Fachbeitrag

Totalprothetik

13.05.24

Ein Fall für zwei

Mit totalprothetischem Teamwork Schritt für Schritt zu lebendiger Natürlichkeit

Dr. Iris Kraljevic, Fernando Pasamontes

Totalprothetik wirkt unnatürlich, wenn Zähne mit zu jugendlichen Farb- und Formmerkmalen verwendet und zudem stereotyp aufgestellt werden. Ziel sollte immer sein, der Persönlichkeit und den Wünschen des Patienten gerecht zu werden, statt vermeintliche Schönheitsideale umzusetzen. Mit dem Gewinnerfall des Vita Excellence Award 2023 zeigen Zahnärztin Dr. Iris Kraljevic und Ztm. Fernando Pasamontes, wie mit der großen Form- und Farbauswahl der Vita Zahnlinien im Zusammenspiel mit Kompositmalfarben absolut patientenindividuelle Totalprothetik entsteht.

Ein herausnehmbarer Zahnersatz, der für Außenstehende nicht als solcher zu erkennen ist, kann wesentlich dazu beitragen, die schwierige Situation der Zahnlosigkeit zu bewältigen [1]. Um eine größtmögliche Akzeptanz zu erreichen, sollten deswegen auch lange bestehende Gebiss­anomalien funktionell in die Aufstellung integriert werden [2]. Die Gewinner des Vita Excellence Awards 2023 zeigen mit ihrem eingereichten Patientenfall, wie sie mit der Frontzahnlinie Vitapan Excell, der multifunktionellen Seitenzahnlinie Vitapan Lingoform und den lichthärtenden Kompositmalfarben Vita Akzent LC eine absolut natürlich wirkende Prothese entstehen ließen.

Der klinische Fall
Der 73-jährige Patient wurde in der Praxis vorstellig, weil er mit dem Sitz seiner totalprothetischen Versorgung unzufrieden war. Sein Wunsch war es, wieder gut und sicher kauen zu können. Bei der intraoralen Untersuchung wurde deutlich, dass die Prothese im Oberkiefer einen insuffizienten Halt bot. Die Unterkieferprothese wies ein Proglissement auf, also einen Vorschub der Unterkieferprothese bei Belastung. Auftreffende Kräfte werden dabei aufgrund der fehlerhaften Okklusion mit Vorkontakten im Seitenzahnbereich nach anterior weitergeleitet. Die Okklusionsebene war gut ausgerichtet, aber das Längen-Breiten-Verhältnis der Zähne und der Prothesenbasis passte nicht zu den anatomischen Gegebenheiten und der Gesichtsform (Abb. 1 bis 15). Bei der Begutachtung der beiden Prothesen zeigte sich, dass diese mehrfach erweitert und umgebaut worden waren (Abb. 16 bis 23).

Kieferrelationsbestimmung
Nach der anatomischen und anschließenden mukodynamischen Abformung konnten Meistermodelle erstellt und auf diesen Bissschablonen mit Wachswällen gefertigt werden. Für die korrekte Ausrichtung wurde zuerst deren Länge und Weichteilunterstützung intraoral überprüft. Anschließend wurden der palatinale und linguale Anteil der Wachswallfront reduziert, um der Zunge mehr Platz zu geben und dem Patienten das Sprechen zu erleichtern (Abb. 24 bis 26). Bei der Kieferrelationsbestimmung wurde deutlich, dass der Musculus orbicularis oris einen starken Tonus aufwies, was den Prothesenhalt reduzieren könnte. Daher wurde dem Muskel die Möglichkeit gegeben, sich an den Oberflächen der Registrate anzulagern, ohne dass dieser destabilisierend wirkte (Abb. 27 bis 30). Das sollte einen guten Halt der definitiven Prothese gewährleisten. Abschließend wurden die Wachswälle über retentive Einkerbungen miteinander verschlüsselt (Abb. 31 und 32).

Modellanalyse und Aufstellung
Die Modelle wurden bei der Artikulation auf die Campersche Ebene ausgerichtet. Die Durchführung der Modellanalyse erfolgte nach Prof. A. Gerber. Sämtliche Informationen wurden dabei auf das Modell übertragen (Abb. 33 bis 41). Im Unterkiefer wurde die Mitte des Kieferkamms für eine kammstabile Aufstellung und die Stopplinie vermessen und eingezeichnet, um das Proglissement zu vermeiden. Die Modellanalyse zeigte nicht nur, wo die Zähne aus funktionellen Gründen aufgestellt werden sollten, sondern gab auch hinsichtlich der Zahnauswahl einen Hinweis auf die mesio-distale und vertikale Dimensionierung. Zur Auswahl der passenden Frontzahnform im Labor diente zusätzlich ein altes Patientenfoto mit der natürlichen Bezahnung des Patienten. Im Artikulator konnten die Zähne anhand des patientengerecht ausgerichteten Wachswalls nach und nach aufgestellt werden. Für die Frontzahneinprobe in Wachs wurden zusätzlich auch die Prämolaren aufgestellt, da die alleinige Aufstellung der Front dem Patienten zu wenige Anhaltspunkte gegeben hätte (Abb. 42 bis 46). Nachdem Behandlerin und Patient mit dem Zwischenergebnis zufrieden waren (Abb. 47), konnte die Aufstellung mit den verbliebenen Zähnen der Vitapan Lingoform Zahngarnituren komplettiert werden.

