Fachbeitrag

Ästhetik

25.03.22

Vom Dia (1999) bis zur Digitalfotografie (2018)

Dentaler Zeitraffer vollkeramischer Versorgungen im ästhetischen Bereich

Ästhetik, Backward Planning, CAD/CAM, Frontzahnversorgung, Implantatinsertion, Internes Bleaching, Kronenblock, Minimalinvasiv, Veneer, Verblendkeramik, Wax-up, Wurzelspitzenresektion, Zirkonoxidgerüst

Anja Krüßmann, Ludger Schlütter, Richard Kleinsman

„Fotografieren heißt den Atem anzuhalten, wenn sich im Augenblick der flüchtigen Wirkung all unsere Fähigkeiten vereinigen“, beschrieb der Fotograf Henri Cartier-Bresson (1908 – 2004) seine Leidenschaft für Fotografie und Bildkomposition. Eine Situation, die alle Zahntechniker kennen, die sich mit Dentalfotografie beschäftigen, um ihre Versorgungen nach vielen, detailversessenen Mühen abschließend ins rechte Licht zu rücken und als Bestätigung der eigenen Schaffenskraft festzuhalten. Das Bild bleibt, die Versorgungen sind ab dem Moment der Eingliederung dem natürlichen Verschleiß unterworfen. Das nachfolgende Fallbeispiel wurde bereits mit Dias und später Digitalfotografien dokumentiert. Somit bietet sich dem Leser die dentale Historie einer Patientin von 1999 bis 2018. Dies ermöglicht einmalige Einblicke hinsichtlich der Entwicklung von Zahnersatz.

Die in diesem Beitrag vorgestellte Patientin wurde nach einem Frontzahntrauma in drei Etappen (von 1999 bis 2018) vollkeramisch in der ästhetischen Zone versorgt. Vier Dinge verdeutlicht der dentale Zeitraffer in seiner Chronologie: Die Fotografie hat in knapp 20 Jahren eine enorme Entwicklung erfahren. Die Verblendkeramikgenerationen der Vita Zahnfabrik entwickeln sich im Verlauf immer weiter, werden immer umfassender und facettenreicher. Die Zahnsubstanz als Restaurationsgrundlage verschlechtert sich in der klinischen Langzeitbeobachtung. Die künstlerische Akribie, der Wille und die Freude zur Hochästhetik bleiben.

Analoge Kunstfertigkeit – die klinische Situation 1999

Rund 20 Jahre war es her, dass eine Patientin als Kind auf ihre mittleren Schneidezähne gestürzt war. Die Kronenfraktur blieb nicht ohne Folgen. Im klinischen Verlauf mussten die Zähne 11 und 21 erst wurzelkanalbehandelt und schließlich wurzelspitzenreseziert werden. Lange Zeit behalf man sich mit Kompositaufbauten, die immer wieder erneuert werden mussten, und nach 20 Jahren nicht mehr den ästhetischen Ansprüchen der Patientin gerecht wurden (Abb. 1). Generell zeigten sich die beiden Zähne beschwerdefrei. Trotz der eingekürzten Wurzeln war kein Lockerungsgrad diagnostizierbar. Die parodontale Sondierung ergab keine Anzeichen für eine Entzündung beziehungsweise einen Knochenabbau. Auch der röntgenologische Befund war ohne Besonderheiten. Allerdings wirkten die bestehenden Kompositaufbauten leblos und zeigten keine natürliche Oberflächentextur. Die Patientin wünschte sich natürlich wirkende Versorgungen, die sich harmonisch in das Gesamtbild einfügen sollten. Dabei legte sie Wert auf ein möglichst schonendes Vorgehen, da die Zähne ohnehin schon eine starke Schädigung aufwiesen. Trotz des Risikos einer möglichen Überlastung entschied sich die Patientin deswegen nicht für einen Vollkronenblock an den Zähnen 11 und 21, sondern für einzelne Veneerversorgungen. Präprothetisch wurde ein internes Bleaching geplant, um die nach dem Trauma verfärbte Zahnhartsubstanz aufzuhellen. Die natürlichen Nachbarzähne sollten auf Wunsch der Patientin zusätzlich extern gebleacht werden, um die Restaurationen heller gestalten zu können.

