Bericht

Azubi-Wissen

26.04.22

Zahntechnik ist Handwerk

Karola Krell

Auch bei zunehmender Digitalisierung sind die solide handwerkliche Ausbildung und das analoge Wissen Basis, um digital gefertigten Zahnersatz lege artis herstellen zu können. Wir sind uns bewusst, wie sich unsere Fehler auf Kau­funktion und letztlich die Gesundheit derer auswirken können, für die wir Zahnersatz anfertigen oder reparieren. Ursache und Wirkung einzelner Arbeitsschritte sind jedem Zahntechniker bewusst. Doch kaum jemand macht sich Gedanken, was wir mit unserer Kommunikation anrichten können und bisweilen ist man sehr erschrocken über deren Wirkung. Die Ursache suchen wir vielleicht lieber bei anderen?

Das Institut für Demoskopie in Allensbach fand heraus, dass in Deutschland der nonverbale Anteil unserer zwischenmenschlichen Kommunikation einen Wert von 80 % erreicht. Das heißt, Gestik und Mimik machen hierzulande 55 % aus, 26 % die Stimme und nur 19 % der fachliche Inhalt. Die Bedeutung von Gesten und Tonfall sind stets im kulturellen Kontext zu betrachten. Ein Kopfschütteln heißt zum Beispiel in West- und Nordeuropa ein klares Nein, doch zum Beispiel in Griechenland oder Bulgarien wird dies meist als Zustimmung interpretiert. In Zeiten der Globalisierung und internationaler Kontakte lohnt es sich, sich damit zu beschäftigen, um Missverständnisse zu vermeiden.

Körpersprache ist fast alles
Wenn du also deinen Chef mit gerunzelter Stirn, ohne Augenkontakt und schroffer Stimme aufforderst, deine Aufstellung anzusehen, kann das durchaus unerwünschte Reaktionen bei ihm auslösen. Obwohl der Inhalt sachlich formuliert war, fühlt er sich wahrscheinlich provoziert. Dabei war das kaum deine Absicht, genauso wie du nicht willst, dass die Keramik im Ofen platzt. Deswegen schraubst du ja auch die Aufheizrate nicht beliebig hoch. Als Zahntechniker lernt man normalerweise nichts über die Störanfälligkeit der menschlichen Kommunikation. Wir können Präparationsarten erkennen, aber die Tücken des Kommunikationsquadrats bleiben spanische Dörfer. Dabei ist es hilfreich zu wissen, wie menschliche Kommunikation überhaupt funktioniert. Wir lesen auch erst die Verarbeitungsanleitung für das neue Verblendmaterial, damit wir wissen, wie wir Fehler vermeiden.

Die Tücken im Alltag
Angenommen, du sagst zu deinem Chef: „Ich schaffe die Unterfütterung nicht rechtzeitig.“ An sich ist das kein Problem, doch kann dieser einfache Satz trotzdem größte Irritationen hervorrufen. Wie oben beschrieben kommt es in erster Linie auf die Körpersprache an. Vielleicht waren Blasen im Kunststoff oder du hattest heute schon die gefühlt hundertste Reparatur, möglicherweise willst du lieber mal was anderes als Reparaturen machen, weil du schließlich mehr lernen willst. Du fühlst dich gestresst, verärgert oder genervt! Das sieht man dir an, deine Stimme ist auch nicht mehr
besonders fröhlich. Da wird es schon schwierig, sei dir dessen bewusst!

Das Kommunikationsquadrat
Friedemann Schulz von Thun, emeritierter Professor der Psychologie in Hamburg, erstellte das Kommunikationsquadrat, ein „psychologisches Handwerkszeug“, bereits in den 1970er Jahren. Er geht davon aus, dass Klarheit in der Kommunikation eine vierdimensionale Angelegenheit ist. Ausgehend davon, dass der Grundvorgang der zwischenmenschlichen Kommunikation als ein Sender- und Empfängermodell beschrieben werden kann. Ich sage beziehungsweise sende etwas und mein Gegenüber hört und empfängt. Wenn du nun deinem Chef sagst, dass du die Unterfütterung nicht rechtzeitig fertigstellen kannst, dann teilst du dies auf vier verschiedene Ebenen als „Sender“ mit:
Sachebene: Du meint es genauso, wie du es sagt. Nicht mehr und nicht weniger. Meistens schwingt aber doch noch was anderes mit, denn kaum eine Nachricht wird einfach nur so gesendet.
Meist steckt noch ein Appell dahinter. In diesem Fall könnte das heißen: „Bitte hilf mir!“ und/oder „Verschieb doch bitte den Termin und rufe beim Zahnarzt an.“
Auf der Selbstoffenbarungsebene gibt man etwas von sich selbst preis. In unserem Beispiel könnte das sein, dass du frustriert und gestresst bist, weil du deine Arbeit nicht pünktlich erledigen kannst. Du bist gewissenhaft und willst alles perfekt machen und keine fehlerhaften Arbeiten abliefern.
Die kritische Ebene ist die Beziehungsebene. Wenn die Beziehung zwischen dir und deinem Chef harmonisch ist, dann gibt es kaum Pro­bleme. Dann weißt du, dass du immer zum Chef gehen kannst und Hilfe bekommst. Ihr seht das beide rein sachlich und für alles gibt es Lösungen. Problematisch wird es dann, wenn es schon öfter Spannungen zwischen euch gab und die zwischenmenschliche Ebene gestört ist. Dann denkst du möglicherweise: „Oh Mann, selber schuld, was musst du mir immer so viel Arbeit reindrücken!“ oder „Warum sorgst du nicht dafür, dass die Termine auch zu schaffen sind?“ Du bist ärgerlich oder gar wütend und genau das sendest du unbewusst – nicht sehr förderlich für eine positive Beziehung.

