Fachbeitrag

Funktion

25.03.22

Wie viel Okklusion braucht die Natur? – Teil 1

1995 vs. 2021 – künstliche Okklusion – immer ein Kompromiss

Artikulatoren, Aufwachskonzepte, Okklusion, Quadranten-Abformung, Rationelles Arbeiten

Arbnor Saraci, Lukas Wichnalek, Norbert Wichnalek

Der in der Zahnmedizin und in der Zahntechnik betriebene Geräte- und Konzept­fetischismus wird allzu oft falsch aufgefasst. Es scheint der Kodex vorzuherrschen: Je komplizierter, umfangreicher und teurer ein Gerät oder aufwendiger eine Arbeitsweise oder ein Konzept ist, desto besser muss das Endergebnis sein. Und dabei ist ein Konzept zunächst nur eine Idee von etwas und davon, wie es sich verhält oder wozu es da sein könnte. Erweitert handelt es sich bei einem Konzept um eine gemeinsame Idee von etwas, eine Vorstellung, die jeder versteht, ohne zunächst einen ganz konkreten Gegenstand oder dessen Umsetzung vor Augen zu haben. Das Autorenteam besteht aus zwei Generationen: Norbert Wichnalek, der den analogen Workflow beschreibt, und Lukas Wichnalek, zusammen mit Arbnor Saraci, die im zweiten Teil des Fachartikels (dd 9/21) den digitalen Workflow vorstellen.

Bei der Herstellung des hier gezeigten Onlays kamen nur einfachste Mittel und Geräte zum Einsatz. Ganz bewusst haben wir auf „Hightech“ verzichtet, denn was letztendlich zählt, das ist nicht der Weg, sondern immer das Endergebnis. Eine okklusale Restauration ist immer ein Kompromiss. Die sogenannte „ideale Okklusion“, wenn es diese überhaupt gibt, kann man zwar anstreben, aber man wird diese nie erreichen. Okklusion ist nichts messbares, Okklusion ist etwas Individuelles. Schon zu Beginn der Artikulationsforschung haben Größen wie Gysi, Thielemann, Hanau, um nur einige zu nennen, erkannt, dass man ein „biomechanisches System“ nicht auf mechanischen, mathematisch genauen Kausimulatoren umsetzen kann. Dr. Carl Hiltebrandt, der Gründer der Vita Zahnfabrik, sagte in den 1930iger Jahren: „die Okklusion kann nicht aus der Betrachtung der Morphologie einzelner Zähne verstanden werden, sondern nur aus dem lebendigen Wirkungsgefüge (Kybernetik) des Gesamtorganismus heraus.“ Man spricht heute immer mehr von ganzheitlicher Medizin, nur die Aufwachskonzepte versteifen sich auf ein kleines Feld. Bei diesem Beitrag handelt es sich nicht um den „Stein der Weisen“, er erfüllt allein den Zweck eines Denkanstoßes und bildet lediglich unsere jahrelangen positiven Erfahrungen ab.


