Fachbeitrag

Steuer & Recht

23.08.25

Vier Jahre MDR – ein Resümee

Medical Device Regulation: Anforderungen und Prüfungen in der Dentalbranche

Stefan Sander

Die Zuständigkeit für die Überwachung und Prüfung der MDR-Umsetzung variiert je nach Bundesland. Die Prüfungen sind bisher ebenfalls nicht einheitlich, was zu Abweichungen führen kann. © wladimir1804 - stock.adobe.com

Seit Mai 2021 ist die Medical Device Regulation (EU) 2017/745 (MDR) für alle Betriebe, die Sonderanfertigungen oder Medizinprodukte herstellen – darunter Zahnarztpraxen, Dentallabore und Fräszentren – verpflichtend. Sie führt zu einem erheblichen Mehraufwand bei der Dokumentation. Prüfbehörden konzentrieren sich verstärkt auf die MDR-Umsetzung, wobei derzeit oft die Rückverfolgbarkeit von Chargennummern im Vordergrund steht – obwohl die MDR weit mehr umfasst. Das Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz (MPDG) bildet die rechtliche Grundlage für diese Prüfungen.

Die MDR soll eine nachvollziehbare Dokumentation über die gesamte Prozesskette von Sonderanfertigungen gewährleisten und die Produkte auch nach dem Inverkehrbringen weiter beobachten.

Kernbegriffe der MDR

Wichtige Begriffe sind:

  • Medizinprodukte: alle Produkte, die von einer Zahnarztpraxis mit Eigenlabor oder einem Dentallabor gefertigt und direkt am Patienten angewendet werden (z. B. Implantate, Kronen, Brücken, Inlays, Prothesen, KFO-Apparaturen)
  • Inverkehrbringen: die Lieferung von Zahnersatz vom Dentallabor an den Zahnarzt, sobald dieser den Zahnersatz abnimmt.
  • Grundlegende Anforderungen: Die MDR legt Regeln für die Herstellung, den Umgang und das Inverkehrbringen von Medizinprodukten fest. Die Herstellung muss unter geregelten Bedingungen nach dem anerkannten Stand der Technik erfolgen, um Risiken für Patienten und Zahnärzte auszuschließen.
  • CE-Zeichen: Zahnersatz als Sonderanfertigung benötigt keine CE-Kennzeichnung. Alle Materialien, die zur Herstellung verwendet werden und im Mund des Patienten verbleiben, müssen jedoch CE-gekennzeichnet sein. Das CE-Zeichen bestätigt die Übereinstimmung eines Produktes mit den relevanten EU-Richtlinien.
  • Konformitätserklärung: Das Dentallabor oder die Zahnarztpraxis bestätigt als Sonderanfertiger die Einhaltung der grundlegenden Anforderungen für jede erstmalig in Verkehr gebrachte Sonderanfertigung. Die Erklärung kann auf Rechnungsformularen erfolgen, sofern alle notwendigen Angaben enthalten sind. Ohne Konformitätserklärung dürfen Sonderanfertigungen nicht verwendet werden. Konformitätserklärung sind dem Patienten auszuhändigen.
  • Vorkommnisse: Bundes- und Landesbehörden richten ein EU-weites Meldesystem für Vorfälle mit Medizinprodukten ein, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Gesundheit führen können, z. B. schwere Kunststoffallergien bei Totalprothesen. Schwerwiegende Vorkommnisse sind unverzüglich der zuständigen Bundesoberbehörde zu melden. Dies betrifft auch Zahnärzte.
  • Dokumentation: Die Rückverfolgbarkeit von Verfahren, Materialien und Arbeitsanweisungen muss sichergestellt sein. Geräte müssen gewartet, und Materialien müssen vor Ablauf des Verfallsdatums und mit CE-Kennzeichnung verwendet werden. Die Einhaltung muss schriftlich dokumentiert werden.
  • Archivierung: Alle MPG-Unterlagen müssen mindestens zehn Jahre aufbewahrt werden, bei implantierbaren Medizinprodukten sogar 15 Jahre. Ein Ordnersystem wird empfohlen.

Überwachung und Prüfungen durch Bundesbehörden

Die Zuständigkeit für die Überwachung und Prüfung der MDR-Umsetzung variiert je nach Bundesland. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ist zuständig, sofern nicht das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) die Zuständigkeit hat. Die Prüfungen sind bisher nicht einheitlich, was zu Abweichungen führen kann. Festgestellte Mängel müssen innerhalb einer Frist korrigiert werden. Bei Verstößen drohen hohe Strafen und Bußgelder gemäß dem Medizinprodukte-EU-Anpassungsgesetz (MPEUAnpG) von Ordnungswidrigkeiten (bis zu 30.000 EUR) bis hin zu Freiheitsstrafen (bis zu zehn Jahren). Das „Nichtausstellen“ einer Konformitätserklärung allein ist bereits eine Ordnungswidrigkeit. Die Prüfungen gliedern sich in zwei Schritte:

  1. Verpflichtung zur vorherigen Einreichung konkreter Unterlagen
  2. Präsenzprüfung vor Ort

Bei der Vor-Ort-Begehung muss die nach Artikel 15 MDR verantwortliche Person anwesend sein. Die Prüfung wird dem Betrieb schriftlich angekündigt.

