Bericht
Grundlagen & Forschung
31.03.22
Grundlagen für die Anwendung
Galvanoforming: Eine Technik, die heute Gold wert ist – Teil 1
Adhäsion, Doppelkronentechnik, Galvanisieren, Galvano-Doppelkrone, Galvanoforming, Gefüge, Gold, Kohäsion
Von vielen begehrt, von manchem vergessen, von vielen wiederentdeckt. Nachdem die CAD/CAM-Technologien scheinbar vielen dentalen Technologien den Rang abgelaufen haben, hat in der Zahntechnik ein seit Jahrzehnten verlässliches Verfahren nach wie vor Hochkonjunktur: Galvanoforming.
In dieser Artikelserie wird das Thema von verschiedenen Seiten beleuchtet. In Teil 1 werden die Grundlagen des Galvanoformings und der Anwendung in der Doppelkronentechnik beleuchtet. Zudem wird für eine bewährte Technik sensibilisiert, deren Beherrschen für den Zahntechniker Gold wert sein kann. Denn für kaum eine Fertigungstechnik ist die deutsche Zahntechnik so berühmt wie für ihre Doppelkrone. Die Galvanotechnik spielt in diesem Segment oft eine Protagonistenrollen.
Alles, nur nicht oberflächlich
Grundsätzlich hat sich der Einsatz von Gold beziehungsweise von Goldlegierungen im Dentallabor drastisch reduziert. Gründe dafür betreffen nicht etwa werkstoffkundliche Nachteile, sondern entstammen dem gesellschaftlichen Wandel und insbesondere der Preisentwicklung bei Edelmetallen sowie den veränderten ästhetischen Ansprüchen von Patienten. Nach wie vor hat Gold seine Anhänger in Praxis, Labor und Hochschule – zu Recht. Gold ist langlebig und widerstandsfähig. Gold ist beständig gegen Korrosion, vergleichsweise weich und hat duktile Eigenschafen. Gold ist unlöslich und als Monometall biokompatibel. Gold hat bei bestimmten Indikationen seine absolute Berechtigung und viele treue Fans. Sie lassen heute Restaurationen beispielsweise aus goldhaltigen Legierungen CAD/CAM-gestützt fräsen.
Ein Bereich, in dem Gold einfach unersetzlich ist, ist das Galvanoforming.
Galvanoforming bezeichnet in der Zahntechnik einen elektrochemischen Prozess, bei dem Gerüste aus Feingold hergestellt werden. Das Gold befindet sich bei dem galvanischen Vorgang in gelöster Form im Elektrolytbad und setzt sich auf dem zu beschichtenden Objekt dünn ab. Einerseits wird aufgrund des direkten Abscheidens auf dem Objekt (zum Beispiel Duplikatmodell, Primärkrone) eine ideale Passgenauigkeit erreicht. Andererseits resultiert aus der galvanischen Abscheidung eine hohe Härte. Die Beliebtheit des dentalen Galvanoformings ist zu einem großen Teil der Doppelkrone zu verdanken (Abb. 2) und damit einem Bereich, für den die deutsche Zahntechnik weltweit bekannt ist: Kombinationsprothetik. Das Anfertigen galvanisch geformter Sekundärgerüste hat im Bereich der herausnehmbaren Restaurationen die Zahntechnik revolutioniert. Das Wissen und die Erfahrung, die von Zahntechnikern, Zahnärzten, Wissenschaftlern und Dentaltechnologen in diesem Bereich zusammengetragen wurden, sind heute im wahrsten Sinne des Wortes Gold wert. Das sichere Beherrschen dieser Technologie sollte an junge Zahntechniker weitergegeben werden, denn das Potenzial des dentalen Galvanoformings ist groß und wird auch in Zukunft nicht an Relevanz verlieren.
Die Kunst präziser Oberflächen
Die Galvanotechnik ist ein Bereich der Elektrochemie und erfasst alle chemischen und elektrochemischen Prozesse der Metallabscheidung inklusive der Vor- und Nachbearbeitung (Reinigen, Entfernen, Passivieren et cetera). Im Allgemeinen versteht man unter dem Galvanisieren die elektrochemische Beschichtung von Gegenständen mit einem Metall. Galvanische Schichten werden abgeschieden, um einer metallischen oder nichtmetallischen Oberfläche bestimmte Eigenschaften zu verleihen. Zudem kann das Galvanisieren zum Schutz einer Oberfläche dienen.
