Bericht

3D-Druck

25.05.23

Aligner aus dem 3D-Drucker

Kieferorthopädische Zahnkorrektur mit gedruckten Alignern

dd Redaktion

Die Nachfrage für die kieferorthopädische Behandlungsmethode mit Alignern ist hoch.
Um dem Bedarf gerecht zu werden, kommt der moderne 3D-Druck zum Einsatz. Das
Unternehmen Modern Clear hat so bereits über drei Millionen Zahnschienen produziert.

Die Kieferorthopädie hat seit der Einführung der traditionellen metalldrahtgebundenen Zahnspange einen langen Weg zurückgelegt. In einigen komplexen Fällen ist diese Behandlungsmethode immer noch notwendig. Besonders bei der unproblematischen Zahnkorrektur stellen abnehmbare, transparente Aligner heute eine attraktive Alternative dar und wurden bereits zur Behandlung von Millionen von Patienten eingesetzt. Fehlstellungen wie Lücken, Engstände, Kreuzbiss, ein offener Biss oder gekippte Zähne lassen sich einfach korrigieren. Das Ziel der kieferorthopädischen Zahnkorrektur wird durch eine detaillierte Behandlungsplanung mit erfahrenen Zahntechnikern und Zahnärzten erreicht. Dadurch erhält jeder Patient den passenden Aligner. Neben der schmerzfreien Behandlung ist auch die Hygiene ein Vorteil dieser Zahnkorrektur. Während sich in der traditionellen Zahnspange leicht Essensreste absetzen, kann der Aligner leicht gereinigt werden.
Zu Beginn einer Behandlung werden die Zähne bei einer zahnärztlichen Untersuchung gescannt. Hierbei wird ein digitaler Abdruck des Patientengebisses angefertigt. Aus diesen Daten wird die gewünschte Korrektur berechnet und meist in einer Vorher-Nachher-Simulation visualisiert. ­Patienten erhalten Schienen, welche die Zähne schrittweise begradigen. Eine Kunststoff-Schiene wird für ein bis zwei Wochen 18 bis 22 Stunden getragen, also tagsüber und nachts. Im Alltag fallen die Aligner-Schienen nicht auf, da sie transparent und daher fast unsichtbar sind. Lediglich beim Essen und Zähneputzen wird die Schiene entfernt. Nach etwa zwei Wochen wird der nächste Aligner eingesetzt, bis das gewünschte Ergebnis erreicht ist.
Ausschlaggebend für eine erfolgreiche Therapie ist neben der korrekten Anwendung vor allem die Zahnschiene selbst. Patienten und Praxen benötigen deshalb maßangefertigte Produkte, die alle Ansprüche an Qualität, Ästhetik und Funktionalität erfüllen. Der 3D-Druck hat sich in dieser Nische als besonders wertvolles Fertigungsverfahren etabliert: Nahezu alle transparenten Zahnschienen entstehen heute über das Thermoformen mit 3D-gedruckten Modellen (Abb. 1 und 2). Dieser Herstellungsprozess reduziert den Zeit- und Kostenaufwand für Patienten, Zahntechniker und Zahnärzte.