Pflicht: vorherige Einreichung konkreter Unterlagen

Folgende Unterlagen sind im Vorfeld einer Prüfung vorzubereiten und der Behörde zu übermitteln:

  • Organigramm des Unternehmens/der Betriebsstätte: grafische Darstellung der internen Struktur mit Hierarchien, Positionen, Abteilungen, Aufgaben und Verantwortlichkeiten; klare Zuordnung von Mitarbeitern zu Aufgabenbereichen und Benennung der Verantwortlichen für das Qualitätsmanagement
  • Anzahl der Mitarbeiter: aktuell beschäftigte Personen – nachvollziehbar anhand der Personalakten
  • Informationen zu Betriebsstätten: Im Falle von weiteren Niederlassungen oder Zweigstellen mit abweichenden Abläufen oder Zwecken müssen diese eigenständig dokumentiert werden.
  • Nennung der für die Einhaltung der Regulierungsvorschriften verantwortlichen Person nach Art. 15 MDR mit Stellenbeschreibung und Nachweis der Qualifikation: Jeder Hersteller von Sonderanfertigungen muss mindestens eine Person mit dem erforderlichen Fachwissen im Bereich Medizinprodukte benennen. Qualifikationen sind z. B. Hochschulabschluss in relevanten Fächern mit einem Jahr Berufserfahrung oder vier Jahre Berufserfahrung in Regulierungsfragen/QM-Systemen im Zusammenhang mit Medizinprodukten. Betriebe mit weniger als 50 Mitarbeitern müssen diese Person nicht schriftlich benennen, aber eine qualifizierte Person muss dauerhaft zur Verfügung stehen.
  • Informationen zu den Produkten des Betriebs/Liste der erstmalig in Verkehr gebrachten Produkte: Dokumentation der im Betrieb angefertigten Produkte, idealerweise über die Abrechnungssoftware
  • Liste/Übersicht der im Betrieb vorhandenen Verfahrensanweisungen: Die Umsetzung von Anforderungen muss in verbindlichen Vorschriften dokumentiert werden. Hersteller sind verpflichtet, Nachweise über vorhandene und anzuwendende Verfahrensanweisungen zu führen.
  • Verfahrensanweisung zur Bewertung und Meldung von schwerwiegenden Vorkommnissen und Sicherheitskorrekturmaßnahmen im Feld: Dies ist elementarer Bestandteil der Risiko-Management-Pläne. Ein festgelegter Ablauf für den Umgang mit schwerwiegenden Vorkommnissen, die zum Tod oder schwerwiegenden Gesundheitsverschlechterungen geführt haben oder hätten führen können, ist erforderlich, und diese sind unverzüglich zu melden.
  • Verfahrensanweisungen für korrektive Maßnahmen (z. B. Rückruf): Beschreibung, wie im Falle eines festgestellten Vorfalls (intern oder extern ausgelöst) ein eventueller Rückruf erfolgen muss.
  • Übersicht zum grundsätzlichen Verfahren bei der im Labor eingesetzten Risikoanalyse: Es besteht eine Verpflichtung zur Analyse und Dokumentation aller innerbetrieblichen Risiken, die die Patientengesundheit beeinflussen könnten, sowie zur Darstellung des Umgangs mit diesen Risiken, Bewertung mit einer Risikoprioritätszahl (RPZ) und Beschreibung der Gegenmaßnahmen. Die RPZ kann z. B. nach ISO 13485 (Auftretenswahrscheinlichkeit x Bedeutung x Entdeckungswahrscheinlichkeit) oder VDZI (Wahrscheinlichkeit x Bedeutung) berechnet werden. Bei einer RPZ ≥ 20 sind weitere risikomindernde Maßnahmen erforderlich.
  • Ggf. Liste der Unternehmen, die für den Betrieb Fertigprodukte, Halbfertigware oder Zwischenprodukte fertigen mit Angabe der betroffenen Medizinprodukte: Auflistung der Zulieferer von Fertigprodukten (z. B. Konfektionszähne), Halbfertigteilen (z. B. Fräszentren) oder Zwischenprodukten (z. B. gewerbliche Dentallabore bei Arbeitsteilungen)
  • Risikomanagementberichte (jährlich zu erstellen): Der Risikomanagementbericht in der MDR ist das zentrale Dokument, das die Zusammenfassung und Bewertung des gesamten Risikomanagementprozesses für ein Medizinprodukt darstellt. Er bestätigt, dass Risiken identifiziert, bewertet, minimiert und überwacht wurden und dass das Gesamtrestrisiko des Produkts akzeptabel ist. Er berücksichtigt auch Erfahrungen aus der Phase nach dem Inverkehrbringen (Post-Market-Surveillance), um die fortlaufende Sicherheit zu gewährleisten.
  • Sicherheitsbericht (alle zwei Jahre zu erstellen): Der Sicherheitsbericht in der MDR ist ein regelmäßig zu aktualisierendes Dokument, das die fortlaufende Sicherheit und das Nutzen-Risiko-Verhältnis eines Medizinprodukts nach dem Inverkehrbringen bewertet. Er fasst Vorkommnisse, PMS-Daten und ergriffene Maßnahmen zusammen, um die Produktüberwachung zu gewährleisten.

