{"id":277,"date":"2022-03-25T12:13:30","date_gmt":"2022-03-25T11:13:30","guid":{"rendered":"https:\/\/dentaldialogue.de\/?p=277"},"modified":"2022-04-08T15:08:38","modified_gmt":"2022-04-08T13:08:38","slug":"tipptopp-mit-table-tops","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/dentaldialogue.de\/tipptopp-mit-table-tops\/","title":{"rendered":"Tipptopp mit Table Tops"},"content":{"rendered":"\n\n

Zahnverluste betreffen h\u00e4ufig zun\u00e4chst die anatomisch komplexeren Seitenz\u00e4hne. Auch insuffiziente F\u00fcllungen, abgenutzter Zahnersatz oder abradierte Z\u00e4hne im Seitenzahnbereich f\u00fchren zu Ver\u00e4nderungen des Kausystems. Mit dem Verlust der St\u00fctzzonen ergeben sich nachfolgend Ver\u00e4nderungen wie Bissabsenkungen mit craniomandibul\u00e4ren Dysfunktionen (CMD), Abrasionen der Frontz\u00e4hne, Rezessionen und Zahnhalsdefekte. Des Weiteren elongieren, kippen oder wandern verbliebene Molaren in die entstandenen L\u00fccken, wenn diese nicht rechtzeitig wieder geschlossen werden. Insbesondere verbliebene Weisheitsz\u00e4hne f\u00fchren aufgrund der distalen Position und der scherenf\u00f6rmigen Mund\u00f6ffnung durch St\u00f6rkontakte zu Ver\u00e4nderungen an den Frontz\u00e4hnen oder dem funktionellen Geschehen. Am vorliegenden Behandlungsfall sollen diese Ver\u00e4nderungen dargestellt und die therapeutischen M\u00f6glichkeiten aufgezeigt werden.<\/strong><\/p>\n\n\n\n\n\n

Der 49-j\u00e4hrige Patient kam mit dem Wunsch nach einer \u00e4sthetischen Verbesserung und der Behandlung seiner Kiefergelenksbeschwerden in die Praxis. Die vorhandenen Kronen waren teilweise \u00fcber 25\u00a0Jahre alt und die Zahnsubstanz und der Zahnfleischverlauf hatten sich zunehmend negativ ver\u00e4ndert (Abb.\u20091a und\u00a0b)<\/strong>. Bei allen komplexen Behandlungsf\u00e4llen mit CMD-Beteiligung, deutlichen Abrasionen und Bissh\u00f6henverlust erstellen wir folgende Befundunterlagen: Fotostatus, R\u00f6ntgenbilder, PA-Status, Funktionsstatus sowie exakte Situationsmodelle in Zentrik (retrale Kontaktposition\/RKP) und mittels PlaneFinder (Zirkonzahn) ausgerichteten Ebenen. An den Modellen wird eine Analyse mit dem ersten zentrischen Kontakt und der Abgleitbewegung in die maximale Interkuspidation (IKP) durchgef\u00fchrt. Daneben wird die Form, Stellung sowie der Abnutzungsgrad der Z\u00e4hne evaluiert. Anhand der \u00fcbrigen Befunde wird auch eine Analyse der parodontalen, funktionellen und \u00e4sthetischen Aspekte durchgef\u00fchrt.