Individuelle Massenherstellung dank 3D-Drucker
Trotz der vielen Vorteile und dem bekannten Erfolg dieser Behandlungsmethode gab es noch vor einigen Jahren in Europa keinen etablierten Markt für die transparenten Zahnschienen. 2017 gründete Gleb Grützner das Unternehmen Modern Clear, um eine eigene Variante des Erfolgsprodukts aus den USA zu entwickeln. Nach eingehender Forschung und Zusammenarbeit mit Fachleuten aus Zahnmedizin und Kieferorthopädie brachte Modern ­Clear sein erstes Zahnschienen-System auf den Markt. Die Nachfrage ­wurde schnell so groß, dass das Unternehmen mit Sitz in Düsseldorf zwei 3D-Drucker in die Produktion integrierte. Jedes Gebiss ist einzigartig. Deshalb erfordert die Zahnmedizin einen hohen Grad an Individualisierung. Doch detailreiche Maßanfertigungen sind zeitaufwendig und teuer. Durch die Individualität des menschlichen Gebisses, muss auch jeder Aligner exakt angepasst werden. Mit dem 3D-Drucker können Arbeitsprozesse in der Herstellung abgekürzt werden. Die Zahnschienen werden gedruckt, von Hand poliert und anschließend versandt.
Von den guten Ergebnissen überzeugt, stellte das Unternehmen seine Produktion binnen kürzester Zeit auf die neuste Generation von 3D-Druckern um und erweiterte sie auf 40 Geräte des Typs Form 3, die kaum größer als eine Mikrowelle sind (Abb. 3). Seither produzieren die Drucker rund um die Uhr detailgenaue 3D-Modelle von hoher Qualität. Das Produkt aus dem 3D-Drucker konnte damit überzeugen, dass die Schichten für den Träger am wenigsten spürbar sind. Modern Clear konnte inzwischen schon über 150.000 Zahnschienen produzieren.

Der Produktionsprozess von transparenten Alignern
Kleinformatige Desktop-3D-Drucker können Teile mit industrieller Qualität zu einem Bruchteil der Kosten und mit einer nie dagewesenen Vielseitigkeit fertigen. Die Hardware und Materialien entwickeln sich weiter, um die Chancen und Anforderungen des Marktes zu erfüllen. Die gegenwärtige Produktion der transparenten Aligner könnte ohne digitale Technologien nicht existieren. Ihr Herstellungsprozess ist eine effiziente Kombination aus mehreren digitalen Workflows. Ein Kieferorthopäde oder Zahnarzt nimmt zunächst mit einem 3D-Intraoralscanner einen Abdruck des Gebisses eines Patienten auf oder nimmt einen traditionellen Abdruck ab, der später gescannt wird. Das digitale Modell bildet die Grundlage für die Planung der Progressionsstufen zwischen der aktuellen und der gewünschten Zahnposition. In einer CAD-Software wird das Modell für das Druckverfahren vorbereitet. Anschließend können Modelle und Designs leicht angepasst werden. So wird eine höchstmögliche Genauigkeit im Druckverfahren erzielt.
Die eingesetzten Drucker arbeiten mit dem Stereolithografie (SLA) 3D-Druck. Dies ist das älteste patentierte additive Fertigungsverfahren. Es verarbeitet flüssiges Resin. Mithilfe einer Lichtquelle, wie einem Laser oder Projektor, wird das flüssige Harz in ausgehärteten Kunststoff transformiert. Als Material für die thermogeformten Modelle findet Draft Resin Verwendung. Dieses Kunstharz lässt sich drei- bis viermal schneller drucken, als Teile aus anderen Standard-Kunstharzen. Zudem erfordert das Drucken mit diesem Verfahren keine Stützstrukturen. Somit sind Nachbearbeitungen, wie das Abschleifen der Stützen, nicht notwendig. Dies ist vor allem bei der Zahnschiene von Vorteil. Diese wird über den Zähnen getragen und jede Unebenheit kann zu einem unangenehmen Tragegefühl führen.
Durch die hohe Anzahl von 40 3D-Druckern in der Produktion von Modern Clear ist die Ausfallsicherheit bei technischen Schwierigkeiten gewährleistet. Die Produktion läuft ununterbrochen in drei Schichten. Zahnmedizinische Fachkräfte vor Ort überwachen, steuern und justieren die modernen Drucker. Denn nach den Erfahrungen von Gründer Gleb Grützner ist menschlicher Kontakt entscheidend, um Spitzenqualität zu erzielen. Jede Stufe des Behandlungsplans wird mithilfe manueller Anpassungen durch zahnmedizinische Fachkräfte kontrolliert und die Aligner werden von Hand poliert, um die glatteste Oberflächengüte zu erreichen. Anschließend werden sie direkt vom Unternehmenssitz in Düsseldorf weltweit versandt.