Teil 1 – das goldene (analoge) Zeitalter

Zum Thema Gnathologie und Okklusion kam schon vieles auf den dentalen Markt, seien es Behandlungs- und Aufwachskonzepte oder jede Menge an teuren, komplizierten und mechanischen Gerätschaften: Kausimulatoren, Artikulatoren in den verschiedensten denkbaren Konstruktionen (Abb. 1), Registrierinstrumentarien (Abb. 2) und vieles mehr. Tendenz der damit einhergehenden Komplexität steigend. Alte Konzepte wurden von neuen oder wieder neu entdeckten Konzepten abgelöst oder verworfen. Viele Gerätschaften verstaubten daraufhin in Kellern und wurden von neuen, noch komplizierteren und noch teureren abgelöst. Das war wie ein Rausch, und dass, obwohl beinahe alle Konzepte und Apparaturen auf der Grundlagenforschung basieren, die vor über 100 Jahren begann und von Koryphäen wie Gysi, Hanau, Thielemann, Fritsch, Pfaff, Snow, Gritmann und so weiter vorangetrieben wurden. In dieser Zeit wurde auf die komplexe Biologie des Kauorgans ein reduktionistischer, aus der Empirie heraus entwickelter, mechanistisch-naturwissenschaftlich orientierter Diagnose- und Therapieansatz projiziert [1]. Vor diesem Hintergrund entwickelte sich die Artikulationsforschung, Funktionsanalyse und Gnathologie. Der Begriff Biomechanik wurde schon in der damaligen Zeit verwendet. Bedauerlicherweise ist ein klinischer Erfolg, so bemerkenswert er auch sein mag, kein wissenschaftlicher Beweis für den direkten Zusammenhang von Ursache und Wirkung [2]. Manche Aufwachskonzepte werden immer wieder „neu erfunden“ und mit neuen Terminologien versehen, erweitert, zerlegt und verkompliziert. Auf der Basis einfacher Dinge werden so neue Philosophien aufgebaut, die immer komplizierter und praxisfremder werden.
Es gibt ein breites Angebot an Arbeitskursen, in denen die Teilnehmer tagelang in die „neuen alten“ Geheimnisse der Gnathologie und Artikulation eingeweiht werden. Es werden zahlreiche naturgetreue Kauflächen in verschiedenfarbigen Wachsen aufgebaut und es wird in rein mechanischen und sehr komplizierten Kausimulatoren versucht, den Bewegungsablauf des Unterkiefers zu „knacken“. Gearbeitet wird meist auf idealen Phantommodellen, deren Zahnreihen so jungfräulich sind, dass der Patient, so es ihn gegeben hätte, noch nicht damit gekaut haben dürfte. In manchen Fällen sind diese Aufwachsmodelle sogar gänzlich künstlich hergestellt und spiegeln somit dem menschlichen Verstand entsprungene idealisierte Kaueinheiten wider. Leider klafft jedoch zwischen der theoretischen, aber praktikablen Möglichkeit und der Wirklichkeit eine recht große Lücke. Man darf gespannt sein, wann die ersten Fissuren-Arbeitskurse angeboten werden – natürlich für Fortgeschrittene und Anfänger, abermals unterteilt in Kurse für jugendliche Fissuren, Fissuren mittleren Alters und Abrasions-Fissuren. Es wäre auch nicht verwunderlich, wenn dazu dann die entsprechenden Fissuren-Spezial-Modellierinstrumente auf den Markt kämen – selbstverständlich im Set. Ein buntes, spezielles Fissurenwachs, eine Arbeitsmappe und eventuell ein Anleitungs-Video auf DVD würden die ganze Sache abrunden.
In vielen Aufwachskonzepten werden Kontaktsituationen angestrebt, bei denen die Molaren bis zu 14 Kontaktpunkte aufweisen. Zudem werden exzentrische Bewegungen im „starren“ Artikulator durchgeführt, dessen „Kondylen“ auf mathematisch präzisen Gelenkbahnen gleiten. So wird versucht, die natürliche Artikulation in einer mechanischen Apparatur nachzuahmen. Würde ein Patient derartige Unterkieferbewegungen durchführen, so müsste sich der Unterkiefer wie ein Breakdancer bewegen, also abgehackte, starre und geradlinige Bewegungen vollführen. Und dies, obwohl jeder Patient doch seine eigene Art zu Kauen hat. Das ist ein Fakt, den wir technikverliebten Zahntechniker nur schwer nachvollziehen können oder wollen.
Eine der Kernaussagen des dritten Bands des Klassikers „Zahnärztliche Prothetik“ [3] lautet: „Die Lehre von Rotationspunkten und -achsen hat heute nur noch den Zweck, die Art und Weise der verschiedenen elementaren Kieferbewegungen beschreiben zu können und sich von denselben eine richtige Raumvorstellung machen zu können. Natürlich handelt es sich bei diesen Rotationspunkten und -achsen nie um feststehende Achsen, sondern immer nur um Momentanachsen.“ Wie wir alle wissen, weist jeder Artikulator eine feste Achse auf – auch der teuerste. Alle bis dato bestehenden, sogenannten Aufwachskonzepte, auch jene mit den theoretisch gedachten okklusalen Richtungsangaben und Orientierungshilfen, sind unserem stomatognathen System künstlich auferlegt. Oft wird damit eine „Ideal“-Verzahnung angestrebt. „Ideal“ drückt die Übereinstimmung mit einem zuvor festgelegten Standard aus – einer perfekten, harmonischen Zahnbeziehung. Über dies ist es schwierig, den Begriff „ideal“ zu verwenden, da er einer subjektiven Interpretation unterliegt. Wie Goldman und Cohen 1968 feststellten [4], gibt es „nur wenige Anhaltspunkte, die uns präzise sagen, wie und in welcher Weise die Zähne beim Homo Sapiens gestellt sein müssen“. Die Bandbreite der anatomischen Variationen zwischen dem Menschen ist außerordentlich weit gefächert (Abb. 3 und 4). Uns muss klar sein, dass diese Abweichungen nicht per se ungesund, abnorm oder pathologisch sein müssen.
Dr. Eugen End untersuchte die statische und die dynamische Okklusion klinisch und instrumentell und stellte bei 100 eugnathen und unversehrten Gebissen fest, dass im Seitenzahnbereich unter physiologischen Bedingungen pro Kiefer im Durchschnitt 20 Kontaktpunkte nachgewiesen werden konnten [5], also zehn in einem Quadranten mit einer Bandbreite von 6 bis 14 Punkten. Dr. End konnte zudem beobachten, dass sich die Kontaktpunkte im Oberkiefer vorwiegend auf den inneren Abhängen der palatinalen Höcker und im Unterkiefer auf den inneren Abhängen der bukkalen Höcker auf unterschiedlicher Höhe befinden. Zudem zeigten sich nur wenige Randwulstkontakte. Und auch auf den inneren Abhängen der Scherhöcker zeigen sich weniger Kontakte. Dr. End bemerkte zudem, dass die Frontzähne alle oder auch nur teilweise Kontakt haben können – und zwar gleichzeitig und gleichmäßig mit den Seitenzähnen. Dabei handelt es sich in der Front eher um einen leichten Berührungskontakt. Auffallend bei seinen Beobachtungen war die große Individualität der Kontaktverhältnisse. Nur elf Prozent der untersuchten Fälle