{"id":2208,"date":"2022-03-29T17:02:30","date_gmt":"2022-03-29T15:02:30","guid":{"rendered":"https:\/\/dentaldialogue.de\/?p=2208"},"modified":"2022-03-30T15:13:05","modified_gmt":"2022-03-30T13:13:05","slug":"nur-digital-und-wo-bleibt-der-patient","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/dentaldialogue.de\/nur-digital-und-wo-bleibt-der-patient\/","title":{"rendered":"Nur digital, und wo bleibt der Patient?"},"content":{"rendered":"\n\n

Ganz nach dem Tagungsmotto widmeten sich die Referenten des 24.\u2009Prothetik Symposiums, das am 27.\u2009November 2021 online stattfand, der anhaltenden Digitalisierung in der Zahnmedizin und Zahntechnik in Hinblick auf Chancen und Potentiale, aber auch der Verantwortung ihren Patienten gegen\u00fcber.<\/strong><\/p>\n\n\n\n\n\n

Prof.\u2009Dr.\u2009Jan-Frederik G\u00fcth, Leiter der Poliklinik f\u00fcr Zahn\u00e4rztliche Prothetik der Universit\u00e4t Frankfurt am Main, und Ztm.\u2009Hans-J\u00fcrgen Stecher aus Wiedergeltingen f\u00fchrten durch die Veranstaltung, die aufgrund der aktuellen Corona-Lage online stattfand.<\/p>\n\n\n\n\n\n

Genfer Konzept<\/strong>
In den Fortbildungstag startete Dr.\u2009Malin Strasding (Abb.\u20091)<\/strong> mit dem aktuellen \u201eGenfer Konzept\u201c, das den Weg vom analogen zum digitalen Zahnersatz unter den Aspekten Patientenbeteiligung, Vorhersagbarkeit, Langlebigkeit, Qualit\u00e4t, Effizienz und Kosten ber\u00fccksichtigt. Mittels digitaler Planungen und Workflows k\u00f6nne die Funktion von Zahnersatz dabei bereits w\u00e4hrend der Entstehung gepr\u00fcft und dem Patienten visuell vorgestellt werden.
Auch f\u00fchre der Einsatz von digitalen Abl\u00e4ufen bei der Erstellung von Zahnersatz f\u00fcr eine deutlichere Effizienz und spare somit Kosten ein. Die Qualit\u00e4t der digitalen Abformungen hat laut Dr.\u2009Strasding insgesamt schon einen sehr hohen Standard erreicht. Leider k\u00f6nnen aber die Impressionen der Schleimhaut noch nicht dargestellt werden. Durch den Einsatz der digitalen Workflows seien alle digitalen Daten f\u00fcr einen m\u00f6gliche notwendige Neuanfertigung sofort wieder nutzbar, was den Zeitfaktor deutlich reduzieren w\u00fcrde.
Ztm.\u2009Martin Weppler stellte die \u00dcberarbeitung einer zw\u00f6lf Jahre alten herausnehmbaren Prothese vor. Was zun\u00e4chst nach \u00adeiner einfachen Reparatur aussah, entpuppte sich als aufw\u00e4ndige Rekonstruktion. Die Mischung aus digitalen und analogen Prozessschritten war dabei der Schl\u00fcssel zum Erfolg. Digitalisierung, so Weppler, sei ein Quantensprung in der Zahntechnik und modellfreies Arbeiten damit Wirklichkeit. Und wo bleibt hier der Patient? Nach seiner Meinung kann man ihn mit den neuen Tools w\u00e4hrend des gesamten Prozesses abholen und begleiten \u2013 er wird ankommen und bleiben. Der \u00adPatient werde es den Behandlern danken. Ztm.\u2009Jochen Peters gew\u00e4hrte dem Auditorium einen Einblick in seine T\u00e4tigkeit als Kursleiter und Berater. Mit der Frage \u201eSchleifen Sie noch oder zementieren Sie schon?\u201c zeigte Jochen Peters, dass durchschnittlich in \u00adjeder Praxis pro Tag circa 45\u00a0Minuten Arbeitszeit durch Einschleifen verloren gehen.
Die vorhergehenden Fehler entstehen dabei sowohl in den Praxen als auch in den Laboren. Als Fazit empfiehlt er mehr Standardisierungen in den Arbeitsabl\u00e4ufen und mehr Verantwortung der einzelnen Prozessteilnehmer f\u00fcr ihre Arbeit.
Mit Einf\u00fchrung der MDR, so berichtete Karl-Heinz Martin\u00e9, werden die Anforderungen an Sonderanfertiger weiter erh\u00f6ht. Besonders hervorzuheben sei dabei, dass diese ein Qualit\u00e4tsmanagementsystem \u00adgem\u00e4\u00df der MDR aufbauen m\u00fcssen und besondere Anforderungen in Bezug auf die klinische Bewertung (inklusive der klinischen Nachbeobachtung), des \u00adRisikomanagements sowie der proaktiven \u00dcberwachung nach dem Inverkehrbringen der Medizinprodukte best\u00fcnden.
Der Artikel 10 MDR fordere bei den allgemeinen Pflichten der Hersteller unter anderem eine Standardisierung der Abl\u00e4ufe im Betrieb sowie die Kl\u00e4rung von Verantwortlichkeiten. Auch die klinische Nachbeobachtung ist ein wichtiger Punkt, der in jedem Labor allein schon durch Reklamationen bekannt sein solle. Nur durch eine konsequente Digitalisierung kann der zu dokumentierende Aufwand wirtschaftlich erbracht werden. \u00adMartin\u00e9s Tipp lautet: Keine Angst bei bew\u00e4hrten Materialien, aber Augen auf bei neuen, noch nicht oder nur wenig erprobten Materialien. Dr.\u2009Christian Diegritz zeigte in seinem Vortrag die M\u00f6glichkeiten, aber auch Grenzen, der Zahnerhaltung auf, denn Zahnerhaltung sei ein St\u00fcck Lebensqualit\u00e4t und nicht jede Situation erfordere gleich eine Implantatversorgung. Eine erfolgreiche Endotherapie ist abh\u00e4ngig von der Erfolgswahrscheinlichkeit, dem Wunsch des \u00adPatienten und auch des Behandlers.<\/p>\n\n\n\n\n\n

