Fachbeitrag
Fotografie
20.03.22
Grundlagen der Dentalfotografie – Teil 1
Grundlagen der Dentalfotografie auf Basis eines Eintageskurses von Sascha Hein
Fotografie wird in der Zahntechnik groß geschrieben. In erster Linie dazu gedacht, die zahntechnischen Rekonstruktionen zu dokumentieren, also möglichst exakt abzubilden, wurden die Techniken immer raffinierter und die Aufnahmen zunehmend künstlerisch. In dem Wort steckt jedoch künstlich, also nicht natürlich. Doch die Natur gilt es ja möglichst detailgenau abzubilden. Ztm. Sascha Hein hat über die Jahre viele Erfahrungen mit der Dentalfotografie gesammelt, die er in einem Kurs weiter gibt. Dabei zeigt er, wie die Zähne so natürlich wie möglich fotografiert werden, sodass man die darin enthaltenen Informationen nicht verfälscht. In einer dreiteiligen Beitragsreihe werden wir Ihnen die theoretischen Grundlagen dieses Kurses näher bringen.
Kurze Geschichte der Fotografie
Die Erfindung der Kamera
Die Camera Obscura (Lateinisch für „dunkles Zimmer“) ist ein optisches Gerät, das durch die Bündelung von Lichtstrahlen ein Bild auf einer Leinwand oder einem Blatt Papier erzeugt. Ihre Vorzüge für die Kunst wurden 1568 vom venezianischen Edelmann Daniele Barbaro erkannt: „Dort auf dem Papier sieht man alles, wie es wirklich ist, mit seinen Abständen, seinen Farben, Schatten und Bewegung, die Wolken, das glitzernde Wasser, die fliegenden Vögel. Hält man das Papier ruhig, kann man die gesamte Perspektive mit einem Stift nachzeichnen.“ Die Camera Obscura war zunächst ein Raum, später dann ein tragbarer Kasten mit einer kleinen Öffnung auf einer Seite. Dabei strahlt Licht, das von Objekten der realen Welt reflektiert wird, durch eine in der Öffnung eingesetzte Linse und projiziert ein Bild auf die gegenüberliegende Innenwand. Das projizierte Bild, ähnlich dem, das auf der Netzhaut des Auges entsteht, steht auf dem Kopf und ist seitenverkehrt (Abb. 1).
In späteren Modellen reflektiert ein gewölbter Spiegel im Inneren des Kastens das Bild richtig herum (allerdings immer noch spiegelverkehrt) auf eine Glasplatte an der Oberseite des Kastens. Ein über dem Glas befestigtes Stück Papier erlaubt es, das projizierte Bild nachzuzeichnen. Andere Ausführungen der Camera Obscura unterschieden sich hinsichtlich Größe und Komplexität.
Die Erfindung des Films
Einige Jahrhunderte später erfand der englische Botaniker und Mathematiker Henry Fox Talbot (Abb. 2) in den frühen 1830er Jahren das erste Negativ, aus dem mehrere positive Drucke hergestellt werden konnten. Hierzu machte Talbot Papier mithilfe einer Silbernitratlösung lichtempfindlich. Anschließend setzte er das Papier dem Licht aus. Der Hintergrund verfärbte sich schwarz, und das Motiv wurde in Grauabstufungen abgebildet. So erzeugte er ein Negativbild. Um ein detailliertes Bild zu erhalten, stellte Talbot aus dem Papiernegativ schließlich Kontaktdrucke her, bei denen Licht und Schatten umgekehrt wurden.
Verbesserung der Belichtungszeit
Die Kombination der einfachen Blendenöffnung der Camera Obscura mit lichtempfindlicher Silberhalogenid-Emulsion verlieh dem Verfahren eine neue Dimension: die Zeit! Während durch die Öffnung Lichtstrahlen auf die Filmebene gebündelt werden, benötigt die Silbernitrat-Emulsion eine genaue Zeitdauer für eine korrekte Entwicklung. Diese historische Emulsion brauchte verlängerte Belichtungszeiten, um eine akzeptable Bildqualität zu erhalten. Die Modelle mussten bis zu 15 Minuten lang ohne die kleinste Bewegung völlig stillsitzen. Die Emulsionen wurden daher nach und nach verbessert, sodass die Belichtungszeit immer weiter verkürzt werden konnte. Mithilfe eines abbrennenden Magnesiumdrahts, der ein grelles Licht erzeugte, konnte die Belichtungszeit auf unter eine Minute reduziert werden. Doch das Entzünden von Magnesium war nicht ungefährlich und die Technik barg deutliche Gefahren durch starke Rauch- und Geruchsentwicklung sowie Ascheregen. Die Belichtungszeiten variierten stark und die Luft war geladen mit grauem, dunklem Rauch, sodass die Methode für den Studiogebrauch ungeeignet war. 1887 mischten Adolf Miethe und Johannes Gaedicke feines Magnesiumpulver mit Kaliumchlorat, um Blitzlicht zu erzeugen. Es war das erste Blitzlichtpulver, das weite Verbreitung fand. Das damit erzeugte Blitzlicht erlaubte es den Fotografen, bei Nacht Sofortaufnahmen mit schnellen Belichtungszeiten zu machen.