wiesen eine beidseitige sogenannte Frontzahnführung auf (von nun an FZ-Führung genannt). Nach Ramfjord et al [6] existiert kein wissenschaftlicher Beweis für die Annahme, dass eine FZ-Führung oder das Vorhandensein eines Eckzahnschubes als Kriterium für eine sogenannte „ideale Okklusion“ anzusehen ist. Nicht die Zähne führen, sondern das zentrale Nervensystem ist die entscheidende Größe. Ergo wird der Unterkiefer neuronal mit einer immer wiederkehrenden Präzision in eine Position gebracht, in der die zentrischen Höcker in die zentrischen Gruben ihrer Antagonisten passen, dort zu einer Zerquetschung der Nahrung führen und der Kontakt sofort wieder gelöst wird. Nach Lauritzen [7] beträgt diese Kontaktzeit beim Kauen im Schnitt 173 Millisekunden. Die Hauptmenge der Faserbündel des Desmodonts verläuft von der Alveole schräg apikalwärts gerichtet zum Wurzelzement. In der Hauptrichtung der Kaulast sind diese Faserbündel funktionell ausgerichtet. Das heißt, dass die Seitenzähne von Natur aus nur in der Längsachse belastet werden sollten. Die zentrale Achse der Molaren sollte so weit wie möglich von ihren Längsachsen entfernt liegen. Zudem kann die Zentrik, die wir in habitueller Interkuspidation einnehmen, nur die einzige physiologische Kontaktbeziehung nach sich ziehen, die wir kennen – auch in unseren Artikulatoren. Alle anderen Kontaktpositionen und -bewegungen sind unphysiologisch und werden von den an der Behandlung beteiligten Teampartnern (Zahnärzten, Zahntechnikern et cetera) willkürlich am Patienten durchgeführt. Doch wir sollten keine Kaubewegungen führen, wir sollten eigentlich Kaubewegungen nachvollziehen. Denn Kaubewegungen sind individuell verschieden und auch abhängig von der zu zerkleinernden Nahrung.
Das typische Kaumuster eines Erwachsenen, aufgenommen in der frontalen Ebene, zeigt eine Tropfenform; mit einer Öffnungsphase (Abb. 5), die medial der Schließphase liegt. Beim Kauen entspricht das maximale Ausmaß der Bewegung in vertikaler und lateraler Sicht ungefähr der Hälfte der überhaupt möglichen Bewegungen (Grenzbewegungen). Diese Grenzbewegungen werden in der Regel beim Sprechen und beim Kauen nicht ausgeführt, können aber vom Patienten willkürlich demonstriert werden (nicht geführte Bewegungen) oder werden durch Manipulation des Unterkiefers vom Kliniker durchgeführt (geführte Bewegungen, etwa bei der Axiographie, Pantographie et cetera). Basis für Funktionsanalysen und Restaurationen sollte jedoch der unbewusst reflektorisch kauende Mensch sein und nicht der, der seinen Unterkiefer bewusst in alle Richtungen bewegt. Die funktionelle Stellung des Unterkiefers beim Kauen stimmt nie mit seiner Grenzstellung überein. Grenzbewegungen stellen die extremen Positionen dar, die der Unterkiefer einnehmen kann. Thielemann brachte es auf den Punkt [8]: „Die Techniker können uns die wunderbarsten Apparate zur Nachahmung der unverständlichsten Kieferbewegungen konstruieren. Die Frage ist nur, ob es denn zweckmäßig ist, die durch solche Ausweichbewegungen in unserem Gebiss zustande gekommenen, abnormen Kieferbewegungen zu registrieren und danach dann den Zahnersatz zu konstruieren.“ Sehr häufig werden die Zahnreihen beim Kauen durch eine dünne Lage Speisebrei voneinander getrennt. Also gleiten die Zahnreihen auf dem Speisebrei ohne Kontakt in die Zentrik. Dieser Vorgang kann in keinem Artikulator nachvollzogen werden. Wie Dubner [9] feststellte, kann Kauen unilateral, bilateral oder bilateral alternierend ausgeführt werden. Zudem haben die meisten Menschen eine bevorzugte Kauseite. Allerdings lernen auch Kinder mit erblicher Nichtanlage der Zähne das Kauen, sodass für diesen Vorgang das Vorhandensein von Zähnen abdingbar zu sein scheint. Eine neuere und allgemein eher akzeptierte Theorie, die sich mit der Kontrolle der Mastikation beschäftigt, besagt, dass das zyklische Bewegungsmuster der Mastikation von einem zentralen, neuronalen Programm mit Sitz im Hirnstamm bereitgestellt wird und dass dieses Programm auch ohne Afferenzen seitens der intraoralen Rezeptoren arbeiten kann [10]. Gleichartige „Mustergeneratoren“ sind bei einer Vielzahl von Tieren bekannt und sollen für die Kontrolle von zyklischen Aktivitäten verantwortlich sein. Unterstützung für die Theorie eines zentralen Mustergenerators liefern Studien, in denen bei Menschen und Tieren auch bei Anästhesie der Gingiva, des Parodontiums und der Kiefergelenke rhythmisches Kauen beobachtet werden konnte. Die Anästhesie lässt also zwar die Fähigkeit abnehmen, den Speisebolus zu kontrollieren, beeinflusst aber nicht die zyklischen Kaubewegungen. Andere Experimente haben gezeigt, dass die die Kautätigkeit stimulierenden rhythmischen Aktivitätsausbrüche der motorischen neuronalen Versorgung der Musculi masseter und digastricus bei der vollständigen Blockade der muskulären Aktivität durch einen neuromuskulären Blocker nicht unterbrochen werden [11].
Jede Abformung ist ein Unikat, und mit ihr wird lediglich die momentane Zahnsituation festgehalten. Die statische Okklusion kann jedoch aufgrund der Körper- und Kopfhaltung, der Psyche, der Tageszeit, aber auch infolge der Mobilität der Zähne sowie einer elastischen Deformation der Knochen (vor allem der Unterkieferspange) Veränderungen erfahren. Untersuchungen, die ich bei mir selbst durchgeführt habe, bestätigen dies. Dafür formte ich in unregelmäßigen Abständen meinen Ober- und Unterkiefer mit Alginat ab. Die so gewonnenen Alginatabformungen wurden mit Gips ausgegossen, und so Situationsmodelle hergestellt. Diese zeigten in der habi­tu­ellen Okklusion immer wieder ein wenig abweichende neue Kontaktbeziehungen (es wurde immer mit demselben Gips und denselben Folien gearbeitet). Und so zeigte sich, dass zum Beispiel nach einer Erkältung die Kontaktpunkte spärlicher als nach einem stressigen Arbeitstag ausfielen. Am Morgen nach dem Aufstehen zeigten sich geringfügig andere Kontaktpunkte als am Abend. Diese empirischen Beobachtungen bestätigten mir nochmals, dass eine Abformung immer nur die momentane Situation in einem sich ständig ändernden System festhält – einem System, bei dem alle Teile mehr oder weniger elastisch sind. Prof. K. Körber stellte in Untersuchungen fest, dass die Zähne so fein im Kiefer aufgehängt sind, dass man an den Zähnen sogar den „Herzschlag“ messen kann [12]. Franco Mongini bemerkte, dass das Unterkiefergelenk auf Grund einer Nachmodellierung erhebliche morphologische Veränderungen erfahren könne [13]. Nur das zahntechnische Gipsmodell und der Artikulator sind starr und stellen somit eine de facto fast unüberwindbare Diskrepanz zur Natur dar. Jeder Artikulator kann nur nach einem rein mechanischen vorgegebenen Muster sogenannte Grenzbewegungen ausführen. Der starre Gelenkkopf gleitet dabei auf einer starren Gelenkbahn, und dass, obwohl im Kiefergelenk doch alle Teile mehr oder weniger elastisch sind. Die Gelenkscheibe ist eine feste, aber flexible Struktur. Sie gleicht die Inkongruenzen zwischen der Oberfläche des Kondylus und dem Gelenkhöcker aus. Während der Kondylenbewegung verändert die Gelenkscheibe entsprechend ihre Form und Lage.