Umsetzung und ­Individualisierung
Nach der Umsetzung in Kunststoff und der Kontrolle der Okklusion (Abb. 48) erfolgte die Ausarbeitung der Prothesenbasen. Anschließend wurde die Individualisierung der Lippenschilder mittels Cut-back-Verfahren begonnen. Zuvor wurde die Form der Lippenschilder mit Silikon verschlüsselt. Anschließend folgte die kontrollierte Reduktion der labialen Anteile, um in diesen Bereichen mit den lichthärtenden Kompositmalfarben Vita Akzent LC das Farbspiel der mukogingivalen Anatomie zu reproduzieren. In einem nächsten Schritt wurden auch die Zähne mit Vita Akzent LC charakterisiert. Der Silikonschlüssel diente abschließend zur Formgebung der Ausgangsmorphologie mit transparentem PMMA. Nach finaler Ausarbeitung und Politur waren die beiden Totalprothesen bereit, um für die definitive Eingliederung in die Zahnarztpraxis verschickt zu werden (Abb. 49 bis 55).

Eingliederung und Fazit
Die fertiggestellten Prothesen wurden vor der definitiven Eingliederung nochmals auf scharfe Kanten und stark unter sich gehende Stellen überprüft. Die Kontrolle der Randlänge war schließlich das erste, was intraoral erfolgte. In einem nächsten Schritt wurden die Ventilwirkung und die Weichteilanlagerung überprüft. Die Begutachtung der statischen und dynamischen Okklusion wurde zuletzt vorgenommen, da wegen der folgenden Weichgewebsanlagerung zunächst nur offensichtliche okklusale Vorkontakte entfernt wurden. Die erste Nachkontrolle erfolgte nach einem Tag, die zweite nach einer Woche, wobei hier wegen des unharmonischen Unterlippenschwungs die Zähne 11 und 21 etwas modifiziert wurden. Die patientenindividuelle Rehabilitation gab dem Patienten seine gewünschte Persönlichkeit und die Funktion zurück (Abb. 56 bis 64). Die zahnärztlich-zahntechnische Teamarbeit hatte aus dem ­Vitapan Excell und dem Vitapan Lingoform eine patientenindividuelle Versorgung entstehen lassen. So wurden am Ende Zähne eingegliedert und keine Prothesen.

Ztm. Fernando Pasamontes

  • 4-jährige Berufsausbildung zum Zahntechniker, berufsbegleitende Unternehmensschulung S14
  • Zahntechnikermeister seit 1991
  • Prüfungsexperte an der Berufsschule und Meisterschule
  • Laborinhaber seit 1996 in Zug/Schweiz
  • 30-jährige Zusammenarbeit mit diversen Schweizer Universitäten in der Fest-, der abnehmbaren und Tumor-Prothetik

Dr. Iris Kraljevic

  • Studium der Zahnmedizin an der Eberhard Karls Universität in Tübingen (2003–2008), 2-jährige Assistenz in Stuttgart (2008–2010)
  • 2011–2012 angestellte Zahnärztin in Oberaichen bei Stuttgart
  • 2012 Weiterbildungsassistentin in Basel, Abteilung für Rekonstruktive Zahnmedizin 
  • Promotion 2017
  • Mutterschaft 2018 und 2024
  • 2020 Titel Fachzahnärztin für Rekonstruktive Zahnmedizin (SSRD/SSO)
  • Zahnärztin in Teilzeit in der Gemeinschaftspraxis Zahnmedizin Zürich Nord bis heute
  • Vorstandsmitglied SSRD seit 2015 bis heute

Kontakt
Dr. Iris Kraljevic
ikraljevic@prophylaxezentrum.ch

Literaturhinweis
[1] Fiske J, Davis DM, Frances C, Gelbier S. The emotional effects of tooth loss in edentulous people. Br Dent J 1998 Jan 24; 184(2): 90–3.
[2] Frush JP, Fisher RD. Complete Dentures: The dynesthetic interpretation of the dentogenic concept. J Prosthet Dent 1958; 8(4): 558–581.

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52 - Die fertig ausgearbeitete und polierte totalprothetische Arbeit präsentierte sich schon extraoral absolut natürlich.

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