Fachbeitrag

Ästhetik

13.11.22

Lebendige Lichtdynamik

Ästhetische Rekonstruktion von 12 bis 22 mit Veneers

Antonello Maria Messina und Michele Prosperino

„Alles sollte so einfach wie möglich sein – aber nicht einfacher“, bemerkte der weltberühmte Physiker und Nobelpreisträger Albert Einstein. Ähnliches gilt für eine keramische Reproduktion: Natürlich sollte die Schichtung so einfach und effizient wie möglich sein, um nicht zu verspielt und künstlich zu wirken. Natürlich hat aber auch die Einfachheit Grenzen, wenn man die Komplexität der Natur hochästhetisch wiedergeben will.

Auf feuerfesten Stümpfen hergestellte Veneers aus Verblendkeramik müssen auf engstem Raum mit dem darunter liegenden Schmelz und Dentin harmonieren und gleichzeitig die patientenindividuellen Nuancen und Effekte nachempfinden, die der Wirkung der natürlichen Zahnhartsubstanz entsprechen. Für die Harmonie sollte so einfach wie möglich die verbliebene Farbwirkung des Zahns, also die präzise bestimmte Grundzahnfarbe, bestätigt und unterstützt werden. Bei der Schmelzschichtung sind dann allerdings gestalterische Kraft und etwas mehr Komplexität gefragt, um durch gezielte Brechung, Reflexion, Absorption und Transmission des Lichts den Facettenreichtum zu reproduzieren, der den natürlichen Zähnen gerecht wird. Das keramische Verblendsystem und das Schichtkonzept sollten dabei so logisch und einfach wie möglich sein. Farbtreue zur ermittelten Zahnfarbe ist die Basis für eine erfolgreiche keramische Schichtung. Imaginationskraft und Kunstfertigkeit sind dann der Schlüssel, um ohne zu übertreiben die nötige Komplexität der natürlichen Spielarten zu realisieren.

Der Patientenfall
Eine 39-jährige Patientin wurde in der Praxis vorstellig, weil sie mit ihrem Lächeln und insbesondere mit der Form und Farbe ihrer vier oberen Schneidezähne nicht zufrieden war. Im Rahmen der klinischen Anamnese berichtete die Patientin über eine vorangegangene kieferorthopädische Behandlung im Alter von 32 Jahren, die zwei Jahre angedauert hatte. Außerdem war sie aufgrund einer aggressiven Parodontitis im Alter von 37 Jahren parodontalchirurgisch behandelt worden.
Bei der klinischen Untersuchung wurde eine Klasse-II-Malokklusion diagnostiziert. Der Oberkiefer-Frontzahnbereich zeigte sich mit multiplen Diastemata aufgefächert. Die Interdentalpapillen fehlten in der ästhetischen Zone, sodass beim Lächeln schwarze Dreiecke im zervikalen Approximalraum zum Vorschein kamen. An den oberen Schneidezähnen waren außerdem ausgeprägte bräunliche Verfärbungen zu sehen. Die Inzisalkante an Zahn 21 war frakturiert, was einen disharmonischen Schneidekantenverlauf zur Folge hatte.
Die Patientin wünschte sich eine zügige Therapie, bei der der Zahnbogen und die Zahnmorphologie nivelliert sowie die schwarzen Dreiecke geschlossen und die Verfärbungen beseitigt werden sollten. Eine erneute kieferorthopädische Behandlung lehnte sie ab. Nach eingehender Beratung favorisierte sie eine funktionelle und ästhetische Rekonstruktion von 12 bis 22 mit individuell auf feuerfesten Stümpfen hergestellten Veneers.