Die Geschichte der Galvanotechnik führt in das 18. Jahrhundert und beginnt etwas exotisch; nämlich bei Froschschenkeln. Der italienische Arzt und Biophysiker Luigi Galvani entdeckte durch Experimente mit Froschschenkeln die Kontraktion der Muskeln, wenn diese mit Kupfer und Eisen in Berührung kamen und dabei verbunden wurden. Er stellte somit zufällig einen Stromkreis aus zwei Metallen, einem Elektrolyten („Salzwasser“ im Froschschenkel) und einem „Stromanzeiger“ (Muskel) her. Später führte Alessandro Volta die von Galvani begonnenen Experimente fort und entdeckte das Prinzip der Batterie und damit die Umwandlung von chemischer in elektrische Energie. Im Jahr 1837 erfand Moritz Hermann von Jacobi ein Verfahren, bei dem mit einer elektrisch leitfähigen Graphitschicht nicht leitende Materialien wie Holz oder Gips galvanisch verkupfert werden konnten. Ernst Werner von Siemens entdeckte im Jahr 1866 das dynamoelektrische Prinzip, das die wirtschaftliche Nutzung der Galvanotechnik im industriellen Rahmen ermöglichte. Heute wird das Galvanisieren in unterschiedlichen Bereichen eingesetzt, etwa in der Werkzeugtechnik, der Automobil- und Luftfahrtindustrie oder eben im Dentalbereich. Die Technologie der elektrochemischen Beschichtung wird vor allem dort eingesetzt, wo hohe Präzision gefordert ist.
Einfach eine Schicht schlauer
In der Zahnmedizin gilt die Doppelkrone und speziell das Sekundärgerüst als primäre Indikation für den Einsatz des Galvanoformings. Das war nicht immer so, wie ein kurzer Rückblick auf die dentale Geschichte zeigt. In den 1930er-Jahren wurden abrasionsresistente Modellstümpfe galvanotechnisch und Anfang der 1960er-Jahre galvanische Goldgerüste hergestellt. Die elektrochemisch abgeschiedenen Gerüste wurden mittels Angusstechnik zum Zahnersatz komplettiert. Später konnten galvanische Gerüste keramisch verblendet werden. Problematisch waren damals unter anderem die verwendeten toxischen Kalium-Gold-Zyanid-Bäder. Im Jahr 1983 erfand Horst Wissmann mit dem Platamic-Verfahren ungiftige zyanidfreie Galvanisierbäder. Allerdings war die Technik aufwendig und nur in speziellen Galvanisierzentren einsetzbar. 1989 entwickelte die Firma Wieland (Pforzheim) eigens für Dentallabore ein vollautomatisch arbeitendes Galvanisiergerät (Auro-Galva-Crown-System, AGC; heute im Vertrieb von C. Hafner).
Zahntechnikern stand mit diesem System erstmals ein praxistaugliches Verfahren zur Verfügung, das eine gleichmäßig hohe Galvanisierqualität erlaubte. Das Verfahren entwickelte sich während der Folgejahre kontinuierlich weiter. Heute gibt es nur noch wenige Anbieter von dentalen Kleingalvanisierungsgeräten. Einer davon ist C. Hafner (Pforzheim). Das Unternehmen kann mit der Helioform-Geräteserie viele Jahre Erfahrung im Bereich der Galvanotechnik vorweisen. Jüngst hat C. Hafner die ehemalige Wieland-Galvanosparte (AGC-Geräte) von Ivoclar Vivadent übernommen und gilt damit als einer der Marktführer für das dentale Galvanoforming in Deutschland. Mit modernen Geräten (beispielsweise Helioform, AGC Micro Vision) lassen sich viele Indikationen der dentalen Galvanoprothetik abdecken (Abb. 3 und 4). Dazu gehören in erster Linie die Doppelkronentechnik und Implantatsuprastrukturen.
Die Vorteile von Galvano-Sekundärstrukturen im Überblick:
■ Hohe Passung des Sekundärteils auf dem Primärteil
■ Hohe Vickershärte
■ Adhäsiver Effekt zwischen Primär- und Sekundärteil
■ Verschleißfreies Gleiten
■ Effiziente Herstellung
■ Geringes Gewicht
Galvanisieren: Schichten mal anders
Das Abscheiden des Sekundärgerüsts auf die Primärkrone (zum Beispiel aus CoCr oder ZrO2) erfolgt direkt auf die mit Leitsilberlack bedeckte Oberfläche. Das Galvanisierungsverfahren selbst beruht auf der Elektrolyse. Grundbaustein ist eine Elektrolysezelle, die sich aus einer Anode (positiver Pol), einer Kathode (negativer Pol) und dem Elektrolyten (optisch glasklares Bad) zusammensetzt (Abb. 5). Die Anode besteht aus einem platinüberzogenen Titanstäbchen. An der Kathode befindet sich das zu galvanisierende Objekt, beispielsweise die mit Leitsilberlack benetzte Primärkrone (Abb. 6 und 7). Der Lack auf der zu galvanisierenden Fläche stellt die Leitfähigkeit als Voraussetzung für das Abscheiden der Metallionen her (Abb. 8 und 9). Während des Galvanisierungsprozesses ist das Objekt vollständig vom Elektrolyt umgeben. Der Stromfluss für die Ionenabgabe wird über verschiedene Salze erreicht (Abb. 10 bis 12). Zudem sind im Galvanobad pH-Puffer, Stabilisatoren und Glanzbildner-Zusätze vorhanden. Der Glanzzusatz steuert den Aufbau einer gleichmäßigen Goldschicht. Der Abscheidungsvorgang wird von einem Mikroprozessor gesteuert.
