Interview

Aus dem Labor

06.09.22

„Der Ehrgeiz war unglaublich“

Nicola Pietrobon und die Geschichte der Presstechnologie

dd Redaktion

Seit 1998 führt Nicola Pietrobon zusammen mit Reto Michel ein Dentallabor an der Bahnhofstrasse in Zürich. Vor 30 Jahren hat er die Entwicklung und Verbreitung der Presstechnologie hautnah miterlebt. Im Interview mit Robert Grünenfelder, Global Head of Furnaces bei Ivoclar, erzählt er, wie er die Geschichte der Presstechnologie wahrnahm, welche Bedeutung sie in seinem Laboralltag hat und warum er im Laufe der Zeit insbesondere das Portfolio von Ivoclar schätzen gelernt hat.

Herr Pietrobon, Sie sind bereits als Jungzahntechniker Ende der Achtzigerjahre mit der Presstechnologie in Berührung gekommen, als diese gerade erst eine Idee war.
Nicola Pietrobon: Ja, von 1988 bis 1990 besuchte ich ein Ausbildungsprogramm an der Universität Zürich. Dort begegnete ich Arnold Wohlwend, der damals Cheftechniker an der Universität Zürich war. Während des Ausbildungsprogramms hatte ich fast täglich mit ihm zu tun. Er arbeitete an der Entwicklung eines Verfahrens, mit dem Vollkeramik im flüssigen Zustand in die gewünschte Form gebracht werden und sich dann wieder verfestigen sollte. Die Idee war genial und ich konnte es kaum glauben, wie Arnold Wohlwend mit seiner intensiven Hingabe und mit seinem grossen Entdeckergeist immer neue Versuche unternahm. Es war ein langer Weg, der viel Geduld erforderte. Es gab aus unserer Branche nicht einmal die passenden Gerätschaften und Apparate, die für diesen Zweck hätten verwendet werden können. Vielmehr arbeitete Arnold Wohlwend damals beispielsweise mit Pressen und Öfen, die normalerweise in anderen Industriezweigen zur Anwendung kommen. Es waren unzählige Versuche nötig, bis seine Vision mit einem ersten Prototyp umgesetzt wurde. Das Gefühl, diese Begeisterung für die Presstechnologie und diesen innerlichen Ehrgeiz miterleben zu können, war einfach unglaublich. Ich erinnere mich bis heute gerne daran.

Um ein sicheres und verkaufsfähiges Produkt realisieren zu können, suchte Arnold Wohlwend Kontakt zu einem Industriepartner, der das entsprechende Know-how hatte. Ivoclar konnte die gewünschte Unterstützung zur Produktentwicklung leisten. Wie ging es weiter?
Im Jahr 1991 gelang der Durchbruch in dieser revolutionären Technik – dank des unermüdlichen Erfindergeists von Arnold Wohlwend und dank des Entwicklerteams von Ivoclar. Seitdem können Rohlinge aus Leuzitkeramik in einem speziell entwickelten Ofen, dem Programat von Ivoclar, zähflüssig in eine Hohlform gebracht werden. Diese Form entsteht durch die Lost-Wax-Technik, das Ausschmelzen von Wachs. Nach meiner Zeit in Zürich nahm ich von 1990 bis 1993 an einem Austauschprogramm in Boston teil. Da ich dank Arnold Wohlwend bereits die ganzen Vorkenntnisse, den Ablauf und die Arbeitsschritte der IPS Empress Presstechnologie kannte, war ich in Amerika bald ein gefragter Kursreferent für die Einführung der Presstechnologie.