Hanau drückte es so aus [14]: „Der Kauapparat ist vom mechanischen Standpunkt aus betrachtet ein Scharniergelenk mit gleitender Drehachse. Der natürliche oder wiederhergestellte Kauapparat verhält sich indessen wegen des Vorhandenseins von Weichgeweben nicht wie ein starrer, metallischer Apparat, vielmehr sind in ihm nachgiebige und starre Teile in sehr empfindlichen physiologischen Verhältnissen vereinigt.“ Der Übertrag eines biomechanischen Systems auf rein mechanische Geräte hat ihre Schwächen. Der Zahnarzt arbeitet im Patientenmund, in einem biomechanischen System, an dem die Kiefergelenke, die Muskulatur, die Ligamente, der Zahnhalteapparat, die Zunge und das zentrale und periphere Nervensystem beteiligt sind. Dahingegen arbeitet der Zahntechniker am starren Gipsmodell, in einem starren Artikulator, der nach mathematischer Genauigkeit einstellbar und konstruiert ist. Ergo ist die Kaufläche, die wir auf diesem Weg produzieren, immer ein künstliches Produkt – unabhängig davon, wie naturähnlich diese aussieht. Auch anthroposophische Studien bringen hier kein „Licht ins Dunkel“ des stomatognathen Systems. Vielmehr wurden interessante, evolutionsbedingte Dinge festgestellt und entdeckt, und mit neuen Terminologien versehen. Allerdings sehe ich für den zahntechnischen Praxisalltag keine brauchbare Umsetzung der in dieser Disziplin gewonnenen Erkenntnisse.
Es gibt mehrere Wege, künstliche Okklusion herzustellen. Diese reichen von langen, komplizierten Behandlungen mit einem intensiven Zeit- und Apparaturaufwand bis hin zu einfachen, direkten Wegen. Der erste Weg sieht folgendermaßen aus: komplette, präzise Abformung der beiden Kiefer, Gesichtsbogenübertragung oder Registrierung der Gelenkbahnneigung und so weiter und so fort. Die daraus gewonnenen Modelle werden mit Hilfe der mitgelieferten Bisse und Registrierhilfen einartikuliert oder die Modelle werden in der habituellen Interkuspidation in „hochwertige“ Artikulatoren einartikuliert. Wie so oft zeigen die Modelle (je kleiner eine Arbeit ist) eine spärliche Kontaktbeziehung. Diese wenigen Kontakte sind laut Gnathologie jedoch unwahrscheinlich, sodass man versucht, mit Hilfe von Okklusionsfolie, Skalpell oder einer feinen Fräse eine „Vielpunktkontaktsituation“ zu erreichen. Man manipuliert also die Kontaktsituation. Viel besser klingt jedoch der Ausdruck „Equilibrierung der Interkuspidation“, was wiederum nichts anders ausdrückt als das Anpassen der Okklusionsflächen im Ober- und Unterkiefer. Manchmal wird sogar versucht, Schlifffacetten aufeinander zu bringen – da Schlifffacetten dann als Referenz für den Kontakt gesehen werden. Dies ist aber sehr oft nicht möglich, da manche Schlifffacetten während der Dentition entstanden sind, oder das System sich erneut verändert hat.
Wir müssen uns vor Augen führen, dass derartige Manipulationen am Gipsmodell immer willkürlich sind. Das gilt auch für sogenannte Kontaktpunktprotokolle, für die der Behandler mit einer Shimstock-Folie die gesamte Verzahnung überprüft und die am jeweiligen Zahn wahrgenommenen Kontakte auf ein Zahnschema überträgt und dort mit einem Plus kennzeichnet oder aber die Kontakte mit Okklusionsfolie überprüft und auf dem Zahnschema anzeichnet. Im Ergebnis kann selbst trotz solcher Vorbemühungen Zahnersatz dabei herauskommen, der eine Bisserhöhung oder eine Non-Okklusion zur Folge hat. Es hängt von der Erfahrung, Intuition und Tagesverfassung des Technikers ab, ob und inwieweit ein Zahnersatz „passt“ – oder nicht. Wie anfangs beschrieben, sind alle Teile des stomatognathen Systems mehr oder weniger beweglich. Minimale Okklusions­störungen machen eine exakte Modellmontage unmöglich, da die starren Gipszähne keine Eigenbeweglichkeit aufweisen. Die Diskrepanz zwischen der tatsächlichen Mundsituation und den einartikulierten Gipsmodellen ist dazu einfach zu groß und die erzeugte Situation zu ungenau. Wählt man den zweiten Weg, wird die Situation in der habituellen Interkuspidation abgeformt. Der Zahnarzt verwendet dafür einen Quadranten-Löffel (Abb. 6), Check Bite Tray oder Scheufele-Löffel. Bei diesen „Löffeln“ befinden sich der Ober- und Unterkiefer bei der Abformung in einer habituell räumlich korrekten Lage zueinander. Das Abformmaterial ist bei derartigen Abformungen an den Stopps durch­gebissen (Abb. 7). Der Vorteil liegt dabei darin, dass der Patient beim Zubeißen minimale okklusale Störungen selbst korrigiert. Sind also im Mund des Patienten geringfügige Vorkontakte vorhanden, was bei sehr vielen Patienten der Fall ist, so führen diese im Moment des Schließens und Aufeinandertreffens der Zähne zu einem Auslenken des betroffenen Zahnes. Der Zahn vermag beim ersten okklusalen Kontakt aufgrund seiner Eigenbeweglichkeit etwas auszuweichen. Eine Fähigkeit, die der starre Gips des Modells nicht hat. Im Gegensatz zu der üblichen Abformmethode, bei dem bei offenem Mund der jeweils ganze Kiefer abgeformt wird, ist bei der beschriebenen Methode das Risiko, dass sich die Unterkiefer-Spange beim Öffnen elastisch verformt, weitgehend ausgeschlossen. Diese Verformung des Unterkiefers kann bis zu einigen Milli­metern betragen. Und diese verformte Situation wird dann mit der Abformung und dem daraus gefertigten Gipsmodell „eingefroren“ und zur Herstellung von Zahner­satz genutzt. Dadurch können nicht nur okklusale Störungen erzeugt werden, sondern auch die approximalen Kontakt­punkte stimmen häufig nicht mit denen im Gips­modell „festgehaltenen“ überein. Meist sind die Approximalkontakte des auf der Basis derartiger Modelle erzeugten Zahnersatzes im Patientenmund zu streng.

