Fachbeitrag

Digitale Technologien

13.01.23

Digitale Totalprothetik – eine echte Alternative

Digital aufgestellte Totalprothesen mit gefräster Basis und Zahnkränzen

Ztm. Matthias Klingner

Im Interview (dental dialogue 9/22, S. 39ff.) wurde ich gefragt, wohin die Entwicklung des FDS-Systems idealerweise gehen könnte. Meine Antwort lautete: „Schön wäre es, Zebris for Ceramill, also Gesichtsbogen und Zentrik, M-Smile und FDS zu kombinieren.“ Kaum hatte ich diese Zeilen niedergeschrieben, dachte ich mir: „Warum sollte das eigentlich nicht funktionieren?“ Damit war die Idee zu unserer ersten Patientenarbeit, bei der wir Ceramill FDS, Zebris, M-Smile und Ivotion kombiniert haben, geboren.

Ausgangssituation
Die Patientin ist seit 36 Jahren Totalprothesenträgerin. Der Zustand ihres Zahnersatzes war, gemessen an den heute gültigen Standards, im Hinblick auf Ästhetik, Vertikaldistanz, Bisslage und Halt für alle Beteiligten unzureichend.

Vorbereitung
Wie gewohnt erfolgte die anatomische Abformung der beiden Kiefer und eine Situ-Abformung der alten Prothesen. Daraufhin haben wir die Modelle klassisch hergestellt und mit dem Ceramill Map600 eingescannt.

Fu-Löffel konstruieren
Zum Konstruieren der Funktionslöffel legten wir den Fall in der Ceramill Database als Schiene an. Die Löffelbasis wurde dann in etwa wie eine Schiene konstruiert: Modell ausblocken, Löffelrand anzeichnen und etwas freigeformt. Nun fehlte noch ein Bisswall. Dieser sollte als Griff, Abstützung für Wange und Lippe, zur Befestigung des Gesichtsbogens (Zebris) und für eine Vorbissnahme dienen.
Zu diesem Zweck erstellten wir uns mehrere Konstruktionselemente. OK- und UK-Bisswälle in verschiedenen Formen und einen virtuellen Rimformer. Diesen luden wir als generischen Mash. Er wurde am OK-Modell ausgerichtet und diente als Hilfsebene um den Bisswall auszurichten.
Die Funktionslöffel druckten wir dann im Nextdent 5100, arbeiteten sie aus und passten einen Kopplungslöffel für das Zebris an, um gleichzeitig die Gesichtsbogenübertragung bei der Fu-Abformung abzunehmen (Abb. 1 bis 3).

Fu-Abformung, Bissnahme und Zentrik
In der Praxis erfolgte dann die Funktionsabformung, Vorbissnahme und die Gesichtsbogenübertragung mit Zebris. Dies lief wunderbar und war für die Patientin sehr angenehm, da für die GB-Übertragung der Löffel nur noch einmal für maximal fünf Sekunden in den Mund musste.
Im Labor stellten wir wie gewohnt die Funktionsmodelle her. Dann wurde der OK mit dem Übertragungsstand einartikuliert und der UK dagegengesetzt. Anschließend fertigten wir konventionelle Bissschablonen aus C-Plast und Wachs. In der Praxis wurden die Wälle von der Zahnärztin nach der Camperschen Ebene ausgerichtet, die vertikale Bisshöhe festgelegt und die Lippenfülle kontrolliert. Mit dieser Bissschablone haben wir auch gleich die beiden Fotos für das M-Smile (extendiert und lächeln) aufgenommen.
Im weiteren Schritt stellten wir digital ein Stützstiftregistrat her. Dies funktionierte ähnlich wie der Funktionslöffel, nur dass wir die Wälle etwas kürzer gestaltet und den Stützstift dazwischen gebaut haben. Damit bestimmte die Zahnärztin dann die horizontale Bisslage (Abb. 4 bis 8).