Die Modellanalyse zeigte im vorliegenden Patientenfall eine deutliche Bissabsenkung durch fehlende Seitenzahnabst\u00fctzung und Abrasionen aller Z\u00e4hne. Die Oberkieferfrontz\u00e4hne waren protrudiert, weiterhin bestand ein deutlicher Vorkontakt der Z\u00e4hne\u00a018 und\u00a047 in Zentrik mit einem 3\u2009mm offenen Biss. Bei F\u00fchrung der Modelle in IKP zeigte sich eine 4\u2009mm ventrale Abgleitbewegung \u00fcber die genannten Z\u00e4hne. Bei der Laterotrusion nach links lag ebenfalls eine F\u00fchrung \u00fcber Zahn\u00a018 vor, dadurch wurden die Z\u00e4hne\u00a033 und\u00a032 stark abradiert. Zudem war durch diese Fehlbelastung die Oberkiefer-Frontzahnbr\u00fccke zwischen 22 und\u00a023 gebrochen. An den Z\u00e4hnen\u00a024 und\u00a025 imponierten ausgepr\u00e4gte Zahnhalsdefekte. Daneben zeigten sich ausgepr\u00e4gte und ansteigende Rezessionen an den Z\u00e4hnen\u00a011 bis\u00a021 und\u00a023 bis\u00a025. Die Z\u00e4hne\u00a037 und\u00a036 waren aufgrund der fehlenden Gegenkieferabst\u00fctzung elongiert. Der klinische Funktionsstatus zeigte ausgepr\u00e4gte Beschwerden vor allem im rechten Kiefergelenk mit ausstrahlenden Beschwerden zum M.\u2009temporalis, M.\u2009masseter und zum Nackenbereich. Zusammenfassend zeigte sich, dass insbesondere der elongierte Zahn\u00a018 f\u00fcr die vor allem im 2.\u2009und 3.\u2009Quadranten sichtbaren Ver\u00e4nderungen verantwortlich war (Abb.\u20092a bis\u00a0c)<\/strong>.
Zun\u00e4chst wurde der funktionell st\u00f6rende Zahn\u00a018 zusammen mit dem Br\u00fcckenglied\u00a017 entfernt. Parallel wurde die notwendige Parodontitistherapie eingeleitet. Zur Vorbehandlung der CMD wurden aufklebbare, zahnfarbene Schienen als Table Tops f\u00fcr den Unterkiefer angefertigt. Der Vorteil dieses Verfahrens besteht darin, dass der Patient die Schienen fortw\u00e4hrend \u00fcber einen Zeitraum von mehreren Monaten tr\u00e4gt und diese bei Bedarf einfach korrigiert werden k\u00f6nnen. In dieser Zeit kann sich der Patient an die Bisshebung und zentrische \u00adOkklusionskorrektur gew\u00f6hnen und die Umsetzung erfolgt dann entsprechend in einer getesteten und f\u00fcr gut befundenen Situation in den endg\u00fcltigen Zahnersatz. Durch die Konditionierung bei h\u00e4ufig verspannten CMD-Patienten gelingt die endg\u00fcltige Registrierung so auch viel einfacher f\u00fcr ein passendes und korrekturfreies okklusales Relief der neuen Kronen.
Die korrekten Ebenen werden dazu mit dem PlaneSystem (Udo Plaster, Zirkonzahn) erfasst. Hierbei handelt es sich um einen extraoralen Gesichtsbogen auf einem Stativ (PlaneFinder, Zirkonzahn) zur Erfassung der nat\u00fcrlichen Kopfhaltung f\u00fcr die Ist-Analyse der Okklusionsebene. Eine zweite Messung ergibt den Okklusionslinienwinkel (Ala-Tragus-Linie) zur Soll-Situation mit Konstruktion der korrekten Kauebene (Abb.\u20093)<\/strong>. So wurden die in zentrischer und erh\u00f6hter Bissposition hergestellten Table Tops auf die Unterkiefer-Seitenz\u00e4hne bis jeweils einschlie\u00dflich zum unteren Eckzahn aufgeklebt. Frontzahnkontakte sollen in dieser Phase bewusst vermieden werden, um eine retrale Zwangsposition mit Druck auf die Kiefergelenke zu vermeiden. Mit dieser therapeutischen Schiene l\u00e4sst sich eine korrekte Front-Eckzahnf\u00fchrung etablieren (Abb.\u20094a bis\u00a0c)<\/strong>. Zudem ergab sich in diesem Behandlungsfall durch die Bisshebung und die fehlenden Frontzahnkontakte erst die notwendige Weiterbehandlungsoption f\u00fcr die OK-Frontz\u00e4hne.
