Fachbeitrag

Azubi-Wissen

08.04.22

Presskeramik ist kein Unding, sondern mein Liebling

Schritt-für-Schritt-Herstellung einer Krone aus Presskeramik

Alexandra Kaul, Dr. Ingo Frank

Es klingelt an der Tür und wieder ist ein Kurier da. Diesmal bringt er mir tatsächlich die Unterlagen für meine erste Dokumentation: die Abformung für eine PresskeramikKrone auf Zahn 36. Auch noch von einem jungen Patienten aus einer neuen Praxis. Ich verschiebe meine Mittagspause, um schon mal den Zahnkranz auszugießen.

Zuerst nehme ich mit dem Skalpell alles überschüssige Abformmaterial weg. Der Klasse-IV-Gips wurde schnell, aber unter Vakuum angerührt. Der Rührautomat piept. Es gilt jetzt, blasenfrei auszugießen! Puh, aber jetzt erstmal Mittagspause (Abb. 1).
Nach einer halben Stunde bin ich voller Energie wieder im Labor. Gipsmesser raus, abziehen, alles blasenfrei: super! Nun wird getrimmt und gepinnt. Löcher werden gebohrt, Pins eingeklebt und Hülsen aufgesteckt. Isolieren nicht vergessen! Damit der Zahnkranz später vom weißen Sockelgips gelöst werden kann und keine Einheit bildet. Nach dem Sockeln und Aushärten trimme ich so nah wie möglich an die Zähne ran. Jetzt folgt das Schwierigste: das Zersägen des Zahnkranzes mit der elektrischen Säge. Hier ist Vorsicht geboten! Als Letztes bitte ich meinen Chef, Ztm. Werner Peppel, die Präparationsgrenze freizulegen – und fertig ist das Sägemodell (Abb. 2–4).

Mithilfe der Bissgabel vom Gesichtsbogen artikuliere ich wolkig in den Artex ein. Somit wird die exakte Kiefersituation in den Artikulator übertragen (Abb. 5–7).
Ich streiche den zu bearbeitenden Stumpf sowohl mit Gipshärter als auch mit einer dünnen Schicht Gips-gegen-Wachs-Isolierung ein.
Bei uns im Labor gilt die Naturgemäße Aufwachstechnik (NAT) nach Dieter Schulz. Zuerst wird der Stumpf mit einer dünnen Schicht Zervikalwachs ummantelt. Die Konusspitzen der fünf Hauptsegmente werden in den Farben des Okklusalen Kompasses aufgetragen (Abb. 8). Jetzt bildet man dementsprechend die Grundelemente der fünf Segmente. Es soll sich ein Becken bilden, in welchem die Höcker des oberen zweiten Molaren liegen (Abb. 9).

  1. Das I. Segment ist der disto-bukkale Höcker (Abb. 10).
  2. Schräg gegenüber das II. Segment, der mesio-linguale Höcker (Abb. 11)
  3. III. Segment – disto-lingualer Höcker (Abb. 12 + 13)
  4. IV. und V. Segment – mesio-bukkaler und distaler Höcker (Abb. 14)

Ich achte beim Modellieren generell auf die benachbarten Zähne und auf den gleichen Zahn im gegenüberliegenden Quadranten. Wenn die Anatomie dieser Zähne eher rundlich ist, modelliere ich meine Krone dementsprechend, und falls die Anatomie einen kantigen Eindruck macht, übertrage ich diesen Charakter natürlich auch. Die Kontaktpunkte lege ich auf die entsprechenden Höckerspitzen und Abhänge, wie ich es nach Dieter Schulz gelernt habe.

Ich schneide den Abschlussrand meiner Krone circa einen Millimeter zurück, wachse ihn neu mit ­Zervikalwachs auf und überprüfe nochmals die Appro­ximal- und Okklusalkontakte.

Die aufgewachste Krone wird mit einem Wachsdraht von drei Millimetern Durchmesser in der Silikonmuffel befestigt und eingebettet. Nach der angegebenen Aushärtezeit von circa 30 Minuten stelle ich sie in den Vorwärmofen. Denkt daran, den Silikonring abzuziehen, bevor ihr die Muffel in den Vorwärmofen stellt! Sonst wird euer Chef nicht begeistert sein! Ich wähle das entsprechende Speed-Programm aus, bei dem der Ofen auf 850 °C vorheizt und die Temperatur mindestens eine Stunde hält. Mit einer Zange stelle ich die heiße Muffel (Vorsicht!) mit der Öffnung nach oben in den Pressofen, setze den IPS e.max-Rohling und anschließend den Pressstempel in das Loch der Muffel. Während des 15-minütigen Pressvorgangs säubere ich meine Modelle und entferne sie von Wachsresten. Nach dem Abkühlen auf Raumtemperatur wird die Krone ausgebettet und im Sandstrahler mit 105 µm vorsichtig abgestrahlt. Das Pressobjekt sieht jetzt schon aus wie eine richtige Krone. Daraufhin gebe ich sie in einen Extrabehälter mit 1%iger Flusssäure und stelle den Behälter für maximal zehn Minuten in das Ultraschallgerät. Achtung Flusssäure: Lasst nie etwas davon auf eure Hände oder gar in die Augen kommen (Abb. 15)!