Konstruktion mit Ceramill FDS im Ivotion Workflow
Nachdem wir alle Daten hatten, konnte es endlich losgehen! Den Fall legten wir in der Ceramill Database an. Dann scannten wir Modelle und Bissschablone ein und fügten die Bilder fürs M-Smile hinzu. Tipp: Radiert vor dem Scannen schon die Ah-Linie, sonst wir es später nur kompliziert.

Modellanalyse
Als erstes erfolgte die Modellanalyse, die das System abfragt und um die man auch nicht herumkommt. Als Nächstes folgt: Bestimmen der Kauebene, Anzeichnen der Papilla Incisiva, Tuber, Rachenbläserfalte, Kieferkammmitte, tiefster Punkt für die größte Kaueinheit usw.

Zahnauswahl
Dann erfolgt schon automatisch die Aufstellung der Prothesenzähne anhand der Modellanalyse. Dies ist aber nur ein Vorschlag, der noch individuell angepasst werden sollte. Es lassen sich verschiedene Zahnformen und -größen nach den Gegebenheiten auswählen. Tipp: Wir nehmen gern in der UK-Front eine Garnitur größer als angegeben, diese passt in den meisten Fällen besser. Wenn man die passenden Zähne gefunden hat, kommt man zum nächsten Schritt (Abb. 9).

M-Smile
Wir verließen den Wizard, gingen in den Expertenmodus und starteten den SmileCreator. Hier luden wir die beiden Bilder und matchten diese mit der gescannten Bissschablone. Tipp: Macht mehr Markierungen in die Bissnahme, um es besser matchen zu können! Und nun hatten wir die Möglichkeit, eine Totalprothese aufzustellen und dabei immer schon zu sehen, wie die Patientin aussehen könnte, ohne dass sie im Labor anwesend sein musste. So konnten wir viel besser die Zahnform und -größe einschätzen. Anschließend ging es wieder zurück in den Wizard.

Zahnstellung korrigieren
An dieser Stelle gibt es Folgendes zu beachten: Da wir am Ende die Prothesenzähne als Zahnkranz individuell fräsen, haben wir hier auf Wunsch kaum Einschränkungen. Die Zähne lassen sich vergrößern, verkleinern, breitziehen, kürzen, den Seitenzahnverbund auflösen usw. Da die Patientin nicht „Schlämmer“ heißt, haben wir uns ein bisschen zurückgehalten. Ansonsten stehen dem Benutzer alle Linien, Ebenen und Punkte zur Verfügung, die gebraucht werden, um eine Aufstellung zu korrigieren. Mithilfe des Kettenmodus lässt sich recht einfach die Position der Zähne im Verbund korrigieren (Abb. 10 bis 13).

Prothesenbasis gestalten
Als nächstes wird nur noch das Modell ausgeblockt, Raphe-Mediane etwas hohl gelegt und die Prothesenbasisausdehnung angezeichnet. Und schon bekommt man einen Vorschlag für die Prothesenbasis, die mit Freiformen noch angepasst werden muss (Abb. 14 und 15).

Einprobe herstellen
Als alles konstruiert war, exportierten wir die Einprobe als Monoblock und druckten sie mit dem Nextdent 5100 aus Try-In Ti0 aus. Danach wurden die Prothesenränder noch ein bisschen ausgedünnt und korrigiert. Tipp: Wir drucken die Einprobe „falsch herum“, so erzielen wir bessere Ergebnisse und die Frontzähne bleiben unberührt von den Smartstützen. Aber wir haben kleine Ansatzpunkte an der basalen Seite, die schnell verschliffen sind (Abb. 16 bis 18). Daraufhin haben wir nur noch im labialen Bereich die Gingiva mit rosafarbenem Opaquer bemalt, um die Rot-Weiß-Ästhetik besser beurteilen zu können (Abb. 19).
Bei der Einprobe im Mund sah alles auf Anhieb sehr harmonisch aus. Die Okklusion war in Ordnung und die Patientin konnte ohne Probleme sprechen und wäre am liebsten sofort mit der Einprobe nach Hause gegangen (Abb. 20).

