{"id":3964,"date":"2022-04-07T11:20:30","date_gmt":"2022-04-07T09:20:30","guid":{"rendered":"https:\/\/dentaldialogue.de\/?p=3964"},"modified":"2022-04-07T11:20:36","modified_gmt":"2022-04-07T09:20:36","slug":"zahntechnik-einmal-anders","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/dentaldialogue.de\/zahntechnik-einmal-anders\/","title":{"rendered":"Zahntechnik einmal anders"},"content":{"rendered":"\n\n

Wir wissen alle, wie das ist, noch eine Unterf\u00fctterung auf den Tisch zu bekommen, die bis 14 Uhr fertig sein muss: Auf die Pl\u00e4tze, fertig, los! Wenn es dann zwei oder drei Reparaturen sind, die durchgef\u00fchrt werden m\u00fcssen, bleibt wenig Zeit, sich \u00fcber die Arbeit Gedanken zu machen.<\/strong><\/p>\n\n\n\n\n\n

Unter Zeitdruck eine funktionst\u00fcchtige und attraktive Arbeit herzustellen, geh\u00f6rt zu den F\u00e4higkeiten, die sich jeder Zahntechnikerlehrling anzueignen versucht, um sp\u00e4ter sicher in der Branche Fu\u00df fassen zu k\u00f6nnen.
Ich war oft entsetzt, wenn ich schlecht gereinigte Prothesen sah, und ich fragte mich, warum es vielen Patienten so schwerf\u00e4llt, auf die Mundhygiene zu achten. Sollen wir als Zahntechniker diese Problematik einfach so hinnehmen, da wir eigentlich nur indirekt einen Bezug zur Mundhygiene der Patienten haben? Oder sollen wir uns, anstatt uns \u00fcber schlecht gepflegte Prothesen mit Zahnsteinbelag zu \u00e4rgern, Gedanken \u00fcber die Ursachen daf\u00fcr machen?<\/p>\n\n\n\n\n\n

Woher kommen unsere Arbeiten?<\/strong>
Hast du dir auch einmal \u00fcberlegt, woher eigentlich die Arbeiten kommen?
Wir gehen davon aus, dass der Patient eine Zahnarztpraxis besucht und die Labore anschlie\u00dfend die Mundsituation in Form einer Abformung als Basis weiterer zahntechnischer Arbeiten erhalten. So wird es uns zumindest in der Berufsschule beigebracht. Doch leider ist dies nicht immer der Fall.
Viele \u00e4ltere Patienten schaffen es aus gesundheitlichen Gr\u00fcnden nicht mehr, eine Zahnarztpraxis zu besuchen. Sie leben in Seniorenheimen und sind darauf angewiesen, bei der Mundpflege unterst\u00fctzt zu werden. Bei einer meiner Klassenkameradinnen stellte sich beispielsweise heraus, dass es sich bei ihrer Arbeit um die Prothese eines demenzkranken Patienten handelte.<\/p>\n\n\n\n\n\n

Alterszahnheilkunde \u2013 ein wichtiges Thema<\/strong>
Das hat mich in meiner Denkweise \u00fcber Arbeiten wie diese stark beeinflusst und ich machte es mir zur Aufgabe, mich \u00fcber die Hintergr\u00fcnde zu informieren. Mein Hauptfokus dabei war auf Pflegeheime gerichtet. Bei meiner Recherche stie\u00df ich auf Zahnarzt Dr. Elmar Ludwig, der sich intensiv mit der zuvor erw\u00e4hnten Problematik befasst, und mir war sofort klar, dass er der richtige Ansprechpartner f\u00fcr mich ist. Ich nahm Kontakt zu ihm auf, woraufhin er mich zu einem seiner Kurse \u201eAlterszahnheilkunde \u2013 das Wichtigste in K\u00fcrze\u201c nach Stuttgart einlud.
Diese Kurse sollen Zahn\u00e4rzte, Kolleginnen und Kollegen in der Zahnheilkunde, aber auch Pflegekr\u00e4fte in Seniorenheimen \u00fcber die zahn\u00e4rztliche Betreuung pflegebed\u00fcrftiger Menschen aufkl\u00e4ren. Auch f\u00fcr mich als Lehrling in der Zahntechnik war diese Fortbildung \u00fcberaus lehrreich, denn nun konnte ich mir ein besseres Bild dar\u00fcber machen, warum einige Arbeiten in einem schlechten Zustand bei uns eintreffen.<\/p>\n\n\n\n\n\n