Präprothetisches Vorgehen
Für das interne Bleaching wurden die beiden mittleren Schneidezähne im Oberkiefer erneut trepaniert. Die Wurzelkanalfüllung wurde einen Millimeter vom Wurzelkanaleingang in Richtung apikal abgeschmolzen und der Eingang dann mit Glasionomerzement abgedeckt (Abb. 2). Es folgte ein internes und externes Bleichen mit laseraktiviertem Wasserstoffperoxid an den Zähnen 11 und 21 (Abb. 3). Nachdem die beiden mittleren Schneidezähne das gewünschte Bleichergebnis zeigten, wurde auch die restliche ästhetische Zone auf die gleiche Weise extern gebleicht (Abb. 4). Nach Neutrali­sation des sauren Milieus in den Trepanationsöffnungen mit Natriumhypochlorit konnten die Öffnungen adhäsiv verschlossen werden. Für die direkte provisorische Versorgung wurde die Ist-Situation mit einem Silikonschlüssel eingefroren. Darauf folgten die vestibuläre Veneerpräparation im Schmelzbereich der mittleren Oberkieferschneidezähne (Abb. 5) und die Präzisionsabformung. Mithilfe des Silikonschlüssels erfolgte die intraorale Herstellung der Provisiorien mit fließfähigem Kompositmaterial. Nach einer Woche erfolgte eine abschließende Zahnfarbbestimmung mit dem Vita Toothguide 3D-Master, um die Nachdunklung der Zahnhartsubstanz in die Farbinformation einfließen zu lassen.

Veneerherstellung mit Vita Omega 900
Auf Grundlage der Abformung konnte ein Meistermodell mit feuerfesten Stümpfen der Zähne 11 und 21 hergestellt werden. Die Schichtung erfolgte mit der damals ersten Feinstruktur-Feldspatkeramik von Vita, der Omega 900 (Abb. 6 und 7). Die Feinstruktur ergibt sich aus einer homogenen Verteilung der Glas-, Sinter- und Kristallphase, die sich seither in allen Verblendkeramiken der Vita Zahnfabrik etabliert hat. Die homogene Verteilung im Gefüge verhindert Spannungsrisse, da zwischen Leuzit- und Glasphase keine großen WAK-Unterschiede herrschen. Die Leuzitkristalle sind mit etwa 3 μm Durchmesser fein dispers verteilt. Neben einer generellen Verbesserung der physikalischen Eigenschaften sorgt die Feinstruktur außerdem für eine einfache Bearbeitung und Politur. Das schmelzähnliche Abrasionsverhalten schont die Antagonisten und beugt im klinischen Verlauf Para­funktionen vor. Die Metallkeramik Vita Omega 900 war universell auf allen Legierungen einsetzbar und respektierte dabei auch die Warmfestigkeit hochgoldhaltiger Legierungen, da die Brenntemperatur auf 900 °C reduziert worden war. Eine klassische Standardschichtung konnte generell mit Vita Omega 900 Wash Opaque, Opaque, Opaque Dentine, Dentine und Enamel erreicht werden. Vor der finalen Ausarbeitung wurden die Leisten und die Oberflächentextur mit Bleistift angezeichnet, um zielgerichtet vorgehen zu können (Abb. 8). Mit einer feindiamantierten Flamme wurde die Leistenstruktur ausgearbeitet. Nach der Gummierung wurden mit einer abgenutzten Flamme Perikymatien eingearbeitet. Um die geschaffene Oberflächentextur zu erhalten, wurde der Glasurbrand anschließend ohne Glasurmasse beziehungsweise Finishing Agent durchgeführt. Der richtige Glanzlevel wurde abschließend mit Ziegenhaarbürste und Bimsmehl eingestellt. Nach dem Legen von Retraktionsfäden in den Sulkus (Abb. 9) konnten die Veneers nach Flusssäureätzung und Silanisierung volladhäsiv eingegliedert werden (Abb. 10 bis 12). Vom Vorgehen her also grundsätzlich kein Unterschied zur heutigen Zeit. Auch das ästhetische Ergebnis muss den Vergleich mit den heutigen Verblendergebnissen nicht scheuen: Die Restaurationen integrierten sich harmonisch in den Zahnbogen und wirkten sehr natürlich. Die Patientin zeigte sich mit dem Behandlungs­ergebnis absolut zufrieden, bis es neun Jahre später, im Jahr 2008, zu einem Zwischenfall kam.

