Fachbeitrag
Jungzahntechnik
26.04.22
Eine Brücke unter dem Einfluss der Zeit
Unsere natürlichen Zähne verändern sich fortwährend im Laufe des Lebens. Sie sind Zeichen der vergehenden Zeit und Spiegel unserer Gewohnheiten. Über die Jahrzehnte wirken Abrasionen, Kaubewegungen auf den natürlichen Zahnbestand. Schmelzrisse und Abrundungen bilden sich, manchmal auch Zahnfleischentzündungen und -rückgänge.
Nachdem Alexander Lichtmannegger in der letzten Ausgabe sein Kunstprojekt im Interview vorgestellt hat, erklärt er euch nun genau, wie er das junge und alte Gebiss ästhetisch gestaltet hat.
Ich machte einen gedanklichen Zeitsprung und stellte mir vor, wie die Brücke eines jungen Menschen 30 bis 40 Jahre später aussehen könnte. Diesen gedanklichen Zeitsprung wollte ich zahntechnisch umsetzen. Die Idee entstand während meines Pflichtwehrdiensts im österreichischen Bundesheer. Um nicht aus der Übung zu kommen, setzte ich mich nach Dienstschluss an das CAD/CAM-System der Firma Zirkonzahn und kreierte mein eigenes kleines „Kunstprojekt“. Ich dachte mir, so finde ich einen Weg, mein bisher gesammeltes Können praktisch zu nutzen und zu sehen, was dabei herauskommen kann. Unter dem Motto: „Probiere dich an etwas Großem, die Fehler, die du machen wirst, vergisst du nie mehr.“
Meine konkreten Vorhaben:
- Unterbrechen der Inzisalkante im ungesinterten Zustand, um bei der späteren Verblendung transluzentere Bereiche zu schaffen
- Einarbeiten unterschiedlich tiefer Schmelzrisse
- Gestaltung natürlicher Abrasionen mit gleichzeitigem Schutz vestibulärer Verblendungen im inzisalen Bereich
- Lebensechte Darstellung freistehender Zahnhälse in Kombination mit Zirkonoxid und Verblendkeramik
- Mich gestalterisch austoben und mein Zahntechnikerherz höher schlagen lassen
- Erfahrungen für den zahntechnischen Alltag sammeln
Die virtuelle Modellation mit Zirkonzahn.Modellier
Bei der virtuellen Modellation mit der Software „Zirkonzahn.Modellier“ begann ich mit dem jungen Gebiss, um dieses dann im zweiten Schritt zahntechnisch „verwittern“ zu lassen.
Manuelle Ausarbeitung nach dem Fräsen:
Tipp:
Vorbereitung ist alles: Alles, was man vor dem Dichtsintern einarbeitet, verursacht nach dem Sintern weniger Arbeit, und das Endergebnis wird weitaus natürlicher!
Die noch nicht gesinterten Zirkonoxidstrukturen wurden mit diversen Diamantschleifern bearbeitet. Die Zahnformen habe ich aus dem Brückenverbund weiter herausgearbeitet und mittels einer detaillierten Separation zusätzlich betont. Die bereits digital reduzierten Zirkonoxidgerüste arbeitete ich manuell etwas nach, um bei der späteren Verblendung unterschiedliche Keramikschichtstärken zu gewährleisten. Dies bringt bei Cut-back-Versorgungen zusätzliches „Leben“ in die Verblendung. Vor dem Bemalen wurden die Strukturen bei niedriger Drehzahl mit einem etwas älteren, abgenutzten Diamantschleifer abgezogen.
Tipp:
Ob der „richtige“ abgenutzte Schleifer verwendet wurde, erkennt man daran, dass bei der Zirkonoxidbearbeitung eine seidig-glänzende Oberfläche entsteht. Dies ermöglicht eine optimale und kontrollierte Farbaufnahme der Colour Liquids im Zirkonoxid. Positiver Nebeneffekt: Die Zirkonoxidversorgung muss nach dem Sintern nicht abgestrahlt werden.