Im nächsten Arbeitsschritt trenne ich den Gusskanal mit einer Diamanttrennscheibe so nah wie möglich an der Krone ab und verschleife ihn (Abb. 16). Nach dem Aufpassen der Krone auf den Stumpf entferne ich eventuelle Blasen mit einem Diamantschleifkörper. Wichtig ist, dass die Fissuren mit einer Gummispitze vorpoliert und so Unebenheiten ausgeglichen werden. Mit einer Gummierlinse glätte ich vorsichtig den Kronenrand (Abb. 17). Ich empfehle bei der Ausarbeitung Umdrehungszahlen zwischen 10 000 und 15 000 min-1. Auf dem Modell überprüfe ich anschließend die Approximalkontakte und die Okklusion. Kleine Korrekturen schleife ich ein.

Nach erneutem Abstrahlen und Abdampfen bemale ich die Krone mit IPS e.max Ceram Essence in der Farbe A 3,5 nach der Vita Farbskala. Den Zahnhals dunkle ich ab, gestalte die Kaufläche in wärmeren Farben und lege auf die Höckerspitzen einen weißlichen Saum, um die Nachbarzähne nachzuahmen. Ebenso werden die Flanken bläulich gefärbt, um eine Tiefenwirkung zu erzielen (Abb. 18). Ich brenne meine Krone im Keramikofen mit dem Programm „IPS e.max Malfarbe“ bei 715 °C ohne Vakuum (Abb. 19). Ein abschließender Glanzbrand sorgt für homogene Oberflächen und einen individuell steuerbaren Glanzgrad. Ich trage die Glasur mit einem feinen Pinsel auf. Es sollte ein gleichmäßiger Überzug sein, ohne die Kauflächen zuzuschwemmen! Ich brenne meine Krone bei 735 °C und 100 Prozent Vakuum (Abb. 20+21).

Weil sich auf der Innenseite der Krone Rückstände vom Glanzbrand befinden können, strahle ich sie vorsichtig aus. Dabei achte ich darauf, nicht zu lange auf einen Fleck und nicht auf die Außenseite zu strahlen. Zum Nacharbeiten kommen die weißen Gummierer zum Einsatz. Mit der Gummier-Flamme (Panther edition flamme 055 gloss) glätte ich die Kaufläche (Abb. 22+23). Für glänzende Abrasions- und Außenflächen nehme ich die Gummier-Linse zur Hand (Panther edition lense 260 gloss) (Abb. 24). Meine Drehzahl wähle ich zwischen 10 000 und 15 000 min-1.

Den letzten Glanz verleihe ich der Krone mithilfe einer Ziegenhaarbürste und zugehöriger Polierpaste (Abb. 25+26). Der Druck sollte gering sein und die Umdrehungszahl bei 5000 min-1 liegen. Auf geht’s … das letzte Mal abdampfen! Ich setze die Krone auf das Abgabemodell und überprüfe die Okklusions- und Approximalkontakte mit der Shimstockfolie (Abb. 27–29). Natürlich läuft nicht immer alles ideal. Falls an den Kontakten durch das Polieren und Bearbeiten etwas Masse verloren gegangen ist, kann ich etwas Add-on-Masse nachtragen (Brennprogramm: Add-on nach dem Glanzbrand – 695 °C mit 100 Prozent Vakuum).

In der Zahnarztpraxis wird der Stumpf vorbereitet und die Krone endgültig eingegliedert (Abb. 30+31).

Fazit
Bei uns im Labor wird von Haus aus viel Wert auf das Modellieren gelegt. Schon zu Beginn meiner Lehre durfte ich zahllose Modellierplatten in Gips ausgießen und die einzelnen Segmente der Krone aufwachsen. Daraus entstand meine Liebe zum Modellieren. Ich wünschte mir zum Geburtstag ein elektronisches Wachsmesser. An manchen Abenden im Wohnheim hatte ich dadurch einen guten Zeitvertreib. Denn nur Übung macht den Meister. Das Umsetzen in Presskeramik war für mich ein zweiter großer Schritt (Abb. 32). Neugierig schaute ich bei den erfahrenen Technikern im Labor zu, wie eingebettet, ausgebettet und bearbeitet wurde. Jetzt war ich an der Reihe: modellieren und umsetzen! Nico Heinrich, der Techniker, der sich bei uns um die Ausbildung kümmert, kam mit dem Projekt der Dokumentation auf mich zu und stachelte damit meinen Ehrgeiz an. Ich hoffe, diese Dokumentation gefällt euch und hilft euch auf eurem Weg. Der Beruf Zahntechniker kann nur mit Leidenschaft ausgeübt werden und die muss in der Ausbildung entfacht werden. Ich möchte mich bei meinen Kollegen in meinem Ausbildungsbetrieb Dentaltechnic Peppel für die Geduld und die Unterstützung bedanken. Ganz besonders danke ich Zahntechnikmeister Werner Peppel für die Möglichkeiten, die mir während meiner Ausbildung geboten werden und natürlich auch Nico Heinrich, der mich mit seinen Motivationsschüben immer wieder mitreißen kann.

Mein Dank gilt nicht zuletzt Dr. Ingo Frank, der Praxis Dr. Bayer & Kollegen und selbstverständlich dem Patienten meiner Dokumentation. Die geleistete Arbeit und die tolle Zusammenarbeit sind mein täglicher Ansporn, jeden Tag etwas Neues zu lernen und meinen Weg in der Zahntechnik zu gehen.

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