Die digitale Ära beginnt – die klinische Situation 2008

Während die beiden vorangegangenen Abschlussbilder in Form von Dias die beiden Veneers noch immer in all ihrer Schönheit zeigten (vgl. Abb. 11 und 12), hatten Beiß- und Kaukräfte in der klinischen Realität ihre Spuren hinterlassen. Zwar hatte das Veneer bis zuletzt den Kräften getrotzt, der von der Wurzelkanalbehandlung ge­schwächte Zahnstumpf 21 hatte der Belastung allerdings nicht mehr standhalten können (Abb. 13). Gut neun Jahre hatte die Versorgung gehalten. Die Patientin war über das Frakturrisiko aufgeklärt worden, hatte sich damals jedoch trotzdem ausdrücklich für die minimalinvasiven Veneers entschieden. Der Frakturverlauf verlief größtenteils supragingival. Allerdings wurde aufgrund der starken Schädigung und der minimierten Retention eine erneute Einzelzahnversorgung ausgeschlossen. Ein Implantat lehnte die Patientin zum damaligen Zeitpunkt ab. Sie wollte ihr natürliches Zahnmaterial noch so lange wie möglich erhalten. Die Entscheidung fiel deswegen auf einen vollkeramischen Kronenblock an den Zähnen 11 und 21, um auftretende Kräfte auf die zwei Restzähne verteilen zu können. Erneut wurde die Zahnfarbe mit dem Vita Toothguide 3D-Master eruiert (Abb. 14). Und auch dieses Mal wurde die Patientin auf die Risiken der gewählten Versorgungsform hingewiesen. Denn infolge der Wurzelspitzenresektionen waren beide Wurzeln kurz und somit nicht mehr optimal knöchern verankert. Zahn 21 war zudem aufgrund der Fraktur stark geschädigt.


Präprothetisches Vorgehen
Um die ästhetische und funktionelle Beeinträchtigung zu beheben, wurde an Zahn 21 ein Glasfaserstift adhäsiv verankert und der Stumpf mit Komposit aufgebaut. Das Veneer an 11 wurde entfernt, sodass beide mittleren Schneidezähne für Vollkronen präpariert werden konnten. Aufgrund des angestrebten Kronenblocks wurde hierbei auf eine gemeinsame Einschubrichtung geachtet. Die Situation wurde mit A-Silikon abgeformt und auf dieser Grundlage wurden ein Säge- und ein Situationsmodell hergestellt. Auf dem Situationsmodell wurde ein Wax-up angefertigt (Abb. 15) und ein Silikonschlüssel von der Situation genommen, der zur direkten intraoralen Versorgung mit provisorischem Kronen- und Brückenmaterial verwendet werden konnte. Die provisorische Versorgung diente zur ersten Orientierung (Abb. 16), ob die im Wax-up erarbeitete Form den Wünschen der Patientin entsprach. Nach der provisorischen Befestigung wurde sie mit diesen Provisorien zum funktionellen und ästhetischen Testlauf bis zu einem abschließenden Besprechungstermin entlassen. Bis auf kleine morphologische Änderungswünsche im Bereich der Schneiden gab sie bei der Besprechung schließlich ihr Okay für die definitive Umsetzung. Eine abschließende präzise Zahnfarbbestimmung mit dem Vita Toothguide 3D-Master (Abb. 17), dessen Farbmuster aufgrund einer andersartigen, systematischeren Farbaufteilung den Zahnfarbraum viel dezidierter abdecken, gab Sicherheit für die patientengerechte Reproduktion. In drei Schritten wurde durch den Abgleich der Helligkeit, der Chromazität und des Farbtons die Grundzahnfarbe 1M2 ermittelt. Gerade im hochästhetischen Bereich hat sich diese Zahnfarbbestimmung mit einem vergrößerten Farbspektrum und die darauf aufbauende Reproduktion mit den entsprechend eingefärbten keramischen Massen bewährt. Zusätzlich wurde eine Schichtskizze angelegt, um spezielle Farbeffekte und die Transluzenz den natürlichen Nachbarzähnen entsprechend reproduzieren zu können.

Gerüstherstellung im Fräszentrum
Schon 2008 hielten digitale Workflows immer stärker Einzug in die zahntechnischen Labore. Allerdings wurde die Fertigung damals oft noch in externe Fräszentren ausgelagert. Das Meistermodell wurde daher auch in diesem Fall an ein spezialisiertes Fräszentrum geschickt. Dort konnte es gescannt, das Zirkonoxidgerüst designt, CAD/CAM-gestützt gefertigt und zusammen mit dem Modell wieder an das Labor zurückgeschickt werden (Abb. 18).

