Fachbeitrag

Technik

29.05.24

Distal anguliert statt augmentiert

Comfour im zahnlosen Kiefer – patientenorientierte Lösung (nicht nur) bei Zahnbehandlungsangst

Maximilian Wienke, Sandra Kirchmaier

Im Fokus einer Implantattherapie im zahnlosen Kiefer steht in erster Linie die Zufriedenheit des Patienten mit dem Therapieverlauf. Behandlungskonzepte mit umfangreichen augmentativen Maßnahmen hingegen bergen ob ihres klinischen und zeitlichen Aufwands sowie der Kostenbelastung das Risiko, dass der Patient auf alternative Versorgungen ausweicht, die aber unter längerfristigen Gesichtspunkten Risiken bergen können. So kann der Prothesendruck Fehlbelastungen des Kieferknochens auslösen und im weiteren Verlauf zu Knochenschwund führen. Bei implantatgestützten Versorgungen hingegen bleibt der Knochenrückgang aus. Hier bietet das Comfour Konzept mit distal anguliert eingebrachten Implantaten eine überzeugende und auch unter Kostenaspekten patientenorientierte Lösung. Es generiert ein ästhetisches und langzeitstabiles Ergebnis bei reduzierter Invasivität, geringerem chirurgischen Aufwand und kürzeren Behandlungszeiten.

Die Ätiologie von Zahnarztangst, -furcht oder -phobie ist komplex und multifaktoriell [2]. In der aktuellen S3-Leitlinie [3] wird Zahnbehandlungsangst verstanden „als intensive Gefühlsreaktion auf Elemente der zahnärztlichen Behandlungssituation, die für den Betroffenen Leiden verursacht und die angesichts der tatsächlichen Gefahren in der Situation übertrieben erscheint.“ Dennoch werden von solchen Patienten anstatt einer notwendigen Behandlung eher intraorale Defekte und Risiken organischer Folgeerkrankungen in Kauf genommen. Damit einher geht ein sozialer Rückzug, da man sich seiner vermeintlich schlechten Zahnhartsubstanz schämt. Erst wenn die Schmerzen unerträglich geworden sind, wird ein Zahnarzt konsultiert. Verschiedene Studien legen nahe, mit solchen Patienten ihre offensichtlichen Ängste noch vor Behandlungsbeginn offen anzusprechen, sie partizipativ in die Therapiefindung einzubeziehen und ihnen die Möglichkeit zu geben, die Behandlung zu beeinflussen. Dabei spielt eine vorurteils- und vorwurfsfreie Empathie des gesamten Behandlerteams eine entscheidende Rolle für einen anhaltenden Therapieerfolg mit dauerhaft engagierter Compliance des Patienten sowie für eine langfristige Patientenbindung. Sogar Patienten mit einer „Zahnbehandlungsangst mit Krankheitswert“ ­zeigen nach erfolgreicher Therapie in der Regel ein gutes Nachsorgeverhalten, welches mit dem nicht Erkrankter vergleichbar ist. Diese positive Entwicklung kann bestärkt werden durch gute Kommunikationskompetenz und einem im Umgang mit ängstlichen Patienten geschulten ­Behandlungsteam. Im vorliegenden Fall hatte die 50-jährige Patientin aufgrund ihrer „panischen Angst vor dem Zahnarzt“ über Jahre hinweg jeglichen Zahnarztbesuch vermieden. Mittlerweile hatte sich aber ihr physischer und psychischer Leidensdruck so gesteigert, dass eine Therapie unumgänglich wurde. Einerseits war es ihr innigster Wunsch, möglichst rasch wieder „unbeschwert lachen und schmerzfrei kauen“ zu können. Andererseits bestanden starke Vorbehalte gegenüber augmentativen Eingriffen und eine Limitierung seitens der Kosten. Beide Aspekte zu vereinen gelingt mit dem ­Comfour Verfahren.