„Funktionstüchtiger Zahnersatz ist und war für mich schon immer ein wichtiges Thema. Wie viele andere zu dieser Zeit pilgerte auch ich zu meist sehr theoretischen Fortbildungen, bei denen auf künstlichen Kaueinheiten und Phantommodellen gearbeitet wurde. Es wurden die unterschiedlichsten Thesen aufgestellt, die von einem rein mechanischen, ja beinahe mathematisch präzisen Denkmodell ausgingen. Gerade so, als wäre das mastikatorische System ein Uhrwerk. Obwohl die meisten Fortbildungen didaktisch sehr gut aufgebaut waren, warteten die dentalen „Pilger“ vergeblich auf ein „Wunder“, denn in den Hypothesen und Denkmodellen war kein Platz für das zentrale Nervensystem. Das liegt vermutlich daran, dass dieses mechanisch nicht richtig einordbar war und ist. Nach vielem Hinterfragen, Durchforsten diverser wissenschaftlicher Literatur zu diesem Thema und durch Selbststudium und Selbsterfahrung verblasste meine rein mechanische gnathologische Faszination sehr rasch. Bereits 1997 schrieb ich den ersten Teil dieses Artikels, bei dem es sich um eine dokumentierte Arbeit aus dem Jahr 1995 handelt. Doch irgendwie geriet dieser Beitrag in Vergessenheit. Womöglich war damals, im Rausch der mechanischen Kauflächen-Funktionsgestaltung, die Zeit noch nicht reif für meine Gedanken.“