Diagnostik
Eine weiterführende Diagnostik und Planung sollte zuerst zeigen, ob diese rein dentale Veränderung geeignet war, um alle Wünsche der Patientin hinsichtlich einer optimalen rot-weißen Ästhetik zu erfüllen. Der Fall wurde deswegen zunächst im zahnärztlich-zahntechnischen Team analysiert.
Anhand einer Situationsabformung wurde ein Oberkiefermodell hergestellt und darauf ein idealisiertes Wax-up durchgeführt. Das Wax-up wurde diskutiert, finalisiert und zweiphasig mit einem Silikon abgeformt. Der Silikonschlüssel der Soll-Situation wurde anschließend girlandenförmig entlang des Zahnfleischverlaufs mit einem Skalpell reduziert. Fließfähiges Komposit für provisorische Kronen und Brücken wurde in den Silikonschlüssel eingefüllt und dieser intraoral repositioniert, sodass die Soll-Situation auf den Patientenmund übertragen werden konnte. Das überschüssige dualhärtende Komposit konnte in der Gelphase entlang des girlandenförmigen Verlaufs des Silikonschlüssels elegant und kontrolliert im Gingivalbereich abgeschält werden. Anhand des entstandenen Mock-ups konnte die angestrebte Soll-Situation zusammen mit der Patientin diskutiert werden. Minimal wurde nach Absprache mit rotierenden Diamanten reduziert beziehungsweise mit lichthärtendem Komposit addiert, bis die Patientin zufrieden war.
Das gewünschte Ergebnis konnte ohne weitere chirurgische oder kieferorthopädische Maßnahmen mit vier Veneers erzielt werden. Die finale Soll-Situation wurde mit Silikon abgeformt, um sich während der keramischen Schichtung hinsichtlich der Form und Dimension genau orientieren zu können.

Klinische Behandlungsschritte
Vor der Behandlung wurde die Grundzahnfarbe A2 mit der Vita classical A1–D4-Farbskala bestimmt. Um nur so viel gesunde Zahnhartsubstanz wie nötig und so wenig wie möglich zu entfernen und für eine optimale volladhäsive Befestigung der Veneers komplett im Schmelz zu bleiben, wurde unter lokaler Anästhesie eine geführte Mock-up-Präparation mit Tiefenmarkierungen durchgeführt. Nach zervikal wurde eine leichte Hohlkehle angelegt, die nach approximal und inzisal auslief. Die Schneidekanten wurden harmonisch reduziert. Nach der Präzisionsabformung mit A-Silikon diente der Silikonschlüssel des Wax-ups als Form für die provisorische Versorgung mittels Spot-Etch-Technik.

Fertigungsschritte im Labor
Nach der Herstellung des Meistermodells mit feuerfesten Stümpfen an 12, 11, 21 und 22 und dessen Artikulation zum Gegenkiefer wurde die erste Schichtung mit Vita Lumex AC Dentine A2 vorgenommen. Dabei wurde die Mamelonanatomie schon grundlegend angelegt. Es wurde auf eine ausreichende Schichtstärke geachtet, da die Dentinschicht die Grundzahnfarbe wiedergibt und damit die tragende Säule für eine harmonische Farbwirkung ist.
Ein palatinaler Silikonschlüssel half dabei, die intermittierende Mamelonanatomie in der richtigen räumlichen Position und Ausdehnung nach vestibulär zu gestalten. Es folgten die Schmelzschichtung mit Enamel light und die Wechselschichtung der Schneide mit Enamel clear, um das Farb- und Lichtspiel des Zahnschmelzes zu reproduzieren. An den Flanken wurde mit der opaleszierenden und bläulich schimmernden Effektmasse Opal Translucent opal-azure gearbeitet. Für eine kontinuierliche dreidimensionale Wirkung der Mamelonanatomie aus der Tiefe wurde diese erneut mit Mamelon honey-melon reproduziert. Die gesamte Schichtung wurde abschließend mit einer Eins-zu-eins-Mischung aus Enamel medium und Enamel clear überzogen, um der Restauration die endgültige Form und Lebendigkeit zu verleihen und den Chamäleoneffekt des natürlichen Schmelzes zu etablieren. Das darunter liegende Dentin schimmerte nach dem Brand durch diese Schmelzschicht und sorgte so für die Reproduktion der Grundzahnfarbe aus der Tiefe. Die ideale Korngrößenverteilung der Verblendkeramik führte zu einer Mikroverzahnung der Keramikpartikel, was während der Schichtung für Standfestigkeit und so für eine detailgenaue und gleichzeitig effiziente Schichtung sorgte. Für ein optimales Brandergebnis war es sehr wichtig, die feuerfesten Stümpfe korrekt in einem 45-Grad-Winkel auf dem Brennträger zu positionieren. Durch diese Lagerung der Veneers wird die Schichtung der Schneidekante während des Brands stabil gehalten, da die Ausrichtung der Keramik zur Hitzequelle der Schwerkraft entgegenwirkt. Besonderes Augenmerk wurde auf die Endtemperatur des ersten Brandes gelegt, die um circa zehn Grad mehr als bei den Herstellern angegeben erhöht wurde, da die feuerfesten Stümpfe aus Einbettmasse einen Teil der Hitze absorbieren.
Nach dem Brand zeigte sich ein formstabiles Ergebnis. Auch die opaleszierenden Kontraste der Mamelons waren, wie zuvor geschichtet, in der richtigen Position in der Schneide. Anschließend wurde mit feinen Diamanten die Morphologie und Oberflächentextur individuell finalisiert und mit einer Hochglanzpolitur der patientengerechte Glanzgrad eingestellt.