Die Oberkieferfrontz\u00e4hne zeigten Taschentiefen bis 9\u2009mm mit insgesamt einem deutlichen horizontalen sowie vertikalen Knocheneinbruch an Zahn\u00a011. Weiterhin lagen ausgepr\u00e4gte Rezessionen, vorangegangene Wurzelspitzenresektionen und apikale Aufhellungen vor (Abb.\u20095a und\u00a0b)<\/strong>. Deshalb wurde die Entfernung der Z\u00e4hne\u00a012 bis\u00a021 beschlossen. Es sollten zwei Implantate (als Sofortimplantat) regio\u00a012 und regio\u00a022 inseriert und sofort festsitzend provisorisch versorgt werden. Zun\u00e4chst wurde regio\u00a026 ein Camlog Implantat mit einem externen Sinuslift inseriert. In einem zweiten OP-Termin wurden die Z\u00e4hne\u00a012 bis\u00a021 entfernt, zwei Camlog-Implantate regio\u00a012 und\u00a022 inseriert und die Alveolen\u00a012 bis\u00a021 mit Osteo Biol\u00a0mp3 (Tecnoss) aufgef\u00fcllt (Abb.\u20095c und\u00a0d). Man beachte auf dem postoperativen DVT (Abb.\u20095d unten) die nach palatinal versetzte Positionierung des Implantates regio\u00a012 (Gr\u00f6\u00dfe\u00a03,8 x 13\u2009mm) und die vestibul\u00e4re Auff\u00fcllung der Extraktionsalveole. Zudem wurden die beiden Alveolen\u00a011 bis\u00a021 mit doppelt gelegten Bio-Gide Membranen (Geistlich Biomaterials) abgedeckt und vern\u00e4ht. Dadurch sollte nur eine vor\u00fcbergehende Stabilisierung des Augmentats erfolgen. Die beiden Implantate wurden mit PEEK-Abutments versehen, provisorisch beschliffen und ein vorbereitetes Schalenprovisorium hier\u00fcber unterf\u00fcttert. Die korrekte Positionierung wurde durch einen auf die Unterkieferz\u00e4hne aufgesteckten und im Labor vorbereiteten kleinen Bisstr\u00e4ger vereinfacht. Durch die zuvor aufgeklebten Table Tops konnten jegliche Kontakte auf den Frontz\u00e4hnen zur Einheilung vermieden werden (Abb.\u20096a bis\u00a0d)<\/strong>. In der Abheilphase wurden die insuffizienten Wurzelf\u00fcllungen der Z\u00e4hne\u00a014 bis\u00a016 revidiert (Abb.\u20097a und\u00a0b)<\/strong>.