Vollverblendung mit Vita VM 9
Der in mehreren Ebenen geschnittene Sili­konschlüssel des Wax-ups diente immer wieder zur Dimensionskontrolle und wurde nun im Speziellen für die keramische Schichtung herangezogen. Die Schichtung erfolgte dieses Mal mit der Feinstruktur-Feldspatkeramik Vita VM 9, die mit ihrem noch größeren Gestaltungsspielraum hinsichtlich der dreidimensionalen Tiefenwirkung die Vita Omega 900 abgelöst hatte. Der Haftverbund zum Zirkonoxidgerüst, Wärme aus der Tiefe und eine Unterstützung der Grundzahnfarbe wurden durch einen Washbrand erreicht (Abb. 19 und 20). Es folgte die Schichtung des Dentinkerns aus Base Dentine 1M2, wobei zentral mit Base Dentine 1M1 ein hellerer Bereich angelegt wurde. Nach dem anatomischen Cutback wurde eine dreidimensionale Wirkung der Mamelon­strukturen mit stark fluoreszierendem Mamelon 1 (MM1/beige) etabliert. Nach dem ersten Dentinbrand (Abb. 21) konnte die Schichtung der Schmelzanteile vorgenommen werden. Mit Effect Enamel 10 (EE10/blau) und Effect Opal 1 (EO1/neutral) wurden gezielt Transluzenz- und Lichteffekte im Bereich der Leisten angelegt. Die restliche Schmelzschichtung (Abb. 22) entstand aus einer Wechselschichtung mit EE2 (pastel), EE3 (rosa transluzent) und EE9 (bläulich transluzent). Ein Halo-Effekt an der palatinalen Schneide wurde mit einer ausgewogenen Mischung aus Base Dentine 1M2, EE7 (orange transluzent) und EO1 erzeugt.
Nach dem zweiten Dentinbrand konnten die verblockten Kronen wie bei den Veneerversorgungen ausgearbeitet (Abb. 23 bis 25), das Ergebnis im Rahmen eines Try-ins bewertet (Abb. 26) und nach Abschluss aller Korrekturen der korrekte Glanzlevel eingestellt werden. Das Vorgehen bei der Ausarbeitung wurde genauso gehandhabt wie gut neun Jahre zuvor. Für die Befestigung wurde ein selbstadhäsives Befestigungskomposit verwendet (Abb. 27). Wieder wurde das Ergebnis fotografisch festgehalten (Abb. 28 bis 31). 2008 kam allerdings keine analoge, sondern eine digitale Spiegelreflexkamera zum Einsatz. Damit wurde der makellose Moment festgehalten, bevor der Kronenblock mit den darunter befindlichen Zahnstümpfen als Teil des stomatognathen Systems wieder sich selbst und der Zeit überlassen wurden.

Digitale Diagnostik und Planung – die klinische Situation 2018

Zehn Jahre lang war die Patientin mit ihrem Kronenblock an den mittleren Schneidezähnen sehr zufrieden. Sie hatte damit abgebissen, die Restauration über die Gegenbezahnung im Unterkiefer gleiten lassen, sie hatte gelächelt und gerne das natürliche Farb- und Lichtspiel ihrer beiden künstlichen Schneidezähne gezeigt. So schön, wie auf den 2008 erstellten Digitalfotografien, war der Kronenblock noch immer. Scheinbar makellos integrierte er sich harmonisch in die natürliche Restbezahnung (Abb. 32 und 33). Allerdings machte ihr – und über dieses Risiko war die Patientin bei der Behandlungsplanung aufgeklärt worden– wiederum das Fundament einen Strich durch die Rechnung. Beim Abbeißen traten Beschwerden auf. Klinisch zeigte sich ein Lockerungsgrad I der Konstruktion. Röntgenologisch waren an beiden Restzähnen leichte Aufhellungen und resorptive Vorgänge am resizierten Wurzelbereich sichtbar. Daher wurden als erste Maßnahme die beiden Zähne durch die vollkeramische Konstruktion hindurch erneut trepaniert, die Wurzelkanalbehandlungen revidiert, die Wurzelkanäle vorsichtig gespült und eine medikamentöse Einlage wurde eingebracht (Abb. 34). Bei der Revisionsbehandlung wurden keine Anzeichen für einen entzündlichen Prozess ersichtlich. Die Resorptionen wurden daher als Folge einer Überlastung eingestuft. Klar war, dass die beiden wurzelspitzenresezierten Zähne nun an ihre Grenzen gestoßen waren und eine Neuversorgung ohne die Pfeiler 11 und 21 geplant werden musste. Eine Brückenkonstruktion lehnte die Patientin ab, um die makellosen seitlichen Schneidezähne zu erhalten. Herausnehmbarer Zahnersatz kam nicht in Frage, weshalb nur noch die implantologische Versorgung als Lösung übrigblieb.

