Laborbericht

Digitale Technologien

09.07.22

Ein Rohling für viele Fälle

Die Lithiumdisilikat-Keramik Amber Press im Laboralltag

Bastian Wagner

Seit Jahren arbeitet der Autor mit Presskeramik und gilt als überzeugter Verfechter dieses effizienten und zugleich sicheren Herstellungsweges. Nachdem er lange Zeit einem Produktsystem treu geblieben ist, arbeitet er seit einigen Monaten mit Amber Press. Die Lithiumdisilikat-Keramik des koreanischen Herstellers HASS Bio (Human-Aid-System Supplier) wird in Deutschland von Dental Balance vertrieben. Der Autor beschreibt seine Erfahrungen mit dieser Presskeramik.

Wenn Altes geht und Neues kommt, gibt es zwei Möglichkeiten, darauf zu reagieren. Wehmütig zurückblicken oder sich mit offenem Blick darauf einlassen und Veränderungen selbst gestalten. In der Zahntechnik haben wir in den vergangenen Jahren viel Altes hinter uns gelassen und Verfahrensweisen adaptiert; ohne bestehende Qualitätsansprüche zu verändern. Ob Fertigungswege oder Werkstoffe – das Neue bereichert in der Regel unsere Arbeit im Sinne des Patienten. Die Veränderungen gehen weit über die CAD/CAM-Fertigung hinaus und betreffen nahezu jeden Bereich unserer Arbeit. In der zahntechnischen Analyse und der funktionell-ästhetischen Planung bieten uns digitale Technologien hervorragende Möglichkeiten.
Die Bezeichnung „virtueller Patient“ bekommt beispielsweise mit dem Gesichtsscan eine echte Bedeutung. Auch im Bereich der Werkstoffe lohnt es sich immer, mit offenen Augen durch die dentale Welt zu gehen. Gerade in der Vollkeramik werden stetig neue Produkte lanciert. Und während uns fast wöchentlich in Marketingbroschüren noch bessere Innovationen versprochen werden, hat sich fast schon still und heimlich eine wirklich innovative Lithiumdisilikat-Keramik ihren Weg gebahnt.


Lithiumdisilikat-Keramik
Einst ein Geheimtipp unter Keramikern wird die Lithiumdisilikat-Keramik Amber des koreanischen Keramikspezialisten HASS Bio (Vertrieb Deutschland: Dental Balance) auch in Europa immer beliebter (Abb. 1). Amber wird als Lithiumdisilikat den hochfesten Glaskeramiken zugeordnet. Lithiumdisilikat hat aufgrund seiner Zusammensetzung und Modifikation eine drei- bis viermal höhere Festigkeit als herkömmliche Glaskeramik (zum Beispiel Feldspatkeramik). Die Lithiumdisilikat-Familie Amber vereint unter ihrem Dach verschiedene Produkte. Zum Portfolio gehören Rohlinge in Block- sowie Blankform (Amber Mill), Pellets für den gerüstfreien Pressvorgang (Amber Press) und Pellets für die Überpresstechnik (Amber LiSi-POZ). In unserem Dentallabor nimmt die Presskeramik eine besondere Stellung ein.


Presstechnik mit Amber Press
Die Presstechnik ist seit Jahrzehnten ein bewährtes vollkeramisches Konzept, welches die Arbeit in zahntechnischen Laboren prägt. Es existiert eine fundierte Studienlage mit guten Langzeitergebnissen. Auch in unserem Labor fertigen wir erfolgreich auf presstechnischem Weg vollkeramische Restaurationen. Nachdem wir lange Zeit einem bewährten Presskeramiksystem treu geblieben sind, haben wir mit Amber Press ein neues Material ausprobiert und uns von den überzeugenden Eigenschaften begeistern lassen (Abb. 2 und 3). Amber Press vereint eine breite Auswahl von Rohlingen, sodass jede Indikation im Laboralltag abgedeckt werden kann. Angeboten werden drei Transluzenzstufen und insgesamt 34 Farbtöne. Zudem lässt sich die Transluzenz individuell über die Ofentemperatur regulieren. Die Biegefestigkeit des Materials liegt bei 460 MPa. Was uns besonders überzeugt, ist die Optik. Sie besitzt eine hervorragende Opaleszenz und Fluoreszenz. Mit diesen natürlich wirkenden lichtoptischen Eigenschaften lässt sich mit der Keramik eine sehr hohe Ästhetik erzielen, zum Beispiel für Kronen oder Veneers, die nur mit einer dünnen Schicht an Verblendkeramik individualisiert werden sollen.