Acht Wochen sp\u00e4ter wurden die Oberkiefer\u00adz\u00e4hne und die Implantate (16 bis 23 und\u00a026) mit einem laborgefertigten Langzeitprovisorium versorgt. Dabei sollten die \u00c4sthetik und die weitere Konditionierung des Weichgewebes insbesondere der Br\u00fccken\u00adpontics\u00a011 bis\u00a021 erfolgen. Zudem war durch die Bisshebung mit den Table Tops eine retrudiertere Frontzahnpositionierung m\u00f6glich, wodurch die \u00e4sthetische Kompo\u00adnen\u00adte h\u00e4ufig verbessert wird (Abb.\u20098a bis\u00a0c)<\/strong>. Es folgten weitere Schienenkontrollen in gr\u00f6\u00dferen Abst\u00e4nden und parallel dazu zus\u00e4tzliche physiotherapeutische Ma\u00dfnahmen bis zum Abklingen der CMD-Proble\u00admatik. In den meisten F\u00e4llen sind die Beschwerden nach dieser funktionellen Vorbehandlung durch die korrekte Okklusion deutlich verbessert oder sogar verschwunden. Urs\u00e4chlich daf\u00fcr sind die gleichm\u00e4\u00dfigen, zentrischen, okklusalen Kontakte, die Eckzahnf\u00fchrung und der fehlende Frontzahnkontakt zur Vermeidung der retralen Zwangsposition. Der Befund wird mit einem erneuten Funktionsstatus dokumentiert. Parallel dazu wurde das Pontik im Bereich\u00a021 mit Weichgewebe unterf\u00fcttert und eine Rezessionsdeckung an Zahn\u00a023 mittels Bindegewebetransplantaten durchgef\u00fchrt (Dr. K\u00f6rner, Bielefeld). Da die Z\u00e4hne\u00a032 bis\u00a042 zun\u00e4chst unversorgt bleiben sollten, wurden diese mittels Home Bleaching aufgehellt. So konnte die Zahnfarbe der neuen Versorgungen entsprechend heller gestaltet werden (Abb.\u20099a und\u00a0b)<\/strong>. Zur Umsetzung in den endg\u00fcltigen Zahnersatz wurden im ersten Schritt die Oberkieferseitenz\u00e4hne quadrantenweise endg\u00fcltig pr\u00e4pariert. Parallel dazu wurde die erarbeitete Bissposition mit Registraten aus L\u00f6ffelkunststoff und beidseitiger Verfeinerung mit Luxatemp f\u00fcr die provisorische Artikulation der Modelle verschl\u00fcsselt. Zeitgleich wurde Narbengewebe einer alten WSR (Wurzelspitzenresektion) regio\u00a011 bis\u00a013 entfernt sowie das Bindegewebetransplantat regio\u00a023 ausged\u00fcnnt. Nach der Oberkieferabformung aller Z\u00e4hne und der Implantate erfolgte im zweiten Schritt die UK-Pr\u00e4paration (Abb.\u200910a bis\u00a0d)<\/strong>. Im Labor wurden nach der provisorischen Artikulation der Modelle auf Basis der ersten Registrierung zwei identische Zentrikplatten erstellt. Eine circa 3\u2009mm dicke Schicht L\u00f6ffelkunststoff wurde auf das Oberkiefermodell gelegt. Der Gaumen sollte weitgehend frei bleiben, um die Zunge nicht zu irritieren. Im Unterkiefer mussten an den Frontz\u00e4hnen 33 bis\u00a043 plane, nicht eingebissene, gleichm\u00e4\u00dfige Kontaktpunkte durch Einschleifen oder Auftragen von lichth\u00e4rtendem Kunststoff (zum Beispiel Flow) im Labor erstellt werden. Alle Seitenz\u00e4hne und Gingivaformer der Implantate regio\u00a012, 22 und\u00a026 hatten dabei 1\u00a0bis 2\u2009mm Abstand zu den Registrierplatten. Beim n\u00e4chsten Termin in der Praxis wurde neben der Farbbestimmung und letzten Absprachen zur Form und Gestaltung der Kronen die zweite, definitive Registrierung vorgenommen. Dazu wurden mit den im Labor erstellten Zentrikplatten zun\u00e4chst die Frontz\u00e4hne\u00a033 bis\u00a043 mit erw\u00e4rmtem Aluwachs durch Zubei\u00dfen und mehrfaches Nachkontrollieren registriert. Anschlie\u00dfend wurden mit ebenfalls erw\u00e4rmtem Bite Compound (GC) die Seitenz\u00e4hne analog registriert. Die zweite Platte diente als Kontrollregistrat. Nur in den F\u00e4llen, in denen die Splitcast-Kontrolle identische Registrate zeigt, darf weitergearbeitet werden. Je mehr \u00dcbung dabei vorliegt, umso schneller kommt man zu perfekten, identischen Registraten (Abb.\u200911)<\/strong>.<\/p>\n\n\n\n