Fachbeitrag

Totalprothetik

10.05.23

Totale mit Twist

Individuelle, ästhetisch-funktionelle Frontzahnaufstellung

Ztm. Markus Stang

Auch im Bereich Totalprothesen werden die Patienten zunehmend anspruchsvoller und wünschen sich individuelle Lösungen. Damit das wirtschaftlich bleibt, setzt der Autor als Basis auf eine Premium-Zahnlinie, deren Stellung und Oberflächenmorphologie er mit einfachen Kniffen natürlicher und individueller gestaltet.

Die Grundlage meiner individuellen Frontzahnaufstellung im Beispiel bildet ein standardisiertes 28er, welches ich in Wachs aufstelle. Die Okklusionskontakte sollten schon vorhanden sein. Auch Laterotrusion und Protrusion sollten nahezu funktionieren. Die Zähne sind zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht eingeschliffen. Ich verwende für diesen Fall die Seitenzähne Pala Premium 8 S und SL und vorerst die Frontzähne Pala Premium 6 L18 und R4 von Kulzer (Abb. 1 und 2).

Situation
Zur Inspiration für die individuelle Gestaltung von Frontzahnsituationen nutze ich gerne meinen Patientenfotofundus. Hilfreich sind auch ältere Fotos (Abb. 3 bis 5) und Situationsmodelle (Abb. 6 und 7) des Patienten, wie sie für diesen beispielhaften Fall herangezogen wurden.

Oberflächengestaltung
Die Pala Premium Frontzähne weisen bereits eine charakteristische Schichtung auf und verfügen über markante Formmerkmale wie Leisten und Furchen, dennoch geben sie genügend Raum, um die Oberfläche zusätzlich individuell zu charakterisieren (Abb. 8). Die Gegenüberstellung der bearbeiteten Oberflächen der Zähne 13 bis 11 und der unbearbeiteten Oberflächen der Zähne 23 bis 21 zeigt deutlich die Wirkung der Individualisierung (Abb. 9).
Die Abbildungen 10 bis 20 zeigen die Abfolge der Schritte bei der Bearbeitung der Oberflächenmorphologie. Mit verschiedenen Diamantschleifern werden Furchen, Wülste, Lichtleisten, Mamelons, Reflexionsflächen, Texturen und Perikymatien angelegt und die Oberfläche abschließend mit einem Ziegenhaarbürstchen bei niedriger Drehzahl manuell poliert.

OK-Front individuell aufstellen
Anhand des Situationsmodells suche ich eine passende Zahnform für den Oberkiefer aus, hier ist es die Premium 6 S4 (Abb. 21). Anschließend wird Zahn für Zahn ausgetauscht und entsprechend der Vorgabe des Situationsmodells individuell platziert. Als erstes stelle ich die beiden mittleren Inzisiven neu auf und überprüfe die Protrusion (Abb. 22), die beiden Zweier drehe ich mit der mesialen Kante leicht nach labial (Abb. 23). Es entsteht eine Frontzahnsituation mit intrudierten mittleren Einsern. Auch die Eckzähne stelle ich nach der individuellen Vorgabe des Situationsmodells auf (Abb. 24). Es folgt der finale Vergleich der individuellen Aufstellung der Front im Oberkiefer mit dem Situationsmodell (Abb. 25).

UK-Front individuell aufstellen
In diesem Fall konnte ich die Frontzähne im UK weiterverwenden, da die Form gut harmonierte. Für die Individualisierung breche ich die Zähne trotzdem aus der Aufstellung heraus (Abb. 26) und positioniere sie dann neu. Ich starte mit der rechten Seite, von 43 bis 41 (Abb. 27 und 28), danach folgt die linke Seite, von 31 bis 33 (Abb. 29). Auch hier orientiere ich mich an den vorhandenen Situationsmodellen. Die Abbildungen 6 und 7 zeigen die Frontzähne von anterior, während sie in den Abbildungen 30 und 31 von inzisal zu sehen sind. Als Nächstes widmen wir uns den Seitenzähnen, denn diese müssen trotz individueller Frontzahnaufstellung wieder voll funktionsfähig werden.

