Fachbeitrag

Implantatprothetik

23.09.22

Keramikpasten für Zirkonoxid (Y-TZP): one block Technik, Teil 2

Biomechanik und technische Entwicklung implantatgetragener Vollkeramikprothesen auf Cr-Co-Stegen

All-on-four, ceraMotion One Touch Pasten, Cr-Co-Steg, Implantatversorgung, Lithiumdisilikat, Multilayer, Only One Block, Zirkonoxid

Alessandro Bianchi, Dr. Francois Lelievre, Germano Rossi, Manuel Nanni, Sergio Bortolini, Valeria Cannillo

In Teil 1 (zum Artikel) dieser zweiteiligen Serie beschäftigten sich die Autoren mit der Herstellung von 2-D- und 3-D-Pastenkeramiken und deren Vorzügen aus werkstoffkundlicher Sicht. Im zweiten Teil werden deren praktische Anwendungsmöglichkeiten anhand zweier klinischer Fälle Schritt für Schritt erläutert. In beiden Fällen werden implantatgetragene Vollkeramikprothesen auf Cr-Co-Stegen ohne Stützgerüst hergestellt.

Abrasion, Löslichkeit in Mundflüssigkeit

Einer der wichtigsten klinischen Aspekte bezieht sich auf die Fähigkeit eines künstlichen Zahns, zusätzlich zu den subjektiven Gewohnheiten des Patienten das Vertikalmaß der Okklusion in Bezug auf die Art des Antagonisten aufrechtzuerhalten: die Messung der Oberflächenhärte, Rauheit und chemischen Löslichkeit. Vergleicht man die Härte der Keramikpaste, die auf eine monolithische Zirkonoxidkrone aufgetragen wird, mit der eines unbeschichteten Zirkonoxids, zeigt sich ein deutlicher Vorteil des Verblendmaterials, das eine Vickers-Härte von 530 HV bei 1200 MPa gegenüber dem unbeschichteten Zirkonoxid aufweist (Abb. 30). Das Polieren von Zirkonoxid auf konvexen Flächen, wie zum Beispiel auf Stampfhöckern, ist technisch schwierig und führt in der Praxis häufig zu rauen Oberflächen, die bei okklusal aktiven Patienten mit Parafunktion traumatisch sein können. Die ersten Ergebnisse der derzeit laufenden Studien (Abb. 31 und 32) scheinen während der Abrasionsmessung mit einem Vertikalsimulator auf eine geringere Abnutzung des Antagonisten hinzuweisen (Abb. 33 bis 37), wenn Zirkonoxid mit einer Keramikschicht verbunden ist (Abb. 38 und 39). 2-D- oder 3-D-Keramikpasten können dieses Phänomen aufgrund der glatten Oberfläche, die nach dem Brennen entsteht, ebenfalls deutlich verringern. Die Messung der Beständigkeit gegen chemische Auflösung von 2-D- und 3-D-Pasten zeigt eine hohe Stabilität mit einem Verlust an Mikrogramm pro cm2, der weniger als ein Drittel der nach der Norm ISO 6872 zulässigen Grenze beträgt (Abb. 40).

Zirkonoxid 6 und 5Y haben theoretisch unterschiedliche mechanische Festigkeiten und ihre mechanischen Eigenschaften können aufgrund der Alterung stark abnehmen [10, 11]. Dieses Phänomen tritt auf, wenn ein hoher Yttrium-Anteil mit einer feuchten Umgebung, wie zum Beispiel der Mundumgebung, in Kontakt kommt. Im Laufe der Zeit kommt es zu einem Abbau der Zirkonoxid-Fläche mit Abtrag der Körnung (Abb. 41). Eine Reihe von Studien belegt das Interesse daran, die Oberfläche von monolithischen Zirkonoxid-Strukturen physikalisch zu schützen und diesen starken Abbau zu vermeiden. Diese „Schutzbarriere“ (Abb. 42) aus der 2-D- und 3-D-Keramikpastenschicht liegt über der monolithischen Oberfläche aus Zirkonoxid.


Zwei Keramikpasten für viele Anwendungen

Das ceraMotion One Touch Sortiment an gebrauchsfertigen 2-D- und 3-D-Inzisal-, -Dentin- und -Gingiva-Keramikpasten ist nicht zu verwechseln mit Malfarben in Pastenform. Die 2-D-Pasten werden in dünnen Schichten aufgetragen. Die 3-D-Paste kann verwendet werden, um einen Kontaktpunkt anzupassen, eine Kante zu verlängern oder die Morphologie des Zahnkörpers zu verändern. Auf der Grundlage des Konzepts „gemäß dem, was man sieht“ (schließt das ein, was man sieht) ist das erzielte Ergebnis nach mehrmaligem Brennen identisch mit dem der ersten Brennvorgänge. Die anfänglich mit Keramikpasten geschaffenen Formen bleiben stabil (Abb. 43).