Veneers im OK und ­UK
Ausgangssituation
Die Patientin war unzufrieden mit der Ästhetik ihrer Frontzähne und wünschte eine Veränderung der Situation (Abb. 4 und 5). Die Zähne hatten multiple Füllungen, Schmelzrisse sowie starke Verfärbungen. Zudem waren die Zahnlängen und -formen asymmetrisch. Die lückige Zahnstellung zwischen den Zähnen 12 und 13 wurde bereits beim leichten Lächeln preisgegeben. Um die restaurative Therapie so minimalinvasiv wie möglich zu gestalten, fiel die Entscheidung auf Veneers. Sowohl im Oberkiefer als auch im Unterkiefer sollten jeweils sechs vollkeramische Veneers gefertigt werden. Die Patientin betonte, dass ihr ein natürliches Aussehen der „neuen“ Zähne bezüglich Form, Farbe sowie Stellung ebenso wichtig ist wie eine hohe Individualität. Daher planten wir das Herstellen der Veneers in der Presstechnik kombiniert mit einer zusätzlichen Verblendung. Und wie in den meisten Situationen vereinen wir auch in der Presstechnologie die digitalen Möglichkeiten mit der analogen Welt der Zahntechnik. Hierbei treffen die Vielseitigkeit der digitalen Analyse, die Effizienz des computergestützten Designs und die Präzision des 3D-Drucks auf die hohe Ästhetik der Presstechnik.

Digitaler Workflow in Analyse und Planung
Um alle funktionellen Aspekte bei der Planung zu beachten, hat sich bei uns ein Facescan gut bewährt. Auf diesem Weg holen wir uns den Patienten virtuell in das Labor (Abb. 6). Dies ist gerade bei der Zusammenarbeit mit überregionalen Zahnarztpraxen sehr hilfreich. Allerdings verwenden wir keinen spezifisch dentalen Facescanner. Vielmehr greifen wir auf eine einfachere, zugleich ebenso aussagestarke Methode – eine App – zurück. Bellus3D Dental Pro ermöglicht als 3D-Gesichtsscan-App das Erfassen der realen Patienteninformationen mit dem Smartphone und die Integration der Daten in den zahntechnischen Workflow. Es werden hochauflösende 3D-Gesichtsscans erzeugt und zur interaktiven Anzeige ausgerichtet. Die aus anderen Systematiken bekannten funktionellen Ebenen können mit einem Transferbogen erfasst und so das Gesicht des Patienten in allen Ebenen ausgerichtet werden. Basierend darauf lässt sich ein digitales Set-up fertigen, und zwar im authentischsten Umfeld, welches wir als Zahntechniker haben: im (digitalen) Patientenmund. Die Bellus3D Dental Pro ist nur noch bis Ende 2022 verfügbar. Mittlerweile gibt es adäquate Alternativen, mit denen wir im Labor aktuell unsere Erfahrungen sammeln.

Das Smile-Design
Um in der Software natürliche Zahnformen auf möglichst einfachem Weg zu generieren, nutzen wir die Frontzahnkollektion Anteriores (nach Dr. Jan Hajto), die als Add-on der Konstruktionssoftware zugefügt werden kann. Mit diesen ansprechenden Zahnformen verleihen wir Restaurationen deutlich mehr Individualität, denn es steht eine große Vielfalt an Zahngeometrien zur Auswahl.