Digitalisierung in der KFO
Hinter der Fertigung steckt also ein komplexes Zusammenspiel aus automatisierten Prozessen und manueller Bedienung, die konsistente Qualitätsstandards ermöglicht. Die Kombination aus einem beheizten Harztank und der geschlossenen Konstruktionsumgebung gewährleistet nahezu identische Bedingungen für jeden Druckauftrag. Die höhere Genauigkeit lässt sich darauf zurückführen, dass mit niedrigeren Drucktemperaturen gearbeitet wird als bei Thermoplasttechnologien, bei denen das Rohmaterial geschmolzen wird. Da SLA statt Wärme Licht einsetzt, erfolgt der Druckvorgang nahezu bei Raumtemperatur. Durch Wärmeausdehnung und Kontraktion kann es zu mangelhaften Endprodukten kommen. Dies passiert bei dem Stereolithografie 3D-Druck demnach nicht.
Die gesamte Technologie wird seitens 3D-Drucker-Hersteller kontinuierlich weiterentwickelt. Die erzielten Ergebnisse liegen weit über den Erwartungen von Gleb Grützner. Bereits mit 40 Geräten werden so viele hochwertige Zahnschienen produziert, wie das Unternehmen ursprünglich für 60 Drucker plante.
Solche aktuellen Beispiele zeigen, dass die 3D-Drucktechnologie Potenzial für die gesamte Dentalbranche haben kann. Denn sollte die Digitalisierung in den nächsten Jahren weiter so rasant voranschreiten, wie es seit der Pandemie in vielen Praxen zu beobachten ist, werden auch die digitalen Technologien, wie der 3D-Druck, vermehrt Einzug in die Zahntechnik halten. Dentallabore können es Praxen leichter machen, eine gleichbleibend hohe Qualität von Kronen, Brücken oder Alignern zu liefern – das bedeutet nicht nur eine hochwertige Versorgung von Patienten, sondern macht die Behandlungsmethoden außerdem deutlich erschwinglicher.

Potenzial für Dental-Branche
Der Gründer von Modern Clear hat in den letzten Jahren einen rasanten Aufschwung digitaler Technologien in der Zahnmedizin und Kieferorthopädie beobachtet. Gleb Grützner denkt, dieser Aufschwung nimmt weiter zu. Denn 3D-Scanner sind zunehmend leicht zugänglich. Auf Grund der Fertigungsgeschwindigkeit und Kostenreduzierung sind sie in der Lage, die traditionelle und manuelle Anfertigung von Abdrücken zu ersetzen. Dies spart Dentallaboren Zeit und Geld. Viele Labore verwenden bereits 3D-Drucker. Künftig könnte das zur Norm werden. „Ich würde sagen, dass im Moment vielleicht zehn Prozent der Zahnarztpraxen voll digital arbeiten. Aber ich habe das Gefühl, dass sich in den letzten zwei Jahren während der Pandemie viele mit der Idee der Digitalisierung ihrer Praxis vertraut gemacht haben, weil es so viel Zeit und so viele Termine spart. Ich sehe also eine volldigitale Zukunft“, so Grützner. Denn in einigen Fällen ist es bereits möglich, den Abdruck des eigenen Gebisses zu Hause anzufertigen und an eine entsprechende Annahmestelle zu schicken. Diese bearbeiten die Daten weiter. So wird eine Aligner-Behandlung vollständig digital.
Digitale Technologien in der Zahnmedizin machen es einfacher, eine gleichbleibend hohe Qualität anzubieten. Diese Standardisierung ermöglicht eine einheitliche Qualität. Indem der 3D-Drucker in die Fertigung von dentalen Produkten integriert wird, sinkt der Produktionsaufwand und die Produktionskosten – und somit auch die Kosten der Behandlung für den Patienten. Eine individuelle Zahnkorrektur wird also für mehr Menschen zugänglich.

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