Weitere Vorteile bei der Quadranten-Abformmethode sind:


Der Würgereiz beim Patienten wird ausgeschlossen, da er bei geschlossenem Mund nicht auftritt
Der behandelnde Zahnarzt kann die Verzahnung der gegenüberliegenden Seite gut kontrollieren, da immer nur ein Quadrant abgeformt wird.
Während der Abbindezeit des Abformmaterials wird der Quadranten-Löffel präzise in der zentrischen Okklusion und ohne fremde Hilfe festgehalten
Zeitersparnis, da der Gegenkiefer in räumlich korrekter Lage mit abgeformt wird
Materialersparnis

Patientenfall

Im nachfolgenden Patientenfall wird die einfache und schnelle, aber präzise Versorgung des Zahns 46 vorgestellt, der für eine Onlay-Versorgung präpariert worden war. In der Abbildung 7 ist die Quadranten-Abformung mit Impregum und Permadyne dargestellt. Die durchgebissenen, also perforierten Stellen, bilden die im Patientenmund in der habituellen Interkuspidation tatsächlich im Ober- und Unterkiefer vorhanden Stopps in räumlich korrekter Lage zueinander ab. Obschon der großen Auswahl an Artikulatoren entschied ich mich bei dieser Quadranten-Sanierung für den einfachen Artikulator von Morita Japan (Abb. 8). Dieser Artikulator besteht aus einem Ober- und Unterteil, die beide mit Rillen versehen sind. Die beiden Teile sind aufklappbar und mit einer Feder gesichert. Der Artikulator weist eine Kondylenbahnneigung von 10° auf. Zuerst wird der Unterkiefer eingegipst, und zwar so, dass sich die Zahnreihe mittig im Unterteil befindet (Abb. 9). Der infolge des durchgebissenen Stopps auf der anderen Seite durchgelaufene Gips (Abb. 10) wird nach dem Aushärten mit einem Instrument entfernt. Im nächsten Schritt wird der Gegenbiss ausgegossen (Abb. 11). Abbildung 12 zeigt die Präparation nach dem Abheben der Abformung. Die Gipsmodelle werden aus dem Artikulator entnommen (Abb. 13) und mit einem Trockentrimmer in Form gebracht (Abb. 14). Die habituelle Okklusion wird mit Kontaktfarbe überprüft, sodass die Kontaktsituation des Ober- und Unterkiefers deutlich sichtbar wird (Abb. 15) – und das, ganz ohne Manipulation der Modelle durch Radieren oder Beschleifen. Man könnte die Quadranten-Abformung auch als dynamisch-statische Abformung bezeichnen. Nun wird das Modell mit einer diamantierten Trennscheibe von basal bis zum oberen Drittel gesägt (Abb. 16) und dann vorsichtig auseinandergebrochen. Die Bruchstelle im oberen Drittel bleibt dabei erhalten, um der Hebelwirkung entgegenzuwirken (Abb. 17). Die „Segmentblock-Bruchstelle“ verhindert ein Auslenken der einzelnen Gipssegmente auf einfache Art und Weise. Die einzelnen Segmente können daraufhin in das Artikulator-Unterteil gestellt werden (Abb. 18). Indem die eine Seite aufgeklappt wird, lassen sie sich jederzeit herausnehmen. Das für die Herstellung des Onlays benötigte Segment wird wie gewohnt für die Wachsmodellation vorbereitet (Abb. 19). Die Verzahnung und das Platzangebot von bukkal ist in Abbildung 20, die von lingual in Abbildung 21 zu sehen.

Der verwendete Miniartikulator von Morita hat folgende Vorteile:

Geringe Bauhöhe sorgt dafür, dass nur wenig Gips benötigt, und dadurch die Gipsexpansion wesentlich reduziert wird. Zudem expandiert ein Zahnkranz anders als ein gerades, kleines Gipssegment.
Aufgrund der Rillen am Artikulator und der aufklappbaren Teile benötigt man keine Pins, weshalb auch das Isolieren und Sockeln entfällt.
Nach dem Ausgießen des Unter- und Oberkiefers sind die Modelle bereits einartikuliert.