Digichromatografie
Die Fotografien von Sergei Michailowitsch Prokudin-Gorski (1863 bis 1944) zeichnen ein lebendiges Porträt einer vergessenen Welt – des russischen Zarenreichs kurz vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs und der bevorstehenden Revolution. Seine Motive reichten von mittelalterlichen Kirchen und Klöstern des alten Russlands sowie den Eisenbahnen und Fabriken einer aufsteigenden Industriemacht bis hin zum alltäglichen Leben und Arbeiten der vielfältigen Bevölkerung Russlands.
Anfang des 20. Jahrhunderts legte Prokudin-Gorski einen ehrgeizigen Plan für eine fotografische Bestandsaufnahme des russischen Zarenreiches vor, der sogar die Unterstützung von Zar Nikolaus II. erfuhr. Zwischen 1909 und 1912 sowie im Jahr 1915 bereiste er elf Regionen mit einem speziell ausgestatteten, vom Ministerium für Transportwesen zur Verfügung gestellten Eisenbahnwagen und erfasste diese Gegenden fotografisch.
Es gibt keine bekannte Nachbildung oder Darstellung der Kamera, die Prokudin-Gorski verwendete. Es war eine Fachkamera nach eigener Bauart, wahrscheinlich ähnlich einem von Dr. Adolf Miethe im Jahr 1906 entworfenen Modell, den Prokudin-Gorski kurz zuvor in Deutschland getroffen hatte.
Man weiß, dass Prokudin-Gorski seine Fotografien in Farbe darzustellen versuchte. Denn er entwickelte eine geniale Fotografie-Technik mit dem Ziel, diese Bilder in Schwarzweiß auf Glasplattennegativen festzuhalten, wofür er rote, grüne und blaue Filter benutzte. Anschließend präsentierte er diese Bilder in Farbe in Lichtbildvorträgen mithilfe eines Lichtprojektions-Systems, bei dem dieselben drei Filter verwendet wurden (Abb. 3).
Für seine Fotografien setzte Prokudin-Gorski eine einzelne schmale, etwa 7 cm breite und 23 cm lange Glasplatte vertikal in die Kamera ein. Dann fotografierte er ein und dieselbe Szene dreimal recht zügig hintereinander, wobei er einen roten Filter, einen grünen Filter und einen blauen Filter benutzte (Abb. 4 und 5).
Blende und Schärfentiefe
Funktionsweise der Blende
Das Wort Blende bezeichnet eine veränderbare Öffnung im Kameraobjektiv. Die Größe dieser Öffnung wird anhand von Zahlenwerten ausgedrückt, die das Verhältnis des Durchmessers der Öffnung zur Brennweite des Objektivs angeben (Abb. 6). Jede Vergrößerung der Blendenöffnung (das heißt eine Verkleinerung der Blendenzahl) um einen Blendenschritt, lässt die doppelte Lichtmenge auf den Film oder Sensor treffen. Die Gesamtbelichtungszeit wird durch die Anpassung des Gleichgewichts zwischen Blende und Belichtungszeit reguliert.
Funktionsweise der Blende
Der Begriff Schärfentiefe bezeichnet den Ausschnitt in einem Bild, der völlig scharf dargestellt ist. Diese Schärfentiefe wird durch die Blende gesteuert. Je kleiner die gewählte Blende (also je größer die Blendenzahl, zum Beispiel ƒ 22), desto höher ist die Schärfentiefe (Abb. 7). Bei diesen Aufnahmen sind auch hintereinander stehende Objekte scharf und klar sichtbar. Bei Aufnahmen mit einer niedrigen Schärfentiefen (ƒ 5,6) ist nur das direkt fokussierte Objekt deutlich sichtbar und scharf, die anderen sind verschwommen (Abb. 8). In den Abbildungen 9 und 10 wurde dieses Prinzip auf die Intraoralfotografie angewandt, um zu verdeutlichen, wie sich die gewählte Blende auf die Schärfentiefe auswirkt.
Belichtungszeit
Funktionsweise der Belichtungszeit
Die Belichtungszeit wird normalerweise in Sekundenbruchteilen ausgedrückt. Die Belichtung des Films/Sensors wird durch die Anpassung der Belichtungszeit im Verhältnis zur Blende ausgedrückt. Die nachfolgende Reihe zeigt nur einen beispielhaften Ausschnitt möglicher Belichtungszeiten und kann in beide Richtungen fortgeführt werden:
1/2, 1/4, 1/8, 1/15, 1/30, 1/60, 1/125, 1/250, 1/500, 1/1000, 1/2000
Dabei steht 1/2 für eine halbe Sekunde und 1/2000 für eine 2000stel Sekunde. Je länger ein Film/Sensor belichtet wird, desto mehr Licht fällt darauf. Bei einer Blende ƒ 5,6 und einer Belichtungszeit von 1/125 würde eine 125stel Sekunde lang Licht durch eine relativ große Blendenöffnung auf den Film/Sensor einwirken.