Doch der Empfänger, in diesem Beispiel der Chef, versteht deine Nachricht ebenfalls auf diesen vier Ebenen:

  1. Auf der Sachebene hört er, dass du den Termin nicht schaffst. Er weiß, dass Pünktlichkeit vom Zahnarzt, seinem Kunden, erwartet wird.
  2. Deshalb wird der Chef sofort weiterschalten und deinen Appell dahinter verstehen. Er kann sich zum Beispiel direkt ans Telefon hängen und den Termin verschieben oder selbst schnell Hand anlegen. Wenn dein Chef nicht von selbst reagiert, dann bitte ihn konkret darum. Manche Menschen sind auf dem „Appell-Ohr“ nämlich ziemlich taub.
  3. Auf seiner Selbstoffenbarungsebene empfängt er deine Nachricht vielleicht folgendermaßen: Es tut ihm leid, weil er dir zu viel zugemutet hat. Oder er schämt sich, dass er diesem Kunden nicht einfach sagen konnte, dass die Termine zu knapp terminiert sind. Entsprechend fürsorglich könnte er dann auf dich eingehen oder er nimmt das Ganze sportlich, weil Fehler auch mal passieren.
  4. Auf der Beziehungsebene verhält es sich beim Empfänger ähnlich: Stimmt die Beziehung
    zwischen euch, dann hört er deine Aussage positiv oder neutral. Er findet es in Ordnung und ist froh, dass du rechtzeitig damit zu ihm gekommen bist. Doch wenn sie aus unterschiedlichen Gründen gestört ist, dann können sich Widerstand und
  5. Ablehnung gegen dich weiterentwickeln. Er ärgert sich jetzt über dich, weil du zu langsam bist und sowieso in seinen Augen nichts auf die Reihe bekommst. Und genau dies sendet er dir, verbal und auch nonverbal!

Fazit des Kommunikationsbeispiels
Selbst an diesem so banalen Beispiel zeigt sich die Komplexität der zwischenmenschlichen Kommunikation. Frei von der Leber sprechen Zahntechniker stundenlang und jeden Tag untereinander oder mit Kunden und Patienten. Das funktioniert oft gut, doch wenn nicht, dann wundert sich so mancher, dass in unserer Branche und in den Laboren einiges schiefläuft. Bereits in der Ausbildung ist die Fehleranalyse zur Bewertung zahntechnischer Werkstücke ein wichtiger Bestandteil. Das ist richtig und sinnvoll zur Qualitätssicherung und somit zum Wohle der Patienten. Doch wie sieht es aus mit Kompetenzen, wenn situationsgerechte und professionelle Kommunikation gefragt ist? Wer ist in der Lage, professionell Fehler zu analysieren, wenn es zu Konflikten kommt? Es sind nicht nur die häufig schlechten Löhne und Ausbildungsvergütungen der Grund, dass Zahntechniker die Branche wechseln oder ihre Ausbildung abbrechen. Als Referatsleitung Zahntechnik beim Verband medizinischer Fachberufe e.V. bin ich Ansprechpartnerin für unsere Mitglieder und die, die es werden wollen. So erfahre ich vieles über die zwischenmenschlichen Probleme in den Laboren, die angestellte Zahntechniker und Azubis manchmal verzweifeln lassen. Doch weiß ich auch um die Schwierigkeiten der Laborbesitzer, die sich nicht selten von ihren Angestellten oder Kunden unfair behandelt sehen. Ich höre von kalten und heißen Konflikten sowie der Ohnmacht und dem Unwissen, wie Eskalationen verhindert werden können. Die Betroffenen leiden, wertvolle Arbeits- und Lebenszeit gehen verloren. Die finanziellen Folgen für Betriebe sind beträchtlich, wie Konfliktkostenstudien zeigen. Fortbildungen und Schulungen können helfen, die Situation insgesamt zu verbessern. Das Bewusstsein für einen besseren und auch professionelleren Umgang miteinander muss gestärkt werden. Kommunikationstechniken, wie zum Beispiel die „Gewaltfreie Kommunikation“ nach Marshall Rosenberg schaffen positive Gesprächsgrundlagen. Zahlreiche empirische Studien belegen, dass die Anwendung dieses Sprachhandlungsmodells konflikthemmend wirkt beziehungsweise Konflikte besser lösen lässt. Als Verband setzen wir uns dafür ein, dass zumindest Grundlagen der Kommunikation bei einer Neuordnung in die Ausbildungsordnung aufgenommen werden. Mitarbeiterführung und Konfliktmanagement müssen in der Meisterausbildung deutlich besser vermittelt werden. Vielleicht fehlt aufgrund der rasanten technischen Entwicklung Zeit und Kraft für andere Themen. Die Ursache der meisten Konflikte und Unstimmigkeiten liegt jedoch in der Kommunikation. Die Wirkung kann verheerend sein – gerade deswegen sollten wir uns die notwendige Zeit nehmen und uns wirklich Gedanken machen. Das Handwerk wird ja schon beherrscht.

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