Volladhäsive Eingliederung
Etwa eine Woche nach der Abformung wurden die vier fertigen Keramikveneers in die Praxis geliefert. Nach der klinischen Einprobe mit dem neutralen Glyzerin-Gel Vita Adiva Oxy-Prevent und dem Einverständnis der Patientin konnten die Restaurationen volladhäsiv befestigt werden. Für die definitive Eingliederung fiel die Wahl auf das Befestigungssystem Vita Adiva Full-Adhesive. Auf die Reinigung der Präparationen folgte die absolute Trockenlegung mittels Kofferdam. Während die Klebeflächen der Veneers mit 5%igem Flusssäuregel (Vita Adiva Cera-Etch) geätzt wurden, wurde die Schmelzoberfläche der vier oberen Schneidezähne mit 37%iger Phosphorsäure (Vita Adiva Tooth-Etch) mikroretentiv aufgeraut. Nach dem gründlichen Spülen der Keramiken mit Wasser und der Trocknung mit dem Luftbläser wurden diese zusätzlich noch mit Phosphorsäure gereinigt und erneut gespült. Die abschließende Reinigung der Veneers erfolgte mit 97%igem, reinem Alkohol im Ultraschallbad. Die Klebeflächen der Restaurationen wurden nach der Trocknung für einen chemischen Verbund zum Befestigungskomposit mit Silan konditioniert (Vita Adiva C-Prime) und das Adhäsiv (Vita T-Bond) wurde dünn auf die Präparationsoberflächen und die Klebeflächen der Veneers aufgetragen. Die Befestigung der Feldspatkeramik-Veneers erfolgte mit dem farbneutralen, dualhärtenden Befestigungskomposit Vita F-Cem.

Schlussfolgerungen
Die Korrektur ästhetischer Defekte mit keramischen Veneers wird zunehmend auch bei Erwachsenen mit vorangegangener kieferorthopädischer Behandlung eingesetzt. Der Vorteil, diese Patientinnen und Patienten mit dünnen Keramikschalen ästhetisch zu rehabilitieren, liegt vor allem in der kurzen Zeit, in der ein hochästhetisches Ergebnis erreicht werden kann. Der Zahnschmelz wird dabei nicht oder nur minimal beschliffen, um Imperfektionen hinsichtlich Form, Stellung und Farbe korrigieren zu können. Das universelle und facettenreiche Verblendkeramiksystem Vita Lumex AC hatte auf engstem Raum nicht nur eine farbtreue Reproduktion der Grundzahnfarbe ermöglicht, sondern auch den Effektreichtum des darüberliegenden Schmelzes entstehen lassen. Mit einer effizienten Schichtung waren ein leuchtender Dentinkern, eine ausgewogene Opazität und Transluzenz, individuelle Farbeffekte und eine natürliche Opaleszenz und Fluoreszenz entstanden. Dank der Materialeigenschaften war alles so einfach wie möglich. Zahntechnische Kunstfertigkeit und Imaginationskraft sorgten an den richtigen Stellen für den nötigen Grad an Komplexität einer natürlichen und patientenindividuellen Wirkung.
Bei einer Kontrolle nach einem Jahr zeigten sich die vier Restaurationen perfekt integriert; die Mundhygiene konnte ohne Hindernisse durchgeführt werden. Gingiva und Parodontium zeigten keinerlei Entzündungszeichen. Die Patientin war mit dem ästhetischen Endergebnis absolut zufrieden.

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