Bessere Lebensqualit\u00e4t durch gute Mundgesundheit<\/strong>
Die Zahl der pflegebed\u00fcrftigen Menschen in Deutschland nimmt immer mehr zu; derzeit sind es etwa 4 Millionen. Bis zum Jahr 2030 kann man von sechs Millionen betroffenen Menschen ausgehen (Quelle: Barmer Pflegereport 2021). Doch was hei\u00dft das eigentlich?
Wie du sicherlich schon mitbekommen hast, gibt es in Deutschland einen Mangel an Pflegekr\u00e4ften, was angesichts der ansteigenden Zahl pflegebed\u00fcrftiger Menschen \u00e4u\u00dferst kritisch ist, vor allem auch im Hinblick auf die Mundgesundheit der pflegebed\u00fcrftigen Senioren. Daf\u00fcr bleibt n\u00e4mlich bei dem strammen Dienstplan des Pflegepersonals wenig Zeit, und schnell bleibt die Prothese \u201elinks liegen\u201c.
Dies kann sich negativ auf die allgemeine Gesundheit der Seniorinnen und Senioren in Pflegeheimen auswirken. So ist beispielsweise eine der h\u00e4ufigsten Todesursachen in Pflegeinrichtungen die Lungenentz\u00fcndung (Aspirationspneumonie). Werden die Prothesen \u00fcber Nacht herausgenommen oder vor dem Schlafengehen gereinigt, halbiert sich das Risiko, an dieser Erkrankung zu sterben. Es gilt: Wird die Mundgesundheit verbessert, wird die allgemeine Gesundheit verbessert.
Fakt ist: Pflegekr\u00e4fte sind keine Zahnmediziner und haben auch nicht die Verantwortung eines Zahnarztes zu tragen. Jedoch k\u00f6nnten sie sich anhand von Mundhygienepl\u00e4nen besser orientieren und individuell auf die Bewohner von Pflegeeinrichtungen eingehen, wie beispielsweise Fragen aus dem Weg r\u00e4umen, ob der Patient Unterst\u00fctzung bei der Mundpflege braucht.
Ich bin davon \u00fcberzeugt, dass die Integration dieser Pl\u00e4ne in den Pflegealltag zu einer effizienteren Arbeitsweise und wom\u00f6glich einer Zeitersparnis f\u00fcr die Pflegekr\u00e4fte f\u00fchren kann. Zudem wird das Wohlbefinden des Patienten gef\u00f6rdert, was als weiterer und auschlaggebender Vorteil zu erw\u00e4hnen ist. Ein gepflegter Mund bedeutet mehr soziale Teilhabe, Freude, Lebensqualit\u00e4t, weniger Mundgeruch \u2026<\/p>\n\n\n\n\n\n

Kooperationsvertr\u00e4ge mit Pflegeheimen<\/strong>
Es ist wichtig, dass Zahn\u00e4rzte regelm\u00e4\u00dfige Heimbesuche durchf\u00fchren. Vor allem dann, wenn Patienten nicht mehr in der Lage sind, selbstst\u00e4ndig zum Zahnarzt zu gehen. Hast du jemals das Wort \u201eKooperationsvertrag\u201c geh\u00f6rt?
Unter einem Kooperationsvertrag versteht man die Zusammenarbeit (in diesem Fall zwischen Zahnarzt und Pflegeheim) mit der Absicht, eine regelm\u00e4\u00dfige zahn\u00e4rztliche Versorgung sicherzustellen, um die Mundgesundheit der Bewohnerinnen und Bewohner von station\u00e4ren Pflegeeinrichtungen zu erhalten und zu verbessern.<\/p>\n\n\n\n\n\n