3D-Druck und Presstechnik
Nach dem Erstellen des digitalen Set-ups und der digitalen Einprobe erfolgte die Umsetzung in Vollkeramik. Mittel der Wahl war die Presstechnik. Um aus der digitalen Planung in den manuellen Workflow (pressen, schichten) zu wechseln, bietet uns der 3D-Druck sehr gute Möglichkeiten. Die Veneers wurden in der Software mittels Cut-back-Automatik für das spätere Verblenden reduziert und aus einem ausbrennfähigen 3D-Druckharz gedruckt (Abb. 7). Der Vorteil des Druckens ist die unglaublich hohe Präzision der Gerüste; insbesondere in den Randbereichen.
Dies war eine sehr gute Grundlage für das Pressen der Veneers mit Amber Press. Wir wählten den LT-Rohling in der Farbe A1 (Abb. 8 und 9). Der Pressvorgang orientiert sich am bekannten Vorgehen – einbetten, vorwärmen, pressen, ausbetten. Das Abstrahlen der gepressten Veneers erfolgte behutsam mit 4 bar und später mit 2 bar. Eine der Besonderheiten von Amber Press ist, dass nach dem Pressen nur eine äußerst geringe Reaktionsschicht auf der Restauration verbleibt. Auf das Anwenden von Flusssäure können wir daher komplett verzichten.

Lebendiges Farbspiel und individuelle Ästhetik
Theoretisch ermöglicht Amber Press problemlos eine vollanatomische Umsetzung und begeistert mit einer ausgezeichneten Optik – ein lebendiges Spiel aus Transluzenz und Opazität. In diesem Fall war eine individuelle, hohe Ästhetik gewünscht, wie sie nur mit der keramischen Schichtung zufriedenstellend erzielt werden kann. Die als Cut-back reduzierten Veneers boten eine sehr gute Grundlage (Abb. 10 und 11). Die chromatischen, leicht opaleszierenden Amber-Gerüste lassen jedwede Schichtung zu einem Highlight des Arbeitstages werden. Es macht einfach Spaß, auf solchen Grundlagen Keramik zu schichten und sich voll auf feine Schichtdetails konzentrieren zu können. Nach dem Verblenden der Veneers, dem Einarbeiten der Oberflächentextur und einer abschließenden manuellen Politur wurden die Restaurationen an die Zahnarztpraxis übergeben (Abb. 12 und 13).

Natürlichkeit im realen Umfeld
Wie immer in solchen Momenten war die Anspannung hoch (Abb. 14 und 15). Wie werden die Restaurationen im Mund der Patientin aussehen? Denn obwohl wir im Labor dank der Möglichkeiten mit dem „virtuellen Patienten“ sehr nah an der Realität arbeiten, ist es doch letztlich ein Zusammenspiel vieler Aspekte, das den Erfolg einer Arbeit bestimmt. Im Mittelpunkt steht die Frage: Wie fühlt sich der Patient mit der neuen Situation? In diesem Fall zeigte sich einmal mehr, dass unser Verfahrensweg sich gut bewährt. Die Veneers fügen sich in Form, Farbe und Stellung wunderbar in den Mund der Patientin ein. Die leicht verschachtelte Zahnstellung gefällt der Patientin sehr gut; ebenso wie die helle, lebendige und dennoch natürliche Zahnfarbe (Abb. 16 bis 18).


Fazit
Durch das Kombinieren von gepressten Veneer-Gerüsten aus Lithiumdisilikat-Keramik (zum Beispiel Amber Press, HASS Bio) mit dem Auftragen einer dünnen Schicht an Verblendkeramik (IPS e.max Ceram, Ivoclar) erzielten wir im gezeigten Fall lichtoptische Eigenschaften, die aus unserer Sicht überzeugend sind und für sich sprechen. Durch die chromatische, leicht opaleszierende Wirkung der Amber-Keramik entsteht eine Lebendigkeit, die natürlich schönen Zähnen entspricht – unaufdringlich schön.


Einstellen der Transluzenz ­(Amber Mill)
Bei Amber Press ist dies zwar nicht möglich, dennoch soll eine Besonderheit von Amber nicht unerwähnt bleiben: das Regulieren der Transluzenz über die Ofentemperatur. Bei Amber Mill, einem Rohling für die subtraktive CAD/CAM-Fertigung, lässt sich Transluzenz individuell über die Ofentemperatur steuern. Mit nur einem Rohling können somit vier Transluzenzstufen (HT, MT, LT, MO) abgedeckt werden. Durch die Wärmebehandlung im Ofen werden Kristallgröße sowie -dichte im keramischen Gefüge erhöht und folglich die mechanischen Eigenschaften verstärkt sowie der Transluzenzwert verändert. Je höher die Temperatur beim Brennen, umso opaker die Restauration. Selbst nach dem Finalisieren kann die Transluzenz noch angepasst werden.