Vorbereitung und Planung
2018 wurde daher die Ist-Situation abgeformt, ein Modell hergestellt und digitalisiert. Zudem konnte ein rigider Silikonschlüssel von der Position des Kronenblocks erstellt werden, um diesen immer wieder präzise repositionieren zu können. Die DV-Tomographie hatte mittlerweile Einzug in die Praxis gehalten, was eine dreidimensionale bildgebende Diagnostik und eine virtuelle Implantatplanung ermöglichte. In der Planungssoftware wurde die Ist-Situation mit der DVT-Aufnahme gematcht, um den prothetischen Einschub der Implantate optimal auf die nahezu identischen Neuversorgungen anzupassen. Die neuen vollkeramischen Einzelkronen auf zwei Implantaten sollten dem Erscheinungs­bild des momentanen Kronenblocks entsprechen, da die Patientin mit dem ästhetischen Erscheinungsbild sehr zufrieden war. Aufgrund der eingekürzten Wurzeln war ein gutes Knochenangebot vorhanden. Auf Grundlage der digitalen Planung wurde eine Bohrschablone additiv gefertigt (Abb. 35), um bei der Implantatinsertion absolut präzise der angestrebten, hochästhetischen Soll-Situation gerecht werden zu können.

Implantation und provisorische Versorgung
Es wurde eine Sofortimplantation in Kombination mit freien Bindegewebstransplantaten und Knochenersatzmaterial ange­strebt, um die Anatomie um die Implantate nachhaltig zu stabilisieren. In einem ersten Schritt wurden zwei Bindegewebstransplantate (Abb. 36) aus dem Gaumen entnommen und diese sulkulär an 11 und 21 mit dem Periotom in Richtung kaudal tunneliert. In die entstandenen vestibulären Mukosataschen wurden die beiden freien Bindegewebstransplantate leicht überstehend platziert und mikrochirurgisch mit Einzelknopfnähten vernäht (Abb. 37). Erst dann folgte die absolut knochen- und gewebsschonende Extrusion der beiden Zahnwurzeln (Abb. 38 und 39).
Nach der Kontrolle der Alveolen und deren penibler Reinigung wurde die Bohrschablone eingegliedert und die Implantate wurden geführt inseriert (Abb. 40). Somit konnte während des Bohrprotokolls und bei der Insertion immer auf Anschlag gearbeitet werden. Zur provisorischen Sofortversorgung diente der zuvor entfernte Kronenblock, der hierfür an seinen palatinalen Anteilen freigeschliffen worden war (Abb. 41). Der Kronenblock wurde dafür mit Sekundenkleber in dem zuvor zur lagegerechten Übertragung angefertigten Silikonschlüssel befestigt. Durch diese Repositionierung konnte die Passung zwischen den aufgeschraubten provisorischen Abutments und dem Kronenblock geprüft werden. Die provisorischen Abutments (Abb. 42) wurden soweit reduziert, bis der Kronenblock in seiner ursprünglichen Lage berührungslos positioniert werden konnte (Abb. 43). Die Abutments konnten nun mittels provisorischem Kronen- und Brückenmaterial mit dem Kronenblock verbunden werden. Das Pontic Design wurde dagegen Schritt für Schritt mit lichthärtendem Komposit zur Stabilisierung der Alveole angepasst. Der Spalt zwischen Knochen und Implantaten wurde zur Stabilisierung der knöchernen Anatomie im oberen Drittel mit in Kochsalzlösung angemischtem Knochenersatzmaterial aufgefüllt (Abb. 44). Es folgte das Einschrauben des hochästhetischen und patientengerechten Provisoriums (Abb. 45 und 46) und nach dem Einbringen von Teflonbändern der Verschluss der Schraubenkanäle mit lichthärtendem Komposit (Abb. 47).