Fazit zur Vorbereitung der Unterlagen

Die Bereitstellung dieser Unterlagen kann einen erheblichen Aufwand verursachen. Ein Problem der MDR ist, dass sie zwar beschreibt, was zu dokumentieren ist, aber nicht, wie. Betriebe sollten ihre internen Dokumentationsstrukturen prüfen. Eine individuelle Umsetzung der MDR-Punkte ist erforderlich, da Übertragungen aus anderen Betrieben nicht möglich sind.

Die Präsenzprüfung vor Ort

Nach Einreichung der Unterlagen erfolgt ein Termin im Betrieb. Die verpflichtende Anwesenheit der für die Einhaltung der Regulierungsvorschriften verantwortlichen Person (PRRC) ist dabei hervorzuheben.
Bei der Präsenzprüfung werden u. a. folgende Punkte „unter die Lupe genommen“:

Konformitätserklärung(en) 
des Herstellers

Dokumente, in denen der Hersteller die Übereinstimmung seines Produkts mit den EG-/EU-Richtlinien erklärt. Sonderanfertiger sind von klinischen Prüfungen ausgenommen. Zu den Sonderanfertigungen zählen u. a. Kronen, festsitzender/herausnehmbarer Zahnersatz, KFO-Spangen etc. Nicht als Sonderanfertigungen gelten z. B. Reparaturen, Unterfütterungen, Provisorien (Tragedauer ≤ 30 Tage). Die Konformitätserklärung muss u. a. Name und Anschrift des Herstellers, den Auftraggeber, eine Erklärung zur Übereinstimmung mit Anhang I MDR, die Bestätigung der patientenspezifischen Anfertigung, die Art der Arbeit und die verwendeten Materialien enthalten. Eine Chargendokumentation muss nicht zwingend auf der Konformitätserklärung sein, aber eine auftrags- oder patientenbezogene Rückverfolgbarkeit der verwendeten Chargen ist innerbetrieblich zu dokumentieren. Die Dokumentation muss alle im Zahnersatz verwendeten Materialien umfassen, die in den menschlichen Körper eingebracht werden. Für jede Sonderanfertigung ist eine Konformitätserklärung zu erstellen. Die Zahnarztpraxis muss ein Exemplar aufbewahren und ein Exemplar dem Patienten aushändigen. Das Inverkehrbringen ohne Konformitätserklärung ist eine Ordnungswidrigkeit. Die Aufbewahrungsfrist beträgt grundsätzlich zehn Jahre, bei implantierbaren Medizinprodukten 15 Jahre. Eine digitale Erstellung (z. B. PDF) ist möglich, wobei der Patient eine Kopie erhalten muss. Auch Fräszentren sind zur Erstellung einer Konformitätserklärung verpflichtet.

Unterlagen über die klinische Bewertung (ggf. klinische Prüfung) der erstmalig in Verkehr gebrachten Medizinprodukte

Für Sonderanfertigungen ist kein Konformitätsbewertungsverfahren mit benannter Stelle und keine CE-/UDI-Kennzeichnung erforderlich. Ein entsprechender Vermerk sollte ausreichen. Dieser Punkt sollte jedoch in der Normenbeschreibung vermerkt werden.

Unterlagen über die Reklamationsbearbeitung inkl. Reklamationsstatistik

Es muss eine tabellarische Aufstellung aller Beanstandungen der letzten zwei Jahre, geordnet nach Medizinprodukten, mit Angabe der Art der Beanstandung und dem Ergebnis der Bewertung erstellt werden. Die Beanstandungen müssen dabei nach Art und Medizinprodukt aufgeteilt dokumentiert werden. Ideal sind Beschreibungen des Vorkommnisses, Ursachen sowie Korrektur- und Vorbeugemaßnahmen.

Schlussbemerkung 
und Empfehlungen

Die Zusammenstellung der geforderten Unterlagen für eine MDR-Prüfung kann einen erheblichen Aufwand verursachen. Eine rückwirkende Umsetzung ist oft nicht möglich, da wichtige auftrags- oder patientenbezogene Daten sowie Chargeninformationen fehlen könnten. Warten Sie nicht auf eine Prüfung, sondern seien Sie vorbereitet. Seien Sie proaktiv und bereiten Sie sich gründlich vor, bevor eine Prüfung ansteht!

Kontakt
dent-content
2Sanders personal+dental GmbH
Sutelstr. 10
30659 Hannover
Tel. +49 511 21330343
info@dent-content.de
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