Fallbericht 1

„All-on-Four“-Unterkiefersteg­versorgung mittels „Only One Block Zr“-Technik
In diesem Fall geht es um die Versorgung eines ganzen Kiefers. Die Restauration besteht aus einem voreingefärbten Zirkonoxid. Statt mit konventionellen Keramiken auf vestibulärem Cutback zu schichten, wurden Minischichten aus gebrauchsfertigen Keramikpasten, genauer Schneide- und Gingivamassen, appliziert. Bei der Herstellung der Restauration wurden zunächst die Stege designt und mithilfe der Laserschmelztechnologie realisiert. Die Verankerung der Stege auf vier Implantaten mit Multi Unit Abutments erfolgte mechanisch und mit Klemmwirkung (Abb. 44 und 46), die gleiche Verankerungsvorrichtung wurde bei der Stegversorgung, die in Teil 1 vorgestellt wurde, verwendet. Auf diese Weise kann ein Gerüst auf dem Steg mit doppelter Stabilität realisiert werden. In Teil 1 der Dokumentation wurde das Gerüst zementiert und im hier dargestellten Fall das Gerüst mittels Verankerung und Stellschraube (Abb. 47 bis 50) fixiert. Das Gerüst kann mit ein wenig Infiltrationsfarbe angepasst werden (Abb. 51 und 52), wodurch sich nach dem Sintern ein ästhetisches Ergebnis zeigt (Abb. 53 bis 55). Die Technik des Auftragens gebrauchsfertiger Keramikpasten ist ziemlich einfach. Das Schema zum Applizieren der Pasten entspricht der Methode beim Schichten mit konventioneller Keramik (Abb. 56 bis 59). Das aufgebrachte Material ist nach dem ersten Brennen sehr kompakt und weist einen guten Helligkeitsgrad auf. Die thermische Stabilität der Keramikpaste ist so beschaffen, dass mehrere Aufträge mit entsprechenden Brennzyklen ohne Zerfall oder Oxidation der ersten Schicht möglich sind (Abb. 60 und 61). Das Endergebnis ist eine vollständige Glasur und damit ein Schutz der Restauration aus Zirkonoxid. Darüber hinaus können mit 3-D-Keramikpasten viele Aspekte der Modellierung in der Endphase verbessert werden (Abb. 62 bis 64), dabei ist es möglich, sowohl in technischer (Abb. 65 und 66) als auch in klinischer Hinsicht (Abb. 67) ein akzeptables ästhetisches Ergebnis zu erzielen.


Fallbericht 2

„All-on-Four“-Unter- und Oberkiefer­stegversorgung mittels „Only One Block Zr“-Technik
Der klinische Fall (Abb. 68 und 69) umfasst je eine All-On-Four-Oberkiefer- und Unterkieferversorgung (Abb. 70 und 71) mit mittels Laserschmelztechnologie hergestellten Stegen und zwei Only One Block-Zirkonoxidrestaurationen. Die Kieferrelationsbestimmung beginnt mit der Konstruktion von Harzbasen, die die Funktion von Wachswällen erfüllen, aber vollständig aus Harz bestehen (Abb. 72 bis 74). Nach mehreren klinischen Eingriffen am Patienten ermöglicht die Verwendung von Basen dieses Typs die Erfassung aller funktionellen Informationen. Das Labor profitiert davon, dass die Basen besser erhalten bleiben, auch nachdem sie in mehreren Phasen verwendet wurden, insbesondere durch die Möglichkeit eines Abgleichs der gesammelten Daten mit dem Wax-up (Abb. 75 bis 79).

Herstellung von Cr-Co-Stegen mittels Laserschmelz­technologie
Ein erster technischer Vorteil der additiven Technik besteht in der Möglichkeit, ohne durch Implantatachsen bedingte Einschränkungen wie in der Frästechnik, eine verschraubte Struktur auf mehreren Implantaten zu realisieren (Abb. 80 bis 85). Der zweite Vorteil besteht in der hervorragenden Steifigkeit und Ermüdungsbeständigkeit. Um in dieser Hinsicht ähnliche Ergebnisse wie mit Cr-Co zu erzielen, würde man bei der Verwendung eines anderen Metalls ein größeres Volumen zur Herstellung des Stegs benötigen. Dies ist bei Cr-Co-Legierungen dank des höheren Elastizitätsmoduls nicht erforderlich (Abb. 86 bis 89).