Definitive Versorgung mit Vita YZ T und Vita VM 9
Mittlerweile wurden externe Fräs- und Fertigungszentren viel seltener mit der Fertigung von Zirkonoxidgerüsten betraut, denn CAD/CAM ist inzwischen zu einem festen Bestandteil im Labor geworden. Mit der Entwicklung des ersten vorgesinterten Zirkonoxidweißlings Vita YZ T hat die Vita Zahnfabrik 2002 einen Trend gestartet, der bis heute anhält. Denn als Weißling lässt sich Zirkonoxid effizient und ökonomisch auch inhouse bearbeiten. Nach einer Einheilzeit von drei Monaten konnte mit der Herstellung der definitiven Einzelkronen begonnen werden.
Nach Abformung und Modellherstellung wurden die Gerüste aus Vita YZ T CAD/CAM-gestützt gefertigt und damit die Titanabutments zuverlässig maskiert (Abb. 48 und 49). Das Verblendprotokoll wurde analog zum vorhergehenden Kronenblock mit Vita VM 9 durchgeführt, um auch 2018 wieder das entsprechende Erscheinungsbild erhalten zu können. Schließlich war die Patientin damit zehn Jahre lang zufrieden gewesen (Abb. 50 bis 53). Ein Silikonschlüssel von der Ausgangssituation half während der Schichtung der Einzelkronen, die Dimensionen und die Morphologie zu rekonstruieren.
Bei der Einprobe und der definitiven Eingliederung gab es deswegen keine Überraschungen. Die Patientin zeigte sich mit der Neuversorgung nach den alten Kriterien äußerst zufrieden. Wieder wurde die Kamera zur Hand genommen, um den besonderen Moment zu erfassen; den Moment, in dem die zahntechnische Arbeit Eins wurde mit der Patientin (Abb. 54). Ein Moment, auf den alle Praktizierenden hingearbeitet hatten. Sie würdigte den Augenblick mit einem strahlenden Lächeln, das für immer festgehalten wurde (Abb. 55).


Dentale Zeitreise

Fast 20 Jahre lang begleitete das dentale Team die Patientin. Was im Verlauf dieser Zeitreise auffällt, ist, dass nicht das Material selbst, sondern die verbliebene Restzahnsubstanz über den klinischen Erfolg entscheidet. Wie minimalinvasiv versorgt werden kann und sollte, muss klinisch also realistisch prognostiziert werden. Risiken müssen angesprochen und dokumentiert werden. Natürlich entspricht die Veneer­versorgung von zwei wurzelspitzenresezierten Schneidezähnen auch nicht den gängigen Empfehlungen. Wichtig ist, dass Patienten das Risiko in ihre Entscheidung einfließen lassen können. Eine umfassende und verständliche Aufklärung ist deswegen unerlässlich. Immerhin wurden mit der ersten Behandlung knapp zehn Jahre gewonnen und anschließend war noch genug Zahnhartsubstanz verfügbar, um einen Kronenblock zu realisieren. Und wer weiß, wie lange eine sofortige Vollkronenpräparation und die Versorgung mit einem Kronenblock erfolgreich gewesen wären. Insgesamt konnten trotz der starken Schädigung der mittleren Schneidezähne rund 20 Jahre vor der Implantation gewonnen werden, in denen die Patientin immer hochästhetisch versorgt war. Interessant ist zu sehen, wie Zahntechnik und Zahnmedizin im Laufe der Zeit immer digitaler geworden sind. Bei der zweiten Versorgung wurde noch ein externes Fräszentrum für die CAD/CAM-gestützte Fertigung des Zirkonoxidgerüsts herangezogen. 2018 passierte das schon inhouse. Zudem hat dreidimensionale digitale Diagnostik in die Praxis Einzug gehalten. Ein virtuelles Backward Planning ist über entsprechende Planungssoftware möglich. Lediglich die Führungsschiene wird auf der Grundlage des Datensatzes noch extern beim Implantathersteller additiv gefertigt. Doch selbst das ist in Zeiten des bezahlbar gewordenen 3-D-Druck-Trends nicht mehr nur alleine den Spezialisten vorbehalten.


Fazit

Was aber für den Erfolg einer hochästhetischen Versorgung entscheidend ist, bleibt das Verständnis für Materialien, Form und Farbe sowie die handwerkliche Fähigkeit, der Vorstellungskraft mit Spateln, Pinseln, Schleifwerkzeugen und Polierern Ausdruck zu verleihen und diese Wirklichkeit werden zu lassen. Ausgangspunkt ist dabei immer wieder eine präzise Zahnfarbbestimmung, um dann auf einem farbtreuen Dentinkern mit verschiedenen keramischen Schichtungen das Licht gezielt zu absorbieren, zu reflektieren und zu brechen. Leidenschaft und Akribie sollten im Berufsleben eine Konstante sein, um hochästhetische Ergebnisse in gleichbleibender Qualität zu erzielen. Daran wird auch die fortschreitende Digitalisierung nichts ändern.

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