichkeiten.de

Dr. Michael C. Berthold, M.Sc.

  • Zahnarzt und Fachzahnarzt für Oralchirurgie; Studium der Zahnmedizin, Johannes-Gutenberg-Universität Mainz
  • Fachzahnarztweiterbildung sowie Oberarzt an der Privatzahnklinik Schloss Schellenstein (Prof.Dr.F. Khoury)
  • Seit 2015 wissenschaftlicher Mitarbeiter, Poliklinik für zahnärztliche Prothetik, LMU München (Prof.Dr. D. Edelhoff)
  • Tätigkeit und Aufnahme in die Spezialistenliste in England, Luxemburg sowie in Deutschland
  • 2021–2022 Masterstudiengang Soft tissue management around teeth and implants, Università di Bologna (Prof. Giovanni Zucchelli), Italien
  • Seit 2022 Niederlassung in eigener Praxis am Promenadeplatz

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02.06.23

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Ztm. Otto Prandtner & Dr. Michael C. Berthold, M.Sc.

Vier Monate nach dem chirurgischen Eingriff wurde die definitive Hybridkrone eingesetzt. Das Kronendesign erfüllte alle ästhetischen Kriterien, wie Form, Farbe, Lichtleitlinien und gingivale Adaption. Das gewählte Vorgehen trug zu einem maximalen Strukturerhalt ohne jegliche Narbenbildung und einem ästhetisch sehr guten Ergebnis bei.

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