Workflow
Im Vorgespräch wurden mit der Patientin die verschiedenen Therapieoptionen, die sich nach der notwendigen Extraktion aller Restzähne anboten, ausführlich und unter Berücksichtigung möglicher Konsequenzen durchgesprochen und ihr der jeweils voraussichtliche Behandlungsverlauf detailliert geschildert.
Hierbei kristallisierte sich der Wunsch der Patientin nach festsitzendem Zahnersatz aufgrund ihrer schmerzhaften Erfahrungen mit ihrem massiv funktionsgestörten Gebiss heraus. Nach Abwägung der verschiedenen Aspekte entschied sich die Patientin für eine Versorgung in Ober- und Unterkiefer auf je vier Implantaten nach dem Comfour Verfahren. Hierbei werden die distalen Implantate anguliert eingebracht, um auch in einem vertikal reduzierten Kieferkamm ohne Augmentationen ausreichend Stabilität zu erzielen. Für die Patientin hatte dieses Verfahren den Vorteil, dass innerhalb eines Tages Extraktion, Implantation und Interimsversorgung unter Intuba­tionsnarkose schmerzfrei erfolgen konnten.

Diskussion und ­Zusammenfassung
CAD/CAM-gefertigte, verschraubte Brückenkonstruktionen nach dem Comfour Verfahren können mittlerweile als klinisch evaluierte, evidenzbasierte implantatprothetische Versorgung im zahnlosen Kiefer gelten [1,4,5,6]. Die CAD/CAM-Fertigung garantiert dabei eine hohe Passgenauigkeit, insbesondere im Bereich der abgewinkelten Schraubkanäle. Das wiederum erweitert die Indikationsbandbreite für implantatgestützte Rehabilitationen auch in den Fällen erheblich, wo augmentative Eingriffe nicht indiziert sind oder seitens des Patienten abgelehnt werden. Auch eventuell notwendige Reparaturen sowie Hygienemaßnahmen wie eine PZR lassen sich bei bedingt abnehmbaren Suprakonstruktionen einfacher und gründlicher durchführen, womit wiederum das Risiko einer Periimplantitis gesenkt wird. Der Erfolg einer zirkulären implantatprothetischen Sofortversorgung bei Patienten, die infolge ausgeprägter Zahnarztangst einen desolaten Zahnstatus im Ober- und Unterkiefer aufweisen, wird jedoch von weiteren Faktoren stark beeinflusst, wie einer nachhaltig anhaltenden und engagierten Compliance sowie einem regelmäßigen Recall zur Unterstützung einer anhaltenden Mundgesundheit. Das bedingt bereits im Vorfeld eine partizipative Therapieentscheidung, basierend auf der fachlichen wie kommunikativen Kompetenz des gesamten Behandlerteams. Bei geeigneter Knochenstruktur kann dann eine Comfour Versorgung auch mit nur vier Implantaten je Kiefer einem so motivierten Patienten ein positives Selbstwertgefühl zurückgeben: mit Zähnen, die zu seiner Persönlichkeit passen und mit denen er „einfach wieder normal leben“ kann.

Kontakt

Sandra Kirchmaier ist seit 2016 als Zahntechnikerin in der Gemeinschaftspraxis Dr. Bayer & Kollegen in Landsberg am Lech tätig und hat sich auf das Gebiet CAD/CAM, Keramik und Implantatversorgungen spezialisiert. Sie besucht regelmäßig Weiterbildungen und Fachvorträge zu zahntechnischen Themen und Dentalfotografie.

Sandra Kirchmaier
Praxis Dr. Bayer & Kollegen
Von-Kühlmann-Str. 1
86899 Landsberg am Lech
info@implantate-landsberg.de
www.implantate-landsberg.de

Maximilian Wienke 
studierte von 2012 bis 2018 Zahnheilkunde an der LMU München. Seine Assistenzzeit absolvierte er in der Praxis Dr. Bayer und Kollegen in Landsberg und arbeitete anschließend bis 2023 in der Praxis als angestellter Zahnarzt. Im Januar 2024 übernahm er die Zahnarztpraxis von Dr. Nussbaumer in Kempten/Allgäu. Er bildete sich insbesondere in der Implantologie, der Endodontie (Tätigkeitsschwerpunktprüfung 2020), Komplettrehabilitation der Kiefer und Aligner-Therapie fort. Sein Fokus liegt auf der digitalen Zahnmedizin und der minimalinvasiven Implantologie sowie der mikroskopischen Endodontie und vollkeramischem Zahnersatz.

Maximilian Wienke

Lenzfriederstr. 57

87437 Kempten

mail@zahnarzt-wienke.de

www.zahnarzt-wienke.de

Literaturhinweise
www.teamwork-media.de/literatur

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