Alternative in der Presstechnik
Zahntechnik ist von Veränderungen geprägt. Analyse, Fertigung oder Werkstoffe – neue Möglichkeiten bereichern unsere Arbeit. Für mich war es schon immer wichtig, mit offenem Blick durch unsere dentale Welt zu gehen. Auf Veränderungen möchte ich mich nicht nur einlassen, sondern diese selbst mitgestalten. Manchmal bedarf es etwas Mutes, einen eingefahrenen Weg zu verlassen, um beispielsweise ein neues Material auszuprobieren. Doch in vielen Situationen kann eine solche Veränderung den Arbeitsalltag sowie die -ergebnisse verbessern. Für uns im Labor sind die Amber-Keramiken eine gute Alternative geworden. Die Keramik bietet eine schöne und homogene Oberfläche. Beim Schleifen spürt man die Kompaktheit des keramischen Werkstoffs. Das Ausarbeiten ist weich sowie komfortabel und erfolgt ohne Abplatzungen. Und die ästhetischen Eigenschaften sind phänomenal. Ein Vergrauen des Farbtons haben wir bei Amber noch nie erlebt. Die vielen positiven Eigenschaften dieser Keramik-Familie sorgen im Laboralltag für Ruhe und Konstanz.

Vita

Bastian Wagner begann seine Ausbildung zum Zahntechniker im Jahr 2001. Nachdem er im Jahr 2005 seine Ausbildung mit Auszeichnung bestanden hatte (bester Absolvent der Berufsschule Augsburg), folgten lehrreiche Jahre bei Ztm. Hans-Jürgen Stecher. Bastian Wagner spezialisierte sich in den Bereichen Ästhetik und Funktion, Vollkeramik und Implantatprothetik. Von 2010 bis 2011 besuchte er die Meisterschule in München, die er erfolgreich absolvierte. 2011 übernahm er die Laborleitung des Praxislabors von Dr. Markus Regensburger in München. In dieser Zeit sammelte er wichtige Erfahrungen und absolvierte zahlreiche Fort- und Weiterbildungen im In- und Ausland (zum Beispiel Japan und Frankreich) zu den Themen Ästhetik, Funktion, Phonetik und Implantatprothetik. Seit 2015 ist Bastian Wagner auch als Referent für verschiedene Dentalfirmen tätig. Heute arbeitet er für die Implaneo Dental Clinic in München unter anderem für so renommierte Zahnärzte wie Dr. Wolfgang Bolz, Prof. Dr. Hannes Wachtel und Dr. Paul Schuh.

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Lithium-Disilikat

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Bastian Wagner begann seine Ausbildung zum Zahntechniker im Jahr 2001. Nachdem er im Jahr 2005 seine Ausbildung mit Auszeichnung bestanden hatte (bester Absolvent der Berufsschule Augsburg), folgten lehrreiche Jahre bei Ztm. Hans-Jürgen Stecher. Bastian Wagner spezialisierte sich in den Bereichen Ästhetik und Funktion, Vollkeramik und Implantatprothetik. Von 2010 bis 2011 besuchte er die Meisterschule in München, die er erfolgreich absolvierte. 2011 übernahm er die Laborleitung des Praxislabors von Dr. Markus Regensburger in München. In dieser Zeit sammelte er wichtige Erfahrungen und absolvierte zahlreiche Fort- und Weiterbildungen im In- und Ausland (zum Beispiel Japan und Frankreich) zu den Themen Ästhetik, Funktion, Phonetik und Implantatprothetik. Seit 2015 ist Bastian Wagner auch als Referent für verschiedene Dentalfirmen tätig. Heute arbeitet er für die Implaneo Dental Clinic in München unter anderem für so renommierte Zahnärzte wie Dr. Wolfgang Bolz, Prof. Dr. Hannes Wachtel und Dr. Paul Schuh.

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