Bericht
Grundlagen & Forschung
21.06.23
Langzeitstudie zu zweiteiligen Zirkonoxidimplantaten
Patent: Studienergebnisse können Paradigmenwechsel in der Dentalimplantologie herbeiführen
dd Redaktion
Ein Meilenstein: Die ersten Langzeitdaten zu zweiteiligen Zirkonoxidimplantaten sind endlich verfügbar. Die Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Jürgen Becker, Direktor der Poliklinik für Zahnärztliche Chirurgie an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, untersuchte über einen Zeitraum von 9 Jahren integrierte zweiteilige Patent Implantate (Zircon Medical Management AG; ehemals ZV3 – Zircon Vision GmbH).[1] Die Ergebnisse sind bahnbrechend und schließen eine essenzielle Forschungslücke.
Auszug der Ergebnisse der 9-Jahresstudie:
- Kein Fall von Periimplantitis
- Hohe Überlebensrate der Implantate nach 9 Jahren
- Gesunde Weichgewebe (Bleeding on Probing (BOP): 12,9%)
- Keine Implantatfrakturen
- Stabile PI, PD and BOP bei Kontrollen nach 2 und 9 Jahren
Erste Langzeitstudie eines zweiteiligen Zirkonoxidimplantats: Ziele und Ergebnisse
Angetrieben wurde die Studie von den Fragen nach der klinischen Performance zweiteiliger Zirkonoxidimplantate (im konkreten Fall Patent, ehemals ZV3) über einen Zeitraum von 9 Jahren und den höheren Belastungen im Seitenzahnbereich. Die Implantate wurden zwischen 2011 und 2012 52 Patienten inseriert, bei denen Einzelzahnversorgungen im posterioren Ober- oder Unterkiefer indiziert waren. Das Einsetzen der Implantate folgte in allen Fällen einem einzeitigen Implantationsprotokoll mit transmukosaler Einheilung ohne Provisorium und einem konventionellen Belastungsprotokoll. Für die angesetzte Langzeituntersuchung nach 9 Jahren standen noch 30 Personen der initialen Patientenkohorte zur Verfügung. Die klinischen Parameter jedes Implantats wurden anhand von sechs Aspekten ermittelt, die unter anderem Plaque-Indizes (PI), Taschentiefe (PD), Bleeding on Probing (BOP) und Mukosarezession (MR) umfassten.
Als Erfolgsbewertungskriterium wurden Survival Rates („Überlebensraten“) herangezogen. Zum Zeitpunkt der Abschlussuntersuchung nach mindestens 108 Monaten wurde für die Implantate eine hohe Überlebensrate dokumentiert. Zudem zeigten die untersuchten Implantate sogar klinische Verbesserungen der Weichgewebeverhältnisse.
Die Bedeutung der prospektiven 9-Jahresstudie für den Implantaterfolg
Bisher hat es keinerlei Langzeitbeobachtungen zu zweiteiligen Zirkonoxidimplantaten gegeben. Die derzeit am Markt erhältlichen Implantatsysteme werden im Allgemeinen immer seltener durch Langzeitstudien untersucht. Die vorhandenen Studien beschränken sich dabei oftmals auf Beobachtungszeiträume von maximal fünf Jahren. Einerseits sind die meisten der bereits wissenschaftlich langzeitgetesteten Systeme gar nicht mehr am Markt. Andererseits schreitet die Einführung neuer Produktlinien derart schnell voran, dass eine wissenschaftliche Auswertung über längere Zeiträume nahezu unmöglich ist. [2] Beunruhigend ist dies deshalb, da die Prävalenz biologischer Komplikationen wie Perimukositis und Periimplantitis mit der Zeit zunimmt: Derks und Tomasi berichten von 43 Prozent Perimukositis und 22 Prozent Periimplantitis innerhalb von 8 Jahren nach der Implantation. [3] Eine weitere, 21 bis 26 Jahre umfassende Untersuchung bestätigt den Wert von 22 Prozent Periimplantitis und zeigte sogar eine höhere Prävalenz von Perimukositis von 54,7 Prozent. [4]
Periimplantitis ist eine biologische Spätkomplikation als Folge einer vorausgegangenen Perimukositis, bei der sich die Gewebe um integrierte Zahnimplantate chronisch entzünden, was einen Verlust von Weichgewebe und Knochen bedingt. Eine unkontrollierte Periimplantitis kann zu Infektionen im Mundraum führen, die wiederum das Immunsystem belasten und das Risiko für die Entstehung von anderen Krankheiten erhöhen können. Studien haben gezeigt, dass es möglicherweise eine Verbindung zwischen unbehandelter Periimplantitis und chronischen Erkrankungen wie Diabetes, Autoimmunerkrankungen und Immundefekten wie Morbus Crohn und rheumatischen Erkrankungen gibt. [5–7]
Anders die wegweisenden Ergebnisse der prospektiven 9-Jahresstudie, aus denen sich ableiten lässt, dass sich das Risiko einer Periimplantitis auf der Langzeitachse minimieren, wenn nicht gar vermeiden lässt. Damit liefert die Studie Behandelnden wie Patienten eine entscheidende Erkenntnis: Langfristige Hart- und Weichgewebsgesundheit ist mit dem richtigen Implantatsystem auf vorhersagbare Weise erreichbar.
Literatur
[1] Brunello G, Rauch N, Becker K, Hakimi AR, Schwarz F, Becker J (2022) Two-piece zirconia implants in the posterior mandible and maxilla: A cohort study with a follow-up period of 9 years. Clinical Oral Implants Research; 33 (12): 1233–1244. DOI: 10.1111/clr.14005
[2] Thiem DGE, Stephan D, Kniha K, Kohal RJ, Röhling S, Spies BC, Stimmelmayr M, Grötz KA (2022) German S3 guideline on the use of dental ceramic implants. Int J Implant Dent.;8(1):43. DOI: 10.1186/s40729–022–00445-z
[3] Derks J, Tomasi C (2015) Peri-implant health and disease. A systemic review of current epidemiology. Journal of Clinical Periodontology; 42 (16): 158–171. DOI: 10.1111/jcpe.12334
[4] Renvert S, Lindahl C, Persson GR (2018) Occurrence of cases with peri-implant mucositis or peri-implantitis in a 21–26 years follow-up study. Journal of Clinical Periodontology, 45 (2): 233–240. DOI: 10.1111/jcpe.12822
[5] Naujokat, H (2022) Zahnimplantate bei Diabetes mellitus. S3-Leitlinie (Langfassung), Version 2.0. DGI & DGZMK: Hannover, Düsseldorf. AWMF register: 083–025.
[6] Grötz, KA, Duttenhoefer, F, Füssinger, MA, Boeker, M, Beckmann, Y (2019) Dentale Implantate bei Patienten mit Immundefizienz. S3-Leitlinie (Langversion). DGI & DGZMK: Hannover, Düsseldorf. AWMF register: 083–034.
[7] Jackowski, J (2018) Zur Problematik oraler Implantate bei rheumatischen Erkrankungen. Available unter: https://www.quintessence-publishing.com/deu/en/news/zahnmedizin/implantologie/zur-problematik-oraler-implantate-bei-rheumatischen-erkrankungen
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