Optischer Kompromiss?<\/strong>
Prof.\u2009Dr.\u2009Jan-Frederik G\u00fcth ging in seinem Vortrag der Frage nach, ob es sich bei \u00admonolithischen Restaurationen um eine echte Innovation oder eher einen biomechanischen-optischen Kompromiss handle. Spannend sei die Entwicklung der Mate\u00adrialien in punkto Stabilit\u00e4t und \u00c4sthetik. Er berichtete von Pilotstudien \u00fcber unterschiedliche Versagensmuster je nach Material bei \u00adZirkonoxid und Metall. Derzeit k\u00f6nne man das optimale Material f\u00fcr ein Abutment einer Implantatversorgung nicht benennen.
Jedoch stelle sich die Frage, ob das prothetische Risiko nicht niedriger als das an einem Halteapparat einzustufen sei. Kliniker sollten sich beim Einsatz monolithischer Restaurationen der optischen M\u00f6glichkeiten und Limitationen des gew\u00e4hlten Materials bewusst sein und diese gegen die biomechanischen St\u00e4rken und Schw\u00e4chen indikationsbezogen abw\u00e4gen.
Dr.\u2009Mathias Keller und Mdt.\u2009Shahab Esfarjani stellten gleich am Anfang die Frage nach der Definition einer erfolgreichen \u00e4sthetischen Versorgung. Subjektiv sei es die visuelle analoge Wahrnehmung, objektiv unterscheide sie sich nach roter (nach F\u00fchrhauser, 2004) und wei\u00dfer (nach Belser, 2009) \u00c4sthetik. Sowohl die Z\u00e4hne als solches sowie die H\u00f6he der Gingiva haben dabei einen gro\u00dfen Einfluss auf die \u00c4sthetik, die bei der Rekonstruktion beachtet und erreicht werden m\u00fcsse. Die Zusammensetzung der \u00adMaterialien, Transluzenz, Opazit\u00e4t, Ger\u00fcstst\u00e4rke und Platzverh\u00e4ltnisse seien dabei nach wie vor die entscheidenden Faktoren. Das Team arbeitet nach einem klar definierten Workflow. Gutes Bildmaterial ist dabei genauso wichtig wie eine definierte Farbnahme. Die Kommunikation steht f\u00fcr die beiden ganz oben und beginnt immer am Anfang einer Arbeit, um gemeinsam zu einer optimalen Materialauswahl unter \u00adBer\u00fccksichtigung aller medizinischen, technischen und \u00e4sthetischen Anforderungen f\u00fcr hochwertigen Zahnersatz zu gelangen.<\/p>\n\n\n\n\n\n