Die benötigten Modellierinstrumente stellte ich mir individuell und entsprechend meiner Bedürfnisse her. Aus einer alten Fräse fertige ich etwa durch Beschleifen und Gummieren ein Schabinstrument, aus einem Stück KFO-Draht durch Biegen, Beschleifen und Polieren zum Beispiel die beiden Wachsauftragsinstrumente (Abb. 22). Als Haltegriffe eignen sich sehr gut Schraubhaltegriffe, die man in jedem Schreibwarengeschäft erhält. Kein spezielles Modellierinstrumentarium aus dem Dentalversandhandel, selbst wenn es aus speziellen Legierungen besteht, vergoldet oder versilbert wurde, kann so individuell und maßgeschneidert sein, wie die von mir hergestellten Instrumente. Viele Kollegen vertreten die Meinung, dass man mit vielen und teuren Modellierinstrumenten bessere Ergebnisse erzielt. Allerdings kommt Zahntechniker A vielleicht mit einem bestimmten Modellierwerkzeug bestens zurecht, während das auf Zahntechniker B nicht zutrifft. Aus diesem Grund sind mehr Individualität, Flexibilität und Kreativität wünschenswert. Und die Gleichung „teures Instrument = gutes Endergebnis“ geht meiner Erfahrung nach sowieso nicht auf. Zum Erhitzen meiner individuellen Aufwachsinstrumente verwendete ich in diesem Fall eine Spirituslampe (Abb. 23), deren erzeugte Temperatur reicht völlig aus. Schon allein deshalb benötige ich keine Sonde aus einer speziellen Legierung. KFO-Draht ist völlig ausreichend. Modelliert wurde mit einem handelsüblichen Modellierwachs. Bei dentalen Modellierwachsen liegen der Erweichungs-, Schmelz- und Erstarrungspunkt bei relativ niedrigen Temperaturen (je nach Wachsmischung zwischen 50 und maximal 90 °C). In Abbildung 24 ist die rationell und mit einfachsten Mitteln aufgewachste Krone mit der künstlich auf das stomatognathe System auferlegten Kaufläche dargestellt. Die darauf zu findende Kontaktpunkte sind nur als Orientierungshilfen für das neuromuskuläre System zu sehen. In der Abbildung 25 ist die Kontaktpunktsituation dargestellt – sie spiegelt lediglich die individuellen zentrischen Kontakte wider. Die Kontaktpunkte wurden beim Aufwaschen des Onlays auf ein Minimum reduziert.
Das modellierte Onlay wird zum Einbetten vorbereitet (Abb. 26). Eingebettet wurde mit der gipsgebundenen Einbettmasse Satin Cast der Firma Kerr, die man über die Schmuckindustrie in Trommeln zu je 45 kg bekommt. Vorgewärmt wurde die Muffel, die lediglich 35 mm hoch ist, in einem kleinen Emaillierofen mit einfachster Steuerung (Abb. 27). Die Muffel wurde etwa eine Stunde nach dem Einbetten in dem auf etwa 300 °C vorgewärmten Ofen aufgesetzt. Haltezeit bei dieser Temperatur: circa eine halbe Stunde. Nach Ablauf der halben Stunde wurde der Ofen auf etwa 550 °C aufgeheizt. Haltezeit wieder circa 30 Minuten. Gegossen wurde nach dem Druckprinzip. Dieses Gussverfahren entdeckte ich in einem zahntechnischen Fachbuch aus dem Jahr 1907 (Abb. 28). In der Abbildung 29 ist der Gussstempel dargestellt, eine mit Wasser getränkte Kartonscheibe, die durch die Berührung mit der heißen Muffel schlagartig Wasserdampf erzeugt. Wenn Wasser in Wasserdampf übergeht, dann vergrößert sich das Volumen um das 1700-fache. Der daraus resultierende Wasserdampfdruck treibt die flüssige Goldschmelze in die Muffelhohlräume. Vergossen wurde eine klassische Goldlegierung. Das Gussergebnis (die drei weiteren Teile, die mitgegossen wurden, sind bereits abgetrennt, da für diesen Fall nicht relevant) ist in Abbildung 30 zu sehen. Die Kontaktpunkte mussten lediglich minimal nachgearbeitet werden (Abb. 31). Das fertiggestellte Onlay mit den zugehörigen Ausarbeitungsmaterialien ist in Abbildung 32 dargestellt. Mithilfe von selbst aus Schleiffliesmatten gestanzten Scheiben (Abb. 33) wurde daraufhin die Kaufläche mattiert (Abb. 34). Aufgrund der mattierten Oberfläche sind die Kontaktpunkte im feuchten Mundmilieu besser zu erkennen. Das fertiggestellte Onlay wird auf dem Arbeits- (Abb. 35) auf dem Kontrollmodell (Abb. 36) dokumentiert. Das eingegliederte Onlay mit den tatsächlichen Kontaktpunkten in habitueller Okklusion stimmt beinahe mit der Modellsituation überein (Abb. 37). Von der Situation wurden drei Abformungen genommen (Abb. 38): vom Gegenbiss samt präpariertem Unterkiefer, vom Unterkiefer mit eingegliedertem Onlay. Mittels eines arbiträren Gesichtsbogens (Abb. 39) wurden die Modelle schädelbezogen einartikuliert und mithilfe von Okklusionsfolie wurde die Kontaktbeziehung sichtbar gemacht (Abb. 40).

Die präparierte Situation der Quadranten-Löffel-Abformung (unten) und die Vollabformung (oben) sind in der Abbildung 41, die Gegenbiss-Kontaktpunktsituation der Quadranten-Löffel-Abformung (oben) und die Vollabformung (unten) in der Abbildung 42 zu sehen. Bei einem auf Basis einer Vollabformung angefertigten Onlay wäre die Kontaktbeziehung mit Sicherheit zu hoch. Eine Korrektur mit feinen Schleifkörpern wäre hinsichtlich des Arbeits- und Zeitaufwands von Behandlerseite aus wirtschaftlich nicht tragbar. Der Einschleifvorgang würde sich zu einem langwierigen und sich immer wiederholenden Spiel aufschaukeln: Mund öffnen, auf die Okklusionsfolie beißen, Kontakte kontrollieren, einschleifen. Das laborseitige willkürliche Einschleifen der Modelle auf Vielpunktkontakt hätte ungenaue Folgen. Non-Okklusion, Bisserhöhung oder Glück, und die Arbeit passt. Auch das Einschleifen mit Shimstock-Folie nach Angaben des Behandlers wäre zu mühsam und zu umständlich und ebenso willkürlich. Leichte Deformationen der Unterkieferspange, wie sie bei der Ganzkieferabformung entstehen, lassen sich durch Einschleifen nicht ausgleichen. Die Kontaktpunktsituation mit dem eingegliederten Onlay ist Abbildung 43 zu entnehmen. Auf dem Onlay sind keine Kontaktpunkte zu erkennen. Die Vorteile der Quadrantenabformung in habitueller Okklusion liegen damit eindeutig auf der Hand. Über den beschriebenen Weg kommt man erfolgreich, schnell und sicher zum Ziel. Nur durch massives Einschleifen unter Zuhilfenahme der Quadranten-Kontaktpunktbeziehung (Abb. 44) wurde auf herkömmlichem Weg eine ähnliche Kontaktpunktsituation erreicht (Abb. 45 und 46). Weder halb- noch volljustierbare Artikulatoren sind ein Garant für einen prothetischen Erfolg (Abb. 47 und 48).