Das junge Gebiss wurde im inzisalen Bereich unregelmäßig reduziert (Abb. 20). Die Inzisalkante wurde somit gebrochen (Abb. 21). Ziel dieser Maßnahme ist es, mit der späteren Verblendung transluzentere Bereiche zu schaffen, durch die das Licht besser diffundieren kann (Abb. 22)!
Tipp:
Die ursprüngliche Länge der Zirkonoxidstruktur darf nicht verändert werden, um nicht die Kontrolle über die zuvor ermittelte Zahnlänge zu verlieren!
Das alte Gebiss wurde im mittleren Bereich der Inzisalkante leicht gekürzt und reduziert.
Tipp:
Die mesiale und die distale Kante müssen ausreichende Stabilität besitzen, um die spätere Verblendung optimal schützen zu können!
Im oberen palatinalen Drittel der Frontzähne wurde mit einem Stufenkantbohrer eine scharfkantige Vertiefung in das Zirkonoxid eingearbeitet. Die scharfen Kanten und Abbrüche, die in diesem Bereich aufgrund der Bearbeitungsmethode entstehen, sind wichtig für den späteren Abrasionsverlauf (Abb. 23 + Abb. 24).
Das Einfärben mit Colour Liquid Prettau Aquarellfarben
Faustregel: Beim Einfärben ist es wichtig, die Stärke der Zirkonoxidstruktur zu beachten. Denn je dicker die Struktur, desto mehr Farbe ist nötig, um ein farbechtes Ergebnis zu erzielen!
Hier traue ich mich, etwas intensiver einzufärben, und ich färbe sogar kleinere Zirkonoxidversorgungen intensiver ein. Denn wird das Zirkonoxid zu hell, ist es nach dem Sinterprozess nahezu unmöglich, diese Stellen abzudecken. Wenn die Struktur aber satt dentinfarben wirkt, kann das Endergebnis durch verschiedene Schneide und Malfarbenmischungen noch individualisiert werden!
Bei dem jungen Gebiss (Abb. 25) entschied ich mich dazu, den zervikalen Bereich der Zähne viermal statt wie üblich dreimal mit Colour Liquid Prettau Aquarell A2 zu bemalen. Der mittlere obere
Bereich wurde zweimal bepinselt. Der Eckzahnbereich wurde im zervikalen Bereich fünfmal und im oberen mittleren Bereich zweimal mit dem A3 Colour Liquid bemalt. Die Interdentalräume wurden zusätzlich mit einem Cervical A Colour Liquid verstärkt.
Das betagte Gebiss (Abb. 26) bemalte ich mit
Colour Liquid Prettau Aquarell A3. Den zervikalen Bereich der Zähne kolorierte ich viermal. Den mittleren oberen Bereich dreimal. Der Eckzahnbereich wurde mit dem A3,5 Colour Liquid im zervikalen Bereich fünfmal und im oberen mittleren Bereich dreimal bestrichen. Die Interdentalräume wurden zusätzlich mit einem Cervical A Colour Liquid verstärkt.
Tipp:
Nicht von der Farbmenge beängstigen lassen! Diese großen Zirkonoxidstrukturen verlieren erfahrungsgemäß während der folgenden Brände im Keramikofen etwas von ihrer Farbkraft!
Nach eineinhalbstündiger Trockenphase unter der Trockenlampe wurden die Strukturen anschließend zwölf Stunden bei 1600 °C im Sinterofen gesintert.
Die Schichtung
Das junge Gebiss (Abb. 27 + Abb. 28)
Washbrand
Für den Washbrand wurde im Frontzahnbereich eine hauchdünne Schicht Dynamik Dentin A2 aufgetragen. Im Eckzahnbereich wurde Dynamik Dentin A3 verwendet (Abb. 29). Aufgrund der geringen Reduzierung des Seitzahnbereichs konnte dort die Form mit einem Transpa-2-Schneide- und Transpa-Neutral-Gemisch vollständig ergänzt werden.