Fertigstellung
Die Fertigstellung war dann kein „Hexenwerk“ mehr. Wir teilten die Zahnkränze zwischen den Dreiern und Vierern und frästen sie in Ivotion Dent Multi A3. Die Basen entstanden aus Ivotion Base. Nachdem wir das alles genestet hatten, war für uns Feierabend und die Ceramill Matik hatte Nachtschicht (Abb. 21).


Am nächsten Morgen war alles fertig und wir konnte die Puzzleteile aus der Maschine nehmen, heraustrennen, Verbinder verschleifen und alles zusammensetzen. Es gab kleine Stellen an den Papillen, die etwas störten, dies war aber schnell korrigiert und es passte exakt (Abb. 22 bis 26).
Nun galt es, alles zusammenbringen: also Zahnkränze und Alveolen sandstrahlen, etwas mit Monomer benetzen und mit Ivotion Bond verkleben. Die Überschüsse mit dem Modeling Liquid und Pinsel entfernen und im Drucktopf auspolymerisieren lassen. Dann folgten noch ein paar Feinarbeiten wie Ränder ausdünnen, Klebereste entfernen, Bändchen freilegen und polieren (Abb. 27 und 28).

Korrektur der Zahnfarbe
Beim Einsetztermin in der Praxis stellte sich heraus, dass zwar Okklusion, Phonetik und Zahnstellung in Ordnung waren, allerdings gab es mit der Zahnfarbe noch ein Problem. Diese war viel zu hell und passte nicht zur Patientin. Also alles noch einmal neu? Wir entschieden uns, die Zahnfarbe mit Vita Akzent LC zu korrigieren. Wir strahlten die Zähne an, benetzten sie mit Connector und trugen dann Schicht für Schicht Vita Akzent LC Shade red-brown auf bis wir den gewünschten Farbton getroffen hatten. Zum Schluss brachten wir noch Glaze auf, um dem Ganzen noch eine bessere Oberflächenstruktur zu geben (Abb. 29 bis 33).

Fazit
Die am Anfang beschriebenen Wünsche haben sich beinahe von selbst erfüllt und ich bin nach wie vor begeistert von der digitalen Totalprothetik. Die Möglichkeit, virtuell im Patientenbild einen 28er aufzustellen, bringt für die Planungssicherheit einen immensen Mehrwert. Die Patientin ist glücklich, die Zahnärztin ist glücklich, was will man mehr? Einen noch glücklicheren Zahntechniker? Und da komme ich gleich mal zu meinem nächsten Wunsch: Ivotion Denture Disc for Ceramill.

Produktliste

ProduktNameFirma
3D-Druckmaterial für individuelle AbformlöffelNextDent Tray blueNextDent
3D-Druckmaterial für EinprobekörperNextDent Try-In Ti0NextDent
multichromatisch eingefärbte CAD/CAM-Ronden aus DCL-MaterialIvotion Dent Multi A3Ivoclar
CAD/CAM-Roden aus ProthesenbasismaterialIvotion BaseIvoclar
Bondingmaterial für Prothesenbasis und ProthesenzähneIvotion BondIvoclar
selbsthärtendes LöffelmaterialC-PlastCandulor
lichthärtendes Malfarben- und GlasursystemVita Akzent LCVita
CAD/CAM-FrässystemCeramill MatikAmann Girrbach
3D DruckerNextDent 5100 for CeramillNextDent /
Amann Girrbach
Digitaler GesichtsbogenZebris for CeramillZebris /
Amann Girrbach

Kontakt
Zahntechnik Klingner
Ztm. Matthias Klingner
Gewerbegebiet 13
01477 Arnsdorf
Fon +49 35200 24575
Fax +49 35200 29820
info@zahntechnik-klingner.de
www.zahntechnik-klingner.de

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31 - Abschlussbilder der beiden Totalprothesen: Der Zahnersatz gliederte sich harmonisch ein und die Patientin sowie die behandelnde Zahnärztin waren sehr zufrieden mit dem Ergebnis.

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