Schienentechnik, digital und analog<\/strong>
In einem Vater-Sohn-Vergleich stellten sich Ztm.\u2009Hans-J\u00fcrgen Stecher und Zahntechniker Sebastian Stecher den Fragen, wie die zahntechnische Zukunft gestaltet werden kann und ob sich die analoge Fertigung noch lohne (Abb.\u20092)<\/strong>. Hans-J\u00fcrgen Stecher \u00fcbernahm dabei den analogen, \u00adSebastian Stecher den digitalen Part. Alle Arbeitsschritte zur Erstellung einer adjustierten Aufbissschiene wurden zeitlich erfasst und verglichen. Trotz der insgesamt l\u00e4ngeren Zeit sprechen noch einige Punkte f\u00fcr die analoge Schiene. Die Herstellung k\u00f6nne gegebenenfalls schneller sein, da man von keinen Lieferzeiten abh\u00e4ngig sei und die Wertsch\u00f6pfung im Labor bleibe.
Das digital unterst\u00fctzte Herstellverfahren sei insgesamt g\u00fcnstiger, man k\u00f6nne auf bessere Materialqualit\u00e4ten zur\u00fcckgreifen und es sei m\u00f6glich, eine konstante Ergebnisqualit\u00e4t zu erreichen. \u00adFazit der beiden Referenten ist, dass man je nach Situation entscheiden sollte.
Einen Blick \u00fcber den Tellerrand in die digitale Welt erm\u00f6glichten Ztm.\u2009Pawlos \u00adStilos und Benjamin Viethen. Ohne gute Kommunikation komme man nicht zum Erfolg. Viethen stellte seine t\u00e4glich genutzten Tools zur Organisation, asynchronen und Live-Kommunikation sowie zur Wissensteilung vor. Die Nutzung ist dabei vollkommen unabh\u00e4ngig von seinem Arbeitsplatz und f\u00fcr alle Beteiligten m\u00f6glich. Diesen Wandel sieht auch Stilos im dentalen Bereich und stellt sich die zuk\u00fcnftige Kommunikation zwischen Praxis und Labor in Form einer \u00fcbergreifenden Plattform vor. Aufnahme der Patientendaten, Integration externer Dienstleister f\u00fcr das CAD-Design in unterschiedlichen Zeitzonen, R\u00fcckf\u00fchrung dieser Daten ins Labor und Umsetzung durch die eigene Struktur k\u00f6nnten so einfach umgesetzt werden. Er sieht dabei die gro\u00dfe Chance, ortsunabh\u00e4ngig zu arbeiten, Zeitvorteile bei der Nutzung unterschiedlicher Zeitzonen oder den einzelnen Arbeitsplatz unter dem Aspekt des Fachkr\u00e4ftemangels attraktiver zu gestalten. In seinem pers\u00f6nlichen \u00adArbeitsalltag sei das ortsunabh\u00e4ngige Designen von Prothesen bereits mit Einsatz des Baltic Denture Systems zur Herstellung von digitalen Prothesen m\u00f6glich.
In sechs Solo- und drei Teamvortr\u00e4gen stellten die Referenten aus den Bereichen Wissenschaft und Praxis fest, dass der Patient f\u00fcr sie immer am Anfang und am Ende ihrer Arbeit steht, sie dazwischen dessen Bed\u00fcrfnisse in der zahnmedizinischen und zahntechnischen Behandlung bei allem Fortschritt nicht aus den Augen verlieren d\u00fcrfen. Merz Dental und der Quintessenz Verlag boten trotz der Umst\u00e4nde eine interessante und erfolgreiche Veranstaltung mit vielen Anregungen und Tipps f\u00fcr den \u00addentalen Alltag. Die Veranstalter freuen sich auf die Jubil\u00e4umsveranstaltung im n\u00e4chsten Jahr: Das 25.\u2009Prothetik Symposium am 26.\u2009November 2022 findet dann wieder live in Berlin statt.<\/p>\n\n\n\n