„Only One Block Zr“: Sinterprozess ohne Stützgerüst
Der CAD-Prozess, der vollständig digital oder die Integration eines analogen Teils beinhalten kann, gehört in einem Labor heutzutage dazu, wie dieser Fallbericht zeigt (Abb. 90 und 91). In der Designphase können wir ein vollanatomisches Zirkonoxid-Gerüst auf dem Steg erstellen, ohne Cutback für das Schichten mit konventioneller Keramik. Das Fräsen eines solchen Restauration erfordert hinsichtlich des Designs die Einstellung bestimmter Parameter und Frässtrategien. Das Design ermöglicht ein Volumen-Masse-Verhältnis von etwa 50 Prozent, was auf die vollständige und kontinuierliche Aushöhlung des auf dem Steg aufgesetzten Zirkonoxidgegenstücks zurückzuführen ist. Durch die Verwendung einer Zirkonoxidronde, die mit einer I.F.P.-Kontrolle (Instant Fit Process), einem individuellen Fertigungsverfahren und Vorsintern der Ronde, hergestellt wurde, wird die Volumenschrumpfung mit präzisen Werten bis auf vier Dezimalstellen festgelegt. Schwankungen innerhalb der Fertigung einer Charge werden so verhindert, was zu größerer Zuverlässigkeit und Stabilität bei Prozessen mit ausgeklügeltem Design und Volumen-zu-Masse-Verhältnis und einem Design ohne Stützgerüst führt. Das hat den Vorteil, dass zwei komplette Ober- und Unterkieferrestaurationen in einer Ronde umgesetzt werden können (Abb. 92 und 93). Nach dem maschinellen Fräsvorgang erhalten die Gerüste eine manuelle Nachbearbeitung, um diese entsprechend des vollanatomischen Modellierkonzepts zu optimieren und anzupassen. Durch die Verwendung eines Multilayer-Zirkonoxids mit Farbton A light in Kombination mit einer geringen Farbinfiltration vor dem Sintern (Abb. 94 bis 97) wird die Kon­trolle der Farbentwicklung erleichtert. Der Sinterprozess ohne Stützgerüst (Abb. 98 bis 104) entspricht einem Sinterprozess mit Stützgerüst.

„Only One Block Zr“ und Keramikpasten

Die Hauptanforderung an „Den­tin-Schmelz-Gingiva-Keramikpasten“ (Abb. 105 und 106) ist die einfache Anwendung, insbesondere eine Codierung des Opa­zi­täts­grades, die darin besteht, dass gebrauchsfertiges „Dentin“ zur Verfügung steht. Dieses Konzept ist auch in der klassischen Schicht­ke­ramik zu finden. Die Homo­ge­nisierung der Temperatur der 2-D- und 3-D-Massen erlaubt die vollständige Vermischung (Abb. 107 bis 109). Die Glasübergangstemperatur (TG) von 40° C führt bei Zirkonoxid-Restaurationen zu einer hervorragenden Materialverschmelzung und zu einer hohen Beständigkeit gegen ein Ablösen von der Oberfläche. Aufgrund der unterschiedlichen Opazitäts- und Dichtegrade (2-D und 3-D) können zwischen den Keramikpasten kleine Mengen Verblendmaterial aufgetragen (Abb. 110) und gleichzeitig die monolithische Zirkonoxidfläche vollständig abgedeckt werden (Abb. 111 bis 119). Aufgrund der thermischen Stabilität der Keramik­pasten kann der Zahntechniker die Revision der ersten Phase der in Zirkonoxid erstellten Zahnform nach dem Sinterprozess durch Zugabe kleiner Mengen Pastenmaterials optimal abstimmen. Da es sich nicht um Paste-Stain-Malfarben handelt, wird keine hohe Brenntemperatur benötigt und die Farbe der 2-D- und 3-D-Massen verändert sich beim Brennzyklus nicht, sondern bleibt erhalten (Abb. 120 und 121). Alle Massen außer den Zahnfleischmassen sind stark fluoreszierend. Das ist ein wichtiger Faktor, da Zirkonoxid diese Eigenschaft nicht aufweist. Bei unbeschichtetem Zirkonoxid kann es in einer feuchten Umgebung wie der Mundhöhle im Laufe der Zeit zu einem Alterungsprozess kommen, vor allem zu einem Abtrag der Körnung. Durch das Aufbringen von 2-D- und 3-D-Massen entsteht eine Art „Schutzbarriere“ auf der monolithischen Oberfläche. Gleichzeitig wird eine hochgradig verglaste Oberfläche verliehen, die sehr glatt ist und keine Oberflächenrauigkeit aufweist (Abb. 122 bis 124). Der veröffentlichte Fallbericht hat die Vereinfachung eines Konstruktionsverfahrens im Dentallabor, die Sequenzierung all jener Fortschritte, die von der Materialwissenschaft mit Hilfe der gegenwärtigen Technologien erreicht wurden, die Schaffung einer tiefgreifenden Veränderung in der Herangehensweise und den Abläufen des Labors, die der Vereinfachung eines Arbeitsprozesses dienen, der vom Hersteller als „Mensch“ teilweise immer stark beeinflusst wird, zum Ziel.


Danksagungen

Die Autoren danken den folgenden Personen für ihren Beitrag: odt. Simone di Paolo (Ortschaft Alba Adriatica, Prov. Teramo, Italien), Dr. Luca Di Alberti (Ortschaft Atessa, Prov. Chieti, Italien), Dr. Carmine Rapani und Dr. Manuela Rapani (Chieti, Italien), dem Techniker C. Quemard (Angers, Frankreich) und dem Techniker JF. Ducel (Angers, Frankreich).

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59 - Auftragen von Dentin-, Gingiva- und Schneide-Keramikpasten

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