Fazit

Seit Beginn meiner Selbständigkeit arbeite ich nach dem beschriebenen System. Dieser Beitrag wurde von mir vor 24 Jahren dokumentiert und verfasst, ruhte jedoch jahrelang in der Schublade, da ich der Meinung war, die Zeit sei nicht reif, für eine Veröffentlichung. Damals wie heute lautet mein Motto: „Gut sind alle, aber zu langsam“. Die meisten Aufwachskonzepte basieren auf theoretischen Überlegungen und einem rein mechanischen Denkmuster und werden auf eine zuvor als „ideal“ festgelegte Okklusion projiziert. Dass diese Konzepte mit der natürlichen, sich immer wieder ändernden Okklusion nicht übereinstimmen können, habe ich dargelegt. Nicht nur Einzelzähne kann man auf die von mir beschriebene Art versorgen, sondern auch ganze Inlay-Straßen, dreigliedrige Brücken und sogar ganze Quadranten. In den vergangenen Jahren wurden die Goldlegierungen weitestgehend durch diverse vollkeramische Materialien ersetzt, wobei die Arbeitsweise grundsätzliche jedoch unverändert blieb. Nur allzu oft beobachte ich, dass vielen Technikern das zahntechnische Grund- und Basiswissen fehlt – dies bildet jedoch die handwerkliche Basis unseres Berufs. Jedoch lässt sich auch mit Grund- und Basiswissen innerhalb einer nicht exakten Wissenschaft (die Zahntechnik ist eine empirische Disziplin) eine absolute mechanische Präzision nicht erreichen. Und eine stressfreie Restauration bedeutet nichts anderes, als dass der Patient sich damit wohl fühlt. Glaubt man einigen theoretischen Okklusions-/Funktionskonzepten, die zweifelsfrei, was die Theorie anbelangt, meist didaktisch gut aufgebaut sind, dann könnte man daraus schlussfolgern, dass nur einige „Auserwählte“ funktionstüchtigen Zahnersatz herstellen könnten und der Rest der Zahntechnikerwelt nur „prothetische Missbildungen“ produzieren. Den ersten Teil des Berichts habe ich 1997, also vor 24 Jahren, geschrieben. Die dokumentierte Arbeit wurde 1995 angefertigt und eingegliedert. Bis heute sind wir in unserem Labor dieser auf der Quadranten-Abformtechnik basierenden Zahntechnik treu geblieben – von der Einzelkrone bis hin zur (mittler­weile) viergliedrigen Brücke. Nur das Material und die Herstellungstechnik haben sich aus meiner Sicht zum Positiven verändert. Seit nun mehr als 15 Jahren arbeiten wir bei festsitzenden Arbeiten metallfrei, das heißt wir greifen auf Zirkonoxid zurück, monolithische Rekonstruktionen (oder auch Full-Contour-Zirconia), deren Oberflächen wir schließlich veredeln. Wir nennen das bei uns im Labor Surface Ennobling.

Literatur

[1] Dr. U. G. Randoll, Von der Gnathologie und Artikulationslehre zur ganzheitlichen Zahnmedizin, Die Entwicklung der Zahnmedizin im 20. Jahrhundert am Beispiel Konrad Thielemanns, 1992, Karl F. Haug Verlag
[2] N. D. Mohl, G. A. Zarb, G. E. Carlsson, J. D. Rugh, Lehrbuch der Okklussion, Mohl, Einleitung, 1990, Quintessenz Verlags-GmbH
[3] C. Bruhn, F. Gutowski, A. Gysi, F. Hauptmeyer, St. Loewe, K. Kukulies, P. Wustrow, Zahnärztliche Prothetik, Seite 185, 1930, Springer-Verlag
[4] H. M. Goldman, D. W. Cohen, Periodontal Therapy, 1968, C. V. Mosby Company
[5] E. End, Erfahrungen mit Teil- und Totalprothesen ohne Zahnführung und ohne Balancen – „Bio-logische Prothetik“, 105 456–464, 1996, ZWR Das Deutsche Zahnärzteblatt, Georg Thieme Verlag Stuttgart
[6] S. Ramfjord, M. M. Ash, Individuell optimale Okklusion, 1992, Quintessenz Verlags-GmbH
[7] A. G. Lauritzen, Arbeitsanleitung für die Lauritzen-Technik, 1976, Carstens und Homovc
[8] Dr. U. G. Randoll, Von der Gnathologie und Artikulationslehre zur ganzheitlichen Zahnmedizin, Die Entwicklung der Zahnmedizin im 20. Jahrhundert am Beispiel Konrad Thielemanns, 1992, Karl F. Haug Verlag
[9] R. Dubner, B. J. Sessle, A. T. Storey, The Natural Basis of Oral and Facial Function, 1978, Springer Verlag
[10] J. P. Lund, Evidence for a central neural pattern generator regulating the chewing cycle, 204–212, In: D. J. Anderson and B. Matthews, eds. Mastication, 1976, John Wright & Sons
[11] J. P. Lund, P.G. Dellow, The influence of interactive stimuli on rhythmical masticatory movements in rabbits, Arch Oral Biol, 16:215–223, 1971
[12] Körber
[13] F. Mongini, Das stomatognathe System, Funktion, Dysfunktion und Rehabilitation, 1987, Quintessenz Verlags-GmbH
[14] R. L. Hanau, Full denture prosthesis, intraoral technique for Hanau articulator model H., 4. Auflage 1930, Buffalo
[15] Dr. E. End, Die Physiologische Okklusion des menschlichen Gebisses, Vorwort Prof. Dr. A. Puff, 2005, Verlag Neuer Merkur GmbH

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30 - Das Gussergebnis: Vergossen wurde eine klassische Goldlegierung.

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