30 Jahre sind nun vergangen, seit die Presstechnologie ihre Marktreife erreichte. 1998 haben Sie mit Ihrem Kollegen Reto Michel ein eigenes Labor gegründet. Welche Rolle spielte die Keramik in Ihrem Laboralltag?
Wir haben uns von Anfang an auf Vollkeramik spezialisiert. Die Presstechnologie war unverzichtbar und das ist sie bis heute geblieben. Natürlich hat jedes System seine Vor- und Nachteile. Letztlich macht genau das unsere Arbeit aber auch so spannend. Für jeden Patientenfall müssen wir die passende Herangehensweise finden. Es fasziniert mich, die einzelnen Schritte zu sehen und ein Ergebnis zu erhalten. Dass die Presstechnologie noch heute ihren Platz in unserem Labor findet, liegt nicht zuletzt an deren hohen Effizienz sowie an den immer smarteren Geräten, die das Pressen begleiten. Geräte sind für mich dann eine Hilfe, wenn sie mich in meinem Alltag nicht beeinträchtigen, indem sie beispielsweise viel Zeit einfordern – diese ist ja sowieso immer knapp. Sie sollen zuverlässig funktionieren, mir Arbeit abnehmen und im Ernstfall Alarm geben. Wenn ich die Reihe der Programat Brenn- und Pressöfen über die letzten Jahre betrachte, ist es wirklich enorm, was hier geleistet wurde. Anfangs kam es noch recht häufig zu Fehlpressungen und wir waren unsicher, ob das Ergebnis unseren Vorstellungen entsprechen würde. Heute ist der Pressvorgang ein echter „No-Brainer“ – dank vieler intelligenter Gerätefunktionen, dank sehr leistungsfähiger Materialien und dank eines durchdachten Gesamtprozesses.

Wie ist die Verbindung zwischen der Presstechnologie und dem digitalen Workflow gelöst? Eine Anbindung an CAD, CAM und 3D-Druck ist ja heute unumgänglich.
Der analoge Workflow lässt sich unkompliziert mit digitalen Prozessen wie dem CAD/CAM-Fräsen oder dem 3D-Druck ergänzen. Gerade für jüngere Zahnärzte ist es selbstverständlich geworden, digital zu arbeiten und sie erwarten das auch von uns. Ich denke, es ist dennoch wichtig, dass wir Zahntechniker unser Handwerk erst einmal wirklich analog verstehen, ehe wir den digitalen Weg gehen. Dass der digitale Workflow Fortschritte und Erleichterungen mit sich bringt, ist nicht zu bestreiten. Ich persönlich halte trotz alledem an manchen analogen Schritten fest. Wir scannen, fräsen und drucken – zugleich hat die Presstechnologie einen sehr hohen Stellenwert, und nach wie vor fertige ich Abdrücke händisch. Ich bin sicher, dass die Entwicklung der Presstechnologie nie ganz stillstehen wird und zukunftssicher bleibt. Mit ihrer Anbindung an den Druckprozess ist sie erst kürzlich einen grossen Schritt in die „moderne digitale Welt“ gegangen. Die Presstechnologie von Ivoclar hat sich als „das Original“ auf dem Markt etabliert. Ihr Erfolg zeigt: Sie hat ihren Platz im Laboralltag gefunden. Das möchten wir anhand eines kleinen Fallbeispiels aus unserem Labor zeigen.“

Das Fallbeispiel finden Sie hier.

Vita
Nicola Pietrobon ist seit 1985 gelernter Zahntechniker. Von 1988 bis 1990 besuchte er das Weiterbildungsprogramm „Advanced Dental Technology“ der Universität Zürich unter der Leitung von Prof. Dr. Peter Schärer. Von 1990 bis 1992 arbeitete er in einer Privatklinik in Boston/USA. von 1993 bis 2000 war Nicola Pietrobon Leitender Techniker an der Klinik für Kronen- und Brückenprothetik, Teilprothetik und zahnärztliche Materialkunde der Universität Zürich unter der Leitung von Prof. Dr. Schärer. Seit 1998 ist er mit seinem Geschäftspartner Reto Michel selbstständig. Gemeinsam mit einem weiteren Mitarbeiter hat sich das Labor in Zürich auf die Zahnästhetik spezialisiert. Referententätigkeiten und ständige Weiterbildung haben im Labor Pietrobon & Michel seit jeher einen hohen Stellenwert.
www.pietrobonundmichel.ch

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06.09.22

„Der Ehrgeiz war unglaublich“

Nicola Pietrobon und die Geschichte der Presstechnologie

dd Redaktion

Referententätigkeiten und ständige Weiterbildung haben im Labor Pietrobon & Michel in Zürich einen hohen Stellenwert. Links Nicola Pietrobon, rechts Reto Michel.

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