Erster Malfarbenbrand
Die palatinalen und okklusalen Flächen wurden mit Malfarben für Zirkonoxid in Szene gesetzt
(Abb. 30 + Abb. 31).
Erster Dentinbrand
Aufgrund der geringen Reduzierung von 0,3 mm im zervikalen Bereich der Frontzähne ist es nicht nötig, Dentin auf das Dynamik Dentin zu schichten. Im oberen, mittleren Bereich hingegen kann die Form mit A2 Dentin ergänzt und leicht reduziert werden, um Platz für die Schneideschicht zu gewährleisten. Hier wurde auch ein Transpa-2-Schneide- und Transpa-Neutral-Gemisch verwendet, um die Zahnform optimal zu ergänzen. Dieses Gemisch sorgt bei der richtigen Schichttechnik für ein farbechtes Ergebnis nach der Vita classical A1-D4 Farbskala. An den mesialen und distalen Flanken wurde noch etwas mit Transpa Blau und Transpa 2 gearbeitet. Ich habe mich bewusst für eine einfache Schichtung entschieden, um zu sehen, welchen Effekt die Bearbeitungsmethode, die im ungesinterten Zustand angewandt wurde, in der Verblendung hat. Durch die gewählte Gestaltungsform entstehen automatisch ein leichter Mammelonverlauf im
oberen Drittel der Verblendung und transluzente, opal schimmernde Bereiche, durch die das Licht diffundiert. Diese Transluzenz kann mit verschiedensten Schneidegemischen verstärkt beziehungsweise abgeschwächt werden.
Erster Schneidebrand
Die Schrumpfung der Keramik wird durch eine gleichmäßig geringe Reduzierung in der CAD-Software optimal kompensiert. Daher habe ich diesen Brand nur als Korrekturbrand genutzt.
Zweiter Malfarbenbrand
Diesen Brand habe ich genutzt, um mit der fluoreszierenden Glasur der Malfarben für Zirkonoxid letzte Akzente zu setzen. Es können noch kleine Formkorrekturen durchgeführt werden, da die Glasur aufgrund ihrer dicken Konsistenz formbetont aufgetragen werden kann.
Das alte Gebiss (Abb. 32)
Washbrand
Im Frontzahnbereich wurde eine hauchdünne Schicht Dynamik Dentin A3 aufgetragen.
Im Eckzahnbereich wurde mit Dynamik Dentin A3,5 geschichtet.
Erster Malfarbenbrand
Die palatinalen, okklusalen und vestibulären Flächen der Seitenzähne wurden mit den Malfarben für Zirkonoxid in Szene gesetzt.
Erster Dentinbrand
Wie auch bei dem jungen Gebiss ist es aufgrund der geringen Reduzierung von 0,3 mm im zervikalen Bereich der Frontzähne nicht nötig, Dentin auf das Dynamik Dentin zu schichten. Um ausreichend Platz für die Schneide zu schaffen, kann im oberen mittleren Bereich hingegen die Form mit A3 Dentin ergänzt und leicht reduziert werden. Auch in diesem Fall wurde ein T2-Schneide und Transpa-Neutral-Gemisch verwendet, um die Zahnform optimal zu ergänzen. Auf die scharfe Begrenzung der Vertiefung im palatinalen
Bereich wurde Transpa Neutral Masse appliziert, um einen transparenten Schatten in der Abrasion zu kreieren.
Manuelle Bearbeitung
Nach dem ersten Dentinbrand wird die Oberfläche mit Diamantscheiben bearbeitet. Es wurden unterschiedlich tiefe Einschnitte in die Keramik eingebracht, um natürliche Sprünge zu erhalten. Je nach Handhabung der Scheibe können breite und dünne Sprünge generiert werden. Meiner Meinung nach stellt dies für Restaurationen wie diese ein einfaches, kontrollierbares Vorgehen dar, um natürliche Schmelzrisse generieren zu können.
