Fachbeitrag
Azubi-Wissen
09.04.22
Ästhetik der Zähne
Manfred Tauber
Ästhetik ist die Lehre von der Wahrnehmung und vom sinnlichen Anschauen und kommt aus dem altgriechischen αἴσθησις aísthēsis „Wahrnehmung“, „Empfindung“. Ästhetik bewegt unsere Sinne, wenn wir etwas betrachten, wie Schönheit, Gesetzmäßigkeiten und Harmonie in der Natur und Kunst.
Was bedeutet dies nun für die Reproduktion von künstlichen Zähnen? Dies beginnt schon bei der anatomischen Form unserer Zähne, welche teilweise durch die Funktion bestimmt wird. Diese wichtigen Thematiken wurden in den beiden ersten Dental Diary Ausgaben 2020 dargestellt.
Um ästhetische Zähne reproduzieren zu können, müssen wir verstehen, wie unsere Zähne strukturell und farblich aufgebaut sind. Dafür müssen wir die histo-anatomische Topografie, neben der äußeren Form (Exomorphologie) auch die innere Struktur (Endomorphologie), verstehen (Abb. 01a). Wie entsteht überhaupt die Farbe der Zähne? In diesem Beitrag möchte ich euch eine Methodik näher bringen, mit welcher ihr euch ein besseres Verständnis näherbringen könnt.
Vorab etwas Naturwissenschaft. Der natürliche Zahn besteht aus drei unterschiedlichen Schichten, dem Dentin, einer Kombination aus Dentin/Schmelz sowie Schmelz mit unterschiedlichen Brechungsindexen. Ein einfallender Lichtstrahl durch die Schichten eines Zahnes ändert mehrmals seine Propagationswinkel und reflektiert am Übergang zwischen den Schichten (Brechungsindex) eine gewisse Menge an Licht zurück (Reflektion). Durch die dichtere Struktur entsteht im Schmelz eine bläuliche, opalisierende Lichtstreuung, hingegen verleihen die größeren Dentinkanälchen im Dentin dem Zahn seine gelbliche Lichtstreuung, welche dem Zahn seine Eigenfarbe verleiht. Natürliche Zähne bestehen aus ca. 60–70 % Dentin, dem sog. Dentinkern. Auffallend ist eine Dentin-Konkavität, wodurch die sogenannte „Sigmoidkurve“ (konvexer Schmelz/konkaves Dentin) entsteht (Abb. 01b). Schmelz ist die härteste Substanz unseres Körpers und je höher der Schmelzanteil, umso heller erscheint der Zahn. Molaren haben den dicksten Schmelzanteil (ca. 1,8 bis 2,2 mm), da hier auch die höchsten Kaukräfte auftreten (Abb. 01c). Zu den Begriffen Transluzenz, Opaleszenz und Fluoreszenz gibt es ausreichend Fachliteratur. Dieses Wunder der Natur gilt es jetzt zu kopieren, was Erfahrung und viel Übung bedeutet, bis man dies mit dentalen Werkstoffen umsetzen kann.
Mittels der Aufwachstechnik und des „GEO Expert Wax Set A. Bruguera“ von Renfert mit begleitendem Leitfaden, können wir einfach lernen Farbschichten richtig aufzubauen und diese auch noch zu charakterisieren. Neben der äußeren Form (Exomorphologie) lernen wir die innere Struktur des Dentinkerns (Endomorphologie) aufzubauen. Mit den gewonnen Erkenntnissen lassen sich durch das Wax-up eine bessere Planung der richtigen anatomischen Zahnform und der frühzeitigen visuellen Vorstellung für die Reproduktion in Schichtkeramik, Presskeramik und zum Scannen im digitalen Prozess ableiten.
Durch ein monolithisches und ästhetisches Wax-up können wir schon im frühesten Stadium eines Prozesses zur Herstellung einer Restauration bestimmen, welche Situation vorhanden ist. Durch eine Evaluation der Platzverhältnisse und Wandstärken können wir effizient bestimmen, welche dentalen Werkstoffe sich überhaupt für die jeweilige Restauration eignen. Nur so haben wir die Möglichkeit und Voraussetzung, die Natur, den Farbaufbau und die ästhetischen Ansprüche annähernd zu kopieren. In den Abbildungen 02a bis 02i könnt ihr einen einfachen strukturellen Aufbau eines Frontzahnes Schritt für Schritt sehen. Der strukturelle Aufbau der Zähne ist zusätzlich vom Alter der Zähne abhängig. Wir unterscheiden zwischen einem jugendlichen, erwachsenen und gealterten Zahn. Je jünger der Zahn, desto eher prägen Mamelons das Erscheinungsbild.
Zur Selbststudie ist es auch sinnvoll Seitenzähne ästhetisch aufzuwachsen. So bekommt man ebenso ein gutes Gefühl für die richtige Platzierung des Dentinkerns und der Positionierung der Koni für die Höckerspitzen. Auch bei den Seitenzähnen können bei Bedarf Effekte eingearbeitet werden. Durch eine Schmelz-Transluzent-Kombination erhält der Zahn seine endgültige Form und Farbe. Abbildungen 03a bis 03h.
Die Patienten beurteilen die Qualität einer Restauration vornehmlich nach ihrem ästhetischen Empfinden. Dem muss ein Zahntechniker gerecht werden und die Fähigkeiten besitzen, diese Ansprüche auch reproduzieren zu können. Dies ist nur möglich, wenn ausreichend theoretische Kenntnisse und praktische Fähigkeiten der Anatomie, der Funktion sowie der Ästhetik von Zähnen vorhanden sind. Mittels des „GEO Expert Wax Sets“ und Leitfaden von Renfert kann die Didaktik sowie Individualität der Morphologie und Ästhetik selbständig oder besser noch bei Kursen, bei denen das Wax Set mit Leitfaden inkludiert ist, erlernt werden (Abb. 04).
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