Hinweis:
Wichtig: Die Funktion der Seitenzähne sollte möglichst erhalten bleiben. Sollte dies auf Anhieb nicht möglich sein, sollte der Unterkiefer im nächsten Schritt entsprechend angepasst werden.

Nachrücken der Prämolaren und Eckzähne
In vielen Fällen harmoniert die neue Frontzahnsituation noch nicht optimal mit der vorhandenen Seitenzahnaufstellung. Deshalb rücke ich nun die Prämolaren in ihre neue Position und gebe den Eckzähnen ein „Feintuning”, sodass ein harmonischer Übergang zu den Vierern entsteht. Anschließend verschwämme ich alle Zähne stabil mit rosa Wachs (Abb. 32 und 33).

Ausmodellieren
Als Erstes schneide ich mit einem spitzen Wachsmesser die Zahnhälse aus und entferne danach die Überschüsse von den Zahnoberflächen. Bereits bei diesem Schritt achte ich auf den natürlichen Verlauf des Zahnfleischsaumes (Abb. 34 und 35). Mit einer Künstlerfeder steche ich im zweiten Schritt die Interdentalräume sauber aus und verfeinere die marginalen Übergänge (Abb. 36), anschließend modelliere ich die Wurzelfortsätze mit der löffelförmigen Rückseite des Wachsmessers (Abb. 37). Für das natürliche Erscheinungsbild benutze ich eine Zahnbürste mit harten Kunststoffborsten (Abb. 38), abschließend modelliere ich das Lippenbändchen mit einer Sonde (Abb. 39). Alle verwendeten Modellationswerkzeuge sind in Abbildung 40 zu sehen.

Funktionelles Einschleifen
Wenn das Wachs erkaltet und endgültig entspannt ist, können die Zähne eingeschliffen werde. Hier gilt das Motto: Ästhetik durch Funktion, ich vergleiche bei den Funktionsbewegungen die Kontakte der Front mit den Abrasionsflächen der Situationsmodelle (Abb. 41 und 42) und schleife an der Aufstellung entsprechend ein (Abb. 43). Nun bekommen auch die Seitenzähne einen funktionellen Feinschliff, um die Arbeits- und Balancekontakte zu optimieren (Abb. 44). Den abschließenden Vergleich mit der Situation zeigen die ­Abbildungen 45 und 46. Zum Schluss wird die Aufstellung in Zentrik und Funktion überprüft und final ausmodelliert (Abb. 47 bis 49). Nun sind die Prothesenkörper in Wachs bereit für die Einprobe (Abb. 50).

Fazit
Trotz individueller Aufstellung bleibt die Funktion der Prothese nicht auf der Strecke. Mit einfachen Tricks und ein paar kleinen Kniffen kann dem Patienten sein natürliches Aussehen zurückgegeben werden. Nicht jeder wünscht sich eine kerzengerade Front in der obligatorischen A2, die meisten Patienten freuen sich sehr über ein wenig Individualität und Natürlichkeit.

Vita:
Ztm. Markus Stang ist ein sehr erfahrener Referent im Bereich keramischer Restaurationen mit ästhetischem Anspruch. Dabei legt er Wert auf innovative und verantwortungsbewusste Gerüstgestaltung mit CAD/CAM. Er ist Willi-Geller-Ästhetik-Preisträger und gibt seine Kenntnisse nun in der Prothetik weiter.

Kontakt
Markus Stang
69214 Eppelheim
Fon +49 176 3464 1514
stangmarkus@arcor.de
www.zahntechnik-stangmarkus.jimdofree.com

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Ztm. Markus Stang

50 - Die Prothesenkörper in Wachs wirken in Frontzahn- und Gingiva-Individualisierung sehr natürlich.

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