Malfixierbrand
In diesem Arbeitsschritt wird mit einer cremefarbenen internen Malfarbe der Sprung verstärkt. Ein schmaler, neben dem Sprung verlaufender Bereich wurde mit einer gräulichen Malfarbe bestrichen. Somit kann ein natürlicher Schatten nachgebildet werden. Die Kanten der Vertiefung im palatinalen Bereich können zusätzlich mit
dieser gräulichen Malfarbe verstärkt werden, sodass ein stärkerer transparenter Schatten zwischen Zirkonoxid und Abrasionsfüllung entsteht (Abb. 33 + Abb. 34).
Erster Schneidebrand
Dieser Brand wurde wie beim jungen Gebiss nur als Korrekturbrand genutzt.
Abrasionsbrand
Um eine Vermischung des zuvor geschaffenen transparenten Schattens mit der Keramik in der Abrasionsfüllung zu verhindern und um eine deutliche Abgrenzung gewährleisten zu können, wurde bei diesem Brand ein A3 Dentin mit Low Fuser im Verhältnis 50:50 gemischt. Das Gemisch hat den Vorteil, dass es die Brenntemperatur der Keramik verringert. Durch wiederholtes Einriffeln und Absaugen der Keramikfüllung wird die Schrumpfung auf ein Minimum reduziert. Somit entstehen eine schöne natürliche Abrasion und ein natürlicher Verlauf zwischen Zirkonoxid und Keramik
(Abb. 35). Aufgrund der Kürzung und der Reduzierung im oberen Drittel der Inzisalkante wurde auch hier ein transluzenter Bereich geschaffen. Dieser sorgt – je nach Farbe der Abrasionsfüllung – für etwas sattere, dentinorangefarben durchscheinende Bereiche. Derartige Bereiche kann man oft bei älteren abradierten Zähnen beobachten.
Zweiter Malfarbenbrand
Dieser Brand wurde wieder genutzt, um mit der fluoreszierenden Glasur der Malfarben für Zirkonoxid letzte Akzente zu setzen.
Fazit
Man darf sich nicht zu sehr verführen lassen. Ich entschied mich für dieses Projekt, um mich weiterzuentwickeln und in allen zahntechnischen Alltagssituationen, die Zirkonoxidversorgungen
beinhalten, bestehen zu können – egal ob klein- oder großspannig. Die gewonnenen Erfahrungen sollten kein Anreiz sein, um zukünftige Patienten derart zu versorgen. Es ist nicht sinnvoll, Schmelzrisse und Abrasionen einzuarbeiten, wenn diese nicht zur bestehenden Zahnsituation des Patienten passen. Es muss definitiv die optimale Kombination aus Funktion und Ästhetik gefunden werden. Keiner dieser Faktoren darf vernachlässigt werden. Daran scheiden sich meistens die Geister. Manchmal sind wir Zahntechniker etwas zu „verspielt“, wenn es um natürliche Details geht. Das gefällt nicht jedem Patient. Letztlich muss sich aber der Patient mit den Zähnen wohlfühlen, nicht der Zahntechniker und auch nicht der Zahnarzt.
Produkt (alphabetisch) | Name | Firma |
Brücken | Prettau Zirkon | Zirkonzahn |
CAD/CAM-Software | Zirkonzahn.Software | Zirkonzahn |
Colour Liquid | Colour Liquid | Zirkonzahn |
Diamantschleifkörper | Set Zirkonbearbeitung 901 | Zirkonzahn |
Keramik für Zirkonoxid | Dynamik Dentin | Zirkonzahn |
Malfarben für Zirkonoxid | ICE Zirkon Malfarben 3D by Enrico Steger | Zirkonzahn |
Sinterofen | Zirkonofen 700 UV | Zirkonzahn |
Steg | Prettau Zirkon | Zirkonzahn |
Trockenlampe | Zirkonlampe 250 | Zirkonzahn |
Fachbeitrag
Jungzahntechnik
26.04.22
Eine Brücke unter dem Einfluss der Zeit
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