Einfluss der Belichtungszeit auf das Bild
Genau wie Veränderungen der Blendenöffnung beeinflussen also auch Veränderungen der Belichtungszeit die Helligkeit eines Bildes (Abb. 11 bis 13). Je länger die Belichtungszeit, desto heller das Bild und umgekehrt. Die Gesamtbelichtungszeit wird durch die Anpassung des Gleichgewichts zwischen Blende und Belichtungszeit reguliert. Dies trifft jedoch nur beim Fotografieren von Objekten unter kontinuierlichen Lichtverhältnissen (zum Beispiel Tageslicht) zu, nicht jedoch beim Fotografieren mit kurzimpulsigem Blitzlicht.
Die richtige Belichtungszeit
Für Freihandaufnahmen ist eine Mindestbelichtungszeit von 1/80 zu empfehlen. Alle Belichtungszeiten, die länger gewählt werden, führen wahrscheinlich zu einer Bildverwackelung und machen den Einsatz eines Stativs nötig. Manche modernen Objektive verfügen über einen Bildstabilisator, im Englischen „image stabilization“ (IS) oder „vibration reduction“ (VR) genannt. Diese Funktion ermöglicht Aufnahmen bei dunklen Lichtbedingungen mit Belichtungszeiten von weniger als 1/80. Allerdings spielt dies in der regulären Dentalfotografie keine Rolle, da hier für ideale Lichtbedingungen normalerweise externes Blitzlicht verwendet wird. Daher sind die mit beträchtlichen zusätzlichen Kosten verbundenen Funktionen IS oder VR bei der Anschaffung eines Objektivs für die Dentalfotografie irrelevant.
Technologie vs. Ergonomie
Da erfolgreiches Fotografieren zuallererst von der richtigen Kombination von Blende und Belichtungszeit abhängt, sollte die „perfekte“ Kamera vor allem einfach zu bedienen sein. Analog-Kameras der R-Reihe von Leica (Abb. 14) und viele andere Modelle von Nikon, Pentax, Canon oder Olympus bieten eine leichte Handhabung. Leider besitzen moderne Digitalkameras heutzutage oft zu viele Knöpfe, die für Verwirrung sorgen können. Viele Menüoptionen haben geringen Einfluss auf die Bildqualität und bieten zahlreiche, eher überflüssige Funktionen.
Insbesondere die zwei Hauptakteure auf dem heutigen Weltmarkt machen exzessiven Gebrauch vom Prinzip des „Überladens“ ihrer zahlreichen DSLR-Modelle (DSLR = Digitale Spiegelreflex), um sich vom Markt abheben und Preisunterschiede bei verschiedenen Modellen rechtfertigen zu können. Eine moderne Digitalkamera, die dennoch eine einfache, aber professionelle Handhabung mit digitaler High-Tech-Qualität vereint, ist die überzeugende Sigma SD1 (Abb. 15). Diese relativ unbekannte Kamera ist nicht nur einfach in der Handhabung, sondern bedient sich auch erstklassiger Bildtechnologie. Ihr Herzstück ist ein X3-Foveon-Sensor, der auf dem heutigen Markt seinesgleichen sucht.
Merke
- Das Arbeitsprinzip jeder modernen Kamera basiert auf dem der „Camera Obscura”, einem einfachen, altertümlichen Apparat. Es ist somit generell simpel.
- Die Größe der Blendenöffnung nimmt bei der Dentalfotografie einen entscheidenden Einfluss auf die Tiefenschärfe des Bildes:
- Je größer die Blendenöffnung (beispielsweise ausgedrückt durch einen kleinen Blendenwert ƒ 2.8) desto geringer ist die Tiefenschärfe im Bild. Je kleiner die Blendenöffnung (zum Beispiel ƒ 32) desto größer ist die Tiefenschärfe im Bild.
- Die Belichtungszeit übt unter Verwendung einer kontinuierlichen Lichtquelle starken Einfluss auf die Helligkeit des Bildes aus. Dies ist jedoch in der Dentalfotografie weniger relevant, da man aufgrund des Einsatzes eines Blitzes immer mit festen Belichtungszeiten arbeitet (zum Beispiel 1/125, also einer 125stel Sekunde).
Ausblick
Im zweiten Teil dieser Beitragsreihe, der in der dd 2/15 erscheinen wird, wird näher auf die Verwendung des Blitzes in der Dentalfotografie, die unterschiedlichen Objektive und die Belichtungszeit in der Blitzfotografie eingegangen.
Fachbeitrag
Fotografie
20.03.22
Grundlagen der Dentalfotografie – Teil 1
Grundlagen der Dentalfotografie auf Basis eines Eintageskurses von Sascha Hein
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