Das Galvanisieren mit einem modernen Kleingalvanogerät bietet hohe Prozesssicherheit und präzise Ergebnisse. Wichtig ist das Beachten der vom Hersteller geforderten Rahmenbedingungen, wie etwa ein sauberes galvanisches Bad, die exakte Dosierung der Zusätze sowie die sichere Stromzufuhr. Das Helioform HF 700 von C. Hafner und das AGC Micro Vision (ehemals Wieland, jetzt C. Hafner) sind zeitgemäße Galvanogeräte, die ein flexibles und effizientes Arbeiten gewähren. Komfortabel und prozessorientiert ist beispielsweise die Bedienung über einen Touchscreen. Vorinstallierte Parameter vereinfachen die Programmierung. Außerdem können Schichtstärken individuell eingestellt werden. Die Zusammensetzung des Galvanobads ist komplex. Der Zahntechniker verlässt sich diesbezüglich auf die Kompetenz des Goldbad-Herstellers. Über diverse Zusätze (zum Beispiel Leitsalze, Glanzbildner, Stabilisatoren) werden die Qualität der Abscheidung und die Dauer des Vorgangs reguliert. Ergebnis der korrekten Abscheidung sind ein poren- und lunkerfreies Gefüge und eine hohe Stabilität der Galvanogerüste.
Das durch das Galvanisieren entstehende Feingoldgefüge weist aufgrund der schnellen Abscheidung eine enorm hohe Stabilität mit einer Vickershärte von bis zu 180 HV auf (Abb. 13). Würde das Feingold gusstechnisch verarbeitet werden, entstünde ein Metallgitter mit Korngrößen um 400 μm (Abb. 14), was die physikalischen Eigenschaften und insbesondere die Härte verschlechtern würde.
■ Korngröße gusstechnisch verarbeitetes Feingold = zirka 400 µm und Vickershärte = zirka 25 HV
■ Korngröße galvanisiertes Feingold = 50 µm und Vickershärte = zirka 180 HV
Spezialisten gefragt
Wesentliche Merkmale für aktuelle dentale Galvanisierungssysteme sind das ungiftige Goldbad, der geringe apparative Aufwand, das intuitive Handling sowie die hohe Prozessreproduzierbarkeit. Im Gegensatz zur CAD/CAM-Technologie wird das dentale Galvanoforming als Nische im Dentalmarkt erachtet, die sowohl auf Anwender- als auch auf Herstellerseite Spezialisten erfordert. Die Technik bietet zwar eine hohe Prozesssicherheit, allerdings muss der Anwender über die entsprechende Routine und Kompetenz verfügen. Das in den vergangenen Jahrzehnten erworbene Wissen sollte daher weitergegeben werden, denn das Potenzial des Galvanoformings für die Doppelkronentechnik ist hoch.
Die Galvano-Doppelkrone
Als Vorteile eines Sekundärgerüsts aus Galvanogold sind das sanfte Gleiten beim Ein- und Ausgliedern des Zahnersatzes sowie der Halt zu nennen, der mit diesem System erreicht werden kann. Das friktionslose und verschleißarme Gleiten des Galvano-Sekundärgerüsts unterstützt die günstige Langzeitprognose für den Zahnersatz. Bei korrekter Anwendung werden mittels Galvanoforming langzeitstabile Ergebnisse erzielt; Abnutzung ist kaum zu beobachten. Bestimmender Faktor für die Haftung ist das Vorhandensein von Flüssigkeit (Speichel) im Kronenspalt (Abb. 15). Durch die daraus resultierende hydraulische Wirkung tritt kaum Abrieb oder Haftverlust auf. Weitere Vorteile sind die gleichmäßige, geringe Stärke der Galvanogerüste sowie die hohe Biokompatibilität. Aufgrund des 99,9-prozentigen Feingoldanteils sind Korrosionserscheinungen und Unverträglichkeiten nahezu ausgeschlossen. Galvanogold ist resistent gegen Säuren, Basen und Salze.
Im Teil 2 dieser Artikelreihe gehen die Autoren Dr. Sylvia Brandt und Dr. Paul Weigl (beide Universität Frankfurt) auf Galvano-Doppelkronen ein. Sie beschreiben das Haftungsprinzip, die konkrete Vorgehensweise des Frankfurter Konzepts in Labor und Praxis sowie wesentliche Merkmale für gleichbleibend gute und stabile Ergebnisse. Retrospektive Langzeitbetrachtungen belegen den Erfolg der Galvano-Doppelkrone.
Bericht
Grundlagen & Forschung
31.03.22
Grundlagen für die Anwendung
Galvanoforming: Eine Technik, die heute Gold wert ist – Teil 1
Adhäsion, Doppelkronentechnik, Galvanisieren, Galvano-Doppelkrone, Galvanoforming, Gefüge, Gold, Kohäsion
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