Eine ganz neue Erfahrung<\/strong>
\u201eMittendrin statt nur dabei\u201c hie\u00df es f\u00fcr mich, und ich vereinbarte mit Dr. Ludwig einen Termin f\u00fcr eine Hospitation in einem Pflegeheim in Ulm. Ich hatte bereits einige Praktika in verschiedenen Zahnarztpraxen absolviert, doch dieses Mal kam eine komplett neue Erfahrung auf mich zu. Um 8:30 Uhr traf ich vor der Pflegeeinrichtung ein. Ich wurde herzlich von Dr. Ludwig und seinem Team in Empfang genommen und die ersten Visiten gingen los.
F\u00fcr die Kontrolluntersuchungen hatten wir einen Rollwagen mit allem N\u00f6tigen dabei, damit wir alles praktisch von A nach B transportieren konnten. Das Instrumentarium war ziemlich einfach gehalten: Sonde, Spiegel, Watterolle, Kompressen und Einwegzahnb\u00fcrsten. F\u00fcr die Reihenuntersuchungen war dies v\u00f6llig ausreichend. Bemerkungen und das weitere Vorgehen wurden von Dr. Ludwigs Assistentin in den Karteikarten der Patienten vermerkt. Wir hatten einen ziemlich straffen Zeitplan, dennoch nahm sich Dr. Ludwig Zeit, ging auf jeden einzelnen Patienten individuell ein und vermittelte ein Gef\u00fchl von Wertsch\u00e4tzung und Anerkennung. Genau diese positive Einstellung, die Dr. Ludwig beim Behandeln ausstrahlte, hat mich sehr \u00fcberzeugt. Schlie\u00dflich arbeiten wir professionell mit Menschen, und soziale Kompetenzen sollten dabei an erster Stelle stehen.
Insgesamt hatte ich den Eindruck, dass sich die Patienten \u00fcber den Besuch gefreut haben und dankbar waren. Ein eigentlich \u201eeinfaches\u201c Prothesenwaschen unter flie\u00dfendem Wasser zauberte ihnen beim Einsetzen der Prothese ein L\u00e4cheln ins Gesicht. Diese Momente haben mir gezeigt, mit welch einfachen Mitteln man den Patienten eine Freude bereiten kann.
Einige Bewohner der Pflegeeinrichtung waren aufgrund ihrer Erkrankung nicht in der Lage, sich zu \u00e4u\u00dfern und zu interagieren. Gerade dann war es wichtig, sich dem Patienten mit Geduld zu n\u00e4hern und ihm die Zeit zu geben zu verstehen, dass jetzt etwas im Mund passiert, und die damit verbundenen Reize zu verarbeiten. Wenn Patienten nicht gleich interagieren, liegt es nicht zwingend daran, dass sie grunds\u00e4tzlich nicht wollen, sondern dass sie erst verstehen m\u00fcssen, was gerade passiert. Durch eine ruhige und geduldige Herangehensweise wird das Vertrauen aufgebaut und die Patienten sind w\u00e4hrend der Behandlung entspannter.
Dr. Ludwig war bereits mit vielen Bewohnern vertraut. Im Lauf des Tages ist mir aufgefallen, dass viele der Seniorinnen und Senioren, aber auch Angeh\u00f6rige das Bed\u00fcrfnis hatten, sich zu unterhalten, Trauer zu teilen oder Frust loszuwerden. Aus diesem Grund finde ich es sehr wichtig, ein offenes Ohr f\u00fcr die Bewohner zu haben, denn oft liegen die Besuche der Familien weit zur\u00fcck, und viele sehnen sich nach Besuch oder einer Unterhaltung.
In solchen Momenten versuche ich, Empathie aufzubauen, und versetze mich in die Lage der Person. Sp\u00e4ter m\u00f6chte ich auch nicht aufgrund meines Alters abgeschrieben werden, und ich w\u00fcnsche mir, dass dann auch professionell und kompetent mit mir umgegangen wird. Schlie\u00dflich ist das ein Grundrecht jedes einzelnen Menschen.
Ich hoffe, ich konnte mit diesem Bericht einige Hintergr\u00fcnde zu optisch nicht so sch\u00f6nen Arbeiten vermitteln und verdeutlichen, dass wir diese aus einer anderen Perspektive betrachten sollten \u2013 das w\u00fcrde ich mir w\u00fcnschen. Viel Erfolg euch allen weiterhin!
An dieser Stelle m\u00f6chte ich mich noch einmal bei Herrn Dr.\u2009Elmar Ludwig daf\u00fcr bedanken, mir dieses Projekt erm\u00f6glicht